Claudia Kemfert im Porträt
Claudia Kemfert. (Foto: Steffen Peschges/​Borgmeier)

Frau Kemfert, 14 Gruppen engagierter Bürger haben sich beim Wettbewerb um das "Bürgerenergieprojekt 2018" beworben, zurzeit kann jeder beim öffentlichen Voting für seine Favoriten abstimmen. In der Bundespolitik wird gerade mehr über Stromnetzausbau und Speichertechnologien gesprochen als über die Bürgerenergiewende. Ist es jetzt erst mal Zeit für große Infrastrukturprojekte?

Claudia Kemfert: Es ist Zeit für Bürgerenergieprojekte! Die Akzeptanz der Energiewende steigt vor allem mit der Partizipation. Die Bürgerenergie stärkt Teilhabe und Demokratie und ist zudem ein wesentlicher Eckpfeiler einer dezentralen Energieversorgung.

Große Infrastrukturprojekte stoßen häufig auf Ablehnung und spalten daher die Gesellschaft. Die Bürgerenergie bringt die Gesellschaft zusammen. Aus Wutbürgern werden Mutbürger, wenn man dafür wirbt, Teil der Lösung zu sein, und ein dauerhaft nachhaltiges Energiesystem aufbaut.

Aber allen Idealismus mal beiseite: Wie wirken sich die vielen einzelnen, eher kleinen Kraftwerksprojekte auf das Energiesystem aus?

Wenn wir uns das derzeit langfristigste politische Ziel angucken, sollen im Jahr 2050 mindestens 80 Prozent des in Deutschland brutto verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Dafür muss das Energiesystem dynamischer werden. In Zukunft werden wir hohe Anteile erneuerbarer Energien dezentral, intelligent und flexibel verzahnen, und zwar mit möglichst vielen Anbietern und Abnehmern. Das stärkt die Versorgungssicherheit.

Und unter ökonomischen Gesichtspunkten: Welchen Effekt hat Dezentralität auf die Kosten der Energiewende?

Sie kann die Kosten senken, wenn erneuerbare Energien als Teamplayer gut miteinander verzahnt werden und das System möglichst flexibel die Energieversorgung sicherstellen kann. Große Infrastrukturprojekte machen die Energiewende teuer, dezentrale Lösungen senken die Kosten. Eine kluge Energiewende schafft enorme wirtschaftliche Chancen.

Wie schätzen Sie die politischen Rahmenbedingungen zurzeit ein?

Derzeit konzentrieren sich die politischen Rahmenbedingungen vor allem auf eine Stärkung der zentralen und großen Lösungen, Bürgerenergieprojekte werden eher ausgebremst. Dennoch sollten sich Bürgerenergieprojekte nicht beirren lassen und unverdrossen weitermachen.

Lesen Sie auch: "Bürgerenergie bleibt Schlüssel zur Energiewende"

Dass das Bündnis Bürgerenergie (BBEn) engagierten Bürgern professionelle Beratung ermöglicht, ist lobenswert – nötig ist aber auch, dass die Politik bessere Rahmenbedingungen schafft, sagt Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE) und frühere Grünen-Chefin.

Zum ADVERTORIAL

Die erneuerbaren Energien werden in Zukunft auch ohne Förderung wirtschaftlich attraktiv sein. Und das beste Motiv, sich als Bürger an derartigen Projekten zu beteiligen, ist, Teil der Energiewende-Lösung zu sein und die Gemeinschaft zu stärken.

Seit vielen Jahren entlarven Sie durch Ihre Forschung und in öffentlichen Debatten Mythen, die die Energiewende diskreditieren – und zeigen Strategien zu einer klimafreundlichen Energieversorgung auf. Warum dringen Ihre Argumente nicht noch schneller durch?

Die wissenschaftlichen Fakten werden durchaus wahrgenommen. Es gibt ja kein Erkenntnis-, sondern vor allem ein Umsetzungsproblem. Aktive Politik muss viele Interessen vertreten – und oftmals sind die Lobbyisten der Vergangenheit deutlich lauter als die der Zukunft. Die Politik sollte sich vor allem auf ihre Grundaufgabe zurückbesinnen, die Gemeinwohlinteressen zu vertreten. Da die Politik dies nicht ausreichend tut, wird die Zivilgesellschaft aktiver.

Welcher Mythos hält sich am hartnäckigsten?

Eigentlich alle, sie kommen immer mal wieder. Das "Blackout"-Argument ist aber sicherlich das älteste und hartnäckigste. In den Neunzigerjahren hieß es, dass das Stromsystem niemals mehr als vier Prozent erneuerbare Energien aufnehmen könne – heute sind wir bei über 40 Prozent. Und man könnte zehn weitere Beispiele nennen.

Diese Mythen haben ja das Ziel, den Menschen Angst zu machen. Es geht aber darum, ihnen Mut zu machen: Wir alle können Mutbürger sein, wenn wir die Energiewende aktiv umsetzen. Bürgerenergie ist nicht nur wichtig für die Energiewende, sondern macht enormen Spaß!

Wettbewerb um das Bürgerenergieprojekt 2018

14 Projekte haben sich beworben. Jetzt sind Sie gefragt: Wer soll gewinnen? Noch bis zum 15. November dürfen Sie drei Stimmen per Klick verteilen. Das Bündnis Bürgerenergie (BBEn) fragt außerdem eine fachkundige Jury nach ihren Favoriten.

Die drei Gewinner werden am 24. November auf dem Bürgerenergie-Konvent in Lutherstadt Wittenberg gekürt. Neben der Auszeichnung winkt den Gewinnern ein Beratungsstipendium – damit sie das volle Potenzial ihrer Ideen entfalten können.

Dieser Beitrag wurde nicht von der Redaktion erstellt. Er ist in Kooperation mit dem Bündnis Bürgerenergie e.V. in der Rubrik Advertorials erschienen.