Frau Peter, das Bündnis Bürgerenergie zeichnet wie schon im vergangenen Jahr drei Bürgerenergie­gesellschaften mit visionären Ideen aus. 2018 erhalten die Gewinner neben der Ehrung auch ein Beratungsstipendium, um die Herausforderungen ihres Projekts zu meistern. Reicht eine gute Idee unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht aus, wenn man sich als Bürger an der Energiewende beteiligen will?

Simone Peter: Die Energiemärkte und die Gesetze sind in den vergangenen Jahren immer vielschichtiger geworden. Und mit der zunehmenden Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr wird es noch komplexer. Für viele Bürgerenergieprojekte ist das eine Herausforderung, denn ihnen fehlt häufig die personelle Kapazität für regulatorische oder juristische Fragen im Vergleich zu größeren Playern im Energiemarkt.

Es ist deswegen nur zu begrüßen, wenn professionelle Beratung angeboten wird. Es bleibt aber gleichzeitig Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Bürgerinnen und Bürger dauerhaft an der Energiewende teilhaben können.

Was würde dazugehören?

Die Bundesregierung muss zum Beispiel die Möglichkeiten zum Eigenverbrauch von Strom und zum Bürgerstromhandel stärken. Innovative Ideen werden hier viel zu oft ausgebremst statt befördert. Kleinere Bürgerenergie-Akteure brauchen auch bei den Ausschreibungen faire Rahmenbedingungen. Das erweitert das Spektrum der Anbieter, verankert die Energiewende in der Region und damit nahe an den Menschen und führt zu günstigen Projekten. Diese Chancen gilt es für die Bürgerenergie zu bewahren.

Sind die Bürger trotzdem noch ein Motor beim Übergang zur klimafreundlichen Energiegewinnung?

Die Bürgerenergie bleibt aus meiner Sicht der Schlüssel für den Erfolg der Energiewende. Es sind immer noch 40 Prozent der installierten erneuerbaren Leistung in Bürgerhand. Dazu gehören Privatleute, Landwirte, Bürgerenergiegenossenschaften. Der Bürgerenergieanteil ist jedoch geringer als noch vor einigen Jahren.

EEG-Novellen vergangener Jahre und das neue Ausschreibungsregime 2017 haben nicht nur dazu geführt, dass Investitionen und Umsatz bei der Produktion von Erneuerbare-Energien-Anlagen zurückgegangen sind, sondern auch der Anteil der Gemeinschaftsprojekte. Dass Bürgerinnen und Bürger aktiv bei der Energiewende mitwirken, hilft aber dabei, eine breite Akzeptanz zu schaffen. Und die ist für die Energiewende 2.0 zentral.

Eine Mehrheit der Bevölkerung bekräftigt in Umfragen ja immer wieder, dass sie die Energiewende als Großprojekt unterstützt – wenn es dann aber um ein Windrad oder vielleicht eine neue Stromleitung in Sichtweite geht, fehlt es vielen an Verständnis.

Tatsächlich erfährt die Energiewende nach wie vor sehr große Zustimmung in der Bevölkerung, wie dies die repräsentativen Umfragen auch jüngst wieder bestätigten. 95 Prozent der Deutschen befürworten einen weiteren Ausbau. Das muss auch die Politik stärker verinnerlichen, die sich auf Bundesebene gerade schwertut mit dem Kohleausstieg und dem beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren. Hier müssen wir an frühere Erfolge anknüpfen.

Durch die Strommarktliberalisierung und das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist das Energiesystem demokratischer und dezentraler geworden. Es sind viele neue Akteure entstanden, darunter hunderte Bürgerenergiegesellschaften, die die Energiewende ins Rollen gebracht haben. Aktive Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an der Energiewende sichert deren Umsetzung vor Ort.

Bürgerwindrad
Bau eines Bürgerwindrads: Klimaschutz ist auch aktiver Artenschutz. (Foto: Oekogeno/​buergerenergie-emmendingen.de)

Dieser Aspekt, aber auch die Tatsache, dass Konflikte vor Ort aus Naturschutz- oder Landschaftsschutzgründen leider zunehmen, müssen stärker in den politischen Fokus rücken. Wir wollen die hundertprozentige Versorgung des Strom-, Wärme- und Mobilitätssektors mit erneuerbaren Energien. Daran führt aus Klimaschutzgründen, aber auch aus Gründen des Wettbewerbs um Spitzenpositionen bei sauberen Technologien kein Weg vorbei.

Hierfür braucht es endlich ein Zeit- und Mengengerüst, wie die Bundesregierung ihr Ziel von 65 Prozent Ökostrom bis 2030 sowie die vertraglich vereinbarten Klimaziele umzusetzen plant. Damit einher gehen die Sicherstellung von ausreichend Flächen vor Ort, keine Deckelung der Ausbaumengen für erneuerbare Energien, die die Solarenergie bald zum Erliegen zu bringen droht, und ausreichende Genehmigungen, an denen es im Windbereich derzeit mangelt.

Sehr viele Windkraft-Projekte werden zudem von Naturschutzverbänden beklagt. Dabei ist Klimaschutz aktiver Artenschutz, wie wir es gerade in diesem Hitzesommer erlebt haben: Viele Arten geraten angesichts großer Hitze und Trockenheit in Bedrängnis. Als Biologin werbe ich dafür, diese Interessen nicht gegeneinander auszuspielen, sondern ein Miteinander zu suchen.

Die Europäische Union hat sich kürzlich auf neue Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2030 verständigt und dabei auch den Eigenverbrauch gestärkt, wenngleich die Bundesregierung das Ergebnis noch leicht verwässert hat. Kommen die entscheidenden Anstöße gerade aus Brüssel?

Tatsächlich hat die EU mit der Erneuerbare-Energien-Richtlinie wichtige Weichenstellungen für mehr Bürgerenergie vorgenommen. Dazu zählt die Einführung des Rechts für alle Bürgerinnen und Bürger der EU, Strom aus erneuerbaren Energien selbst zu erzeugen, zu verbrauchen und Überschüsse mindestens zu Marktpreisen verkaufen zu dürfen, zum Beispiel im Rahmen von "Renewable Energy Communities". Zudem ist die Bundesregierung mit der Erneuerbaren-Richtlinie aufgefordert, auch das Abgaben- und Umlagensystem zu vereinfachen, vor allem für kleine Anlagen.

Nicht auszublenden ist auch, dass die Energiewende international auf Erfolgskurs ist. Wir sind da längst nicht mehr die Vorreiter. Das sieht man auch daran, dass Deutschland seine Erneuerbaren-Ziele für dieses Jahrzehnt nicht erreichen wird. Die Bundesrepublik hat sich vertraglich dazu verpflichtet, Ende 2020 mindestens 18 Prozent ihres gesamten Endenergieverbrauchs erneuerbar zu gewinnen.

Das werden wir ziemlich sicher nicht schaffen, nach BEE-Prognosen werden wir wohl zwischen 16,2 und 16,4 Prozent landen. Das wird auch mit Strafzahlungen einhergehen, denn es geht hier um ein verbindliches EU-Ziel. Bei Energiewende und Klimaschutz auf dem Bremspedal zu stehen wird sich aber ökologisch wie ökonomisch bitter rächen, denn Klimakrise und internationaler Wettbewerb warten nicht auf uns.

Als es in Brüssel vor Kurzem um schärfere CO2-Grenzwerte für Autos ging, sah sich die Bundesregierung auch mit einer Mehrheit für stärkere Vorgaben konfrontiert – darunter selbst Länder wie Italien und Frankreich, die wie Deutschland eine eigene Autoindustrie haben.

Es ist bedauerlich, dass sich die Bundesregierung nicht zu anspruchsvollen Vorgaben auf europäischer Ebene durchringen kann, obwohl der Verkehr massiv zu hohen CO2-Emissionen beiträgt und deshalb eines der großen Sorgenkinder der nationalen Klimaschutzanstrengungen ist. Verlässliche und ambitionierte Rahmenbedingungen geben Investitionssicherheit und setzen erst die nötige Transformationskraft frei. Einige Länder um uns herum haben deshalb bereits ein Ausstiegsdatum aus dem fossilen Verbrennungsmotor beschlossen oder feste Ausbauziele für die Elektromobilität.

Schauen Sie sich Norwegen an mit einem Anteil von etwa 39 Prozent E-Autos im vergangenen Jahr. Plus: Mehr als die Hälfte der Neuzulassungen waren elektrisch betriebene Fahrzeuge. Für 2018 wird nochmals ein deutlicher Anstieg erwartet. Deshalb bedarf es auch in Deutschland eines ambitionierten Rechtsrahmens, um der Elektromobilität zum Durchbruch zu verhelfen – und damit auch den Autostandort Deutschland für die Zukunft zu sichern.

Klimafreundlicher Verkehr ist mittlerweile auch ein Thema bei manchen Bürgerenergieprojekten. Sehen Sie dort viel Potenzial?

Noch betreiben die meisten Bürgerenergiegesellschaften Photovoltaikanlagen und Windräder, vermehrt aber auch Netze, vorrangig Wärmenetze. Viele der Akteure leben aber auch schon die neue Mobilität und zeigen so: Es funktioniert. Sie übernehmen zum Beispiel mit dem Bau und Betrieb von Ladesäulen die wichtige Funktion, Elektromobilität sichtbar und nutzbar zu machen.

Viele würden sich wünschen, hier mehr tun zu dürfen, als es ihnen aufgrund der regulatorischen Hemmnisse oder des komplexen Rechtsrahmens möglich ist. Das Potenzial ist hier riesig, auch was Carsharing, die Stärkung des öffentlichen Verkehrs oder die Nutzung des Fahrrads angeht. Oft sind hier die Bürgerinnen und Bürger weiter als die Politik, was beispielsweise der Boom der E-Bikes zeigt.

Es geht jetzt um die Energiewende 2.0, die alle Sektoren betrifft, die die breite Zustimmung der Menschen braucht und – mit Blick auf das Ziel der vollständigen Dekarbonisierung bis 2050 – den Umbau der Wirtschaft mit sich bringt. Dafür ist Bürger-Engagement ein zentraler Hebel.

Wettbewerb um das Bürgerenergieprojekt 2018

Noch bis zum 31. Oktober können sich interessierte Bürgerenergiegesellschaften online bewerben. Beteiligen können sich Genossenschaften, GmbHs, Vereine, Personengesellschaften wie auch andere Formen der bürgerschaftlichen Teilhabe an der Energiewende.

In ihrer Bewerbung sollen die Bewerber sich selbst porträtieren und dadurch deutlich machen, warum sie zu den drei Bürgerenergieprojekten 2018 gehören sollten – und was sie sich von einer Beratung erhoffen. Die Selbst-Porträts werden dann auf der Projektwebsite "Bürgerenergieprojekt 2018" vorgestellt. Die Gewinner aus diesem Kreis werden durch ein Voting bestimmt, das von der Netzgemeinde und einer Jury entschieden wird.

Die drei Gewinner-Gesellschaften werden am 24. November 2018 auf dem Bürgerenergie-Konvent in Lutherstadt Wittenberg (Sachsen-Anhalt) bekannt gegeben und gekürt. Gleich im Anschluss an den Konvent startet für die Gewinner die Phase zur Einlösung ihrer Stipendien.

Sehen Sie sich hier nochmal die Gewinner aus dem letzten Jahr an.

Dieser Beitrag wurde nicht von der Redaktion erstellt. Er ist in Kooperation mit dem Bündnis Bürgerenergie e.V. in der Rubrik Advertorials erschienen.