Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies. (Foto: MU Niedersachsen)

Herr Lies, Niedersachsen will das Windenergieland Nummer eins bleiben. Wie wollen Sie das sichern?

Olaf Lies: Um bei Wind an Land und offshore vorn zu bleiben, brauchen wir zunächst einen konsequenten Netzausbau. Daran arbeiten wir intensiv und werden bis 2020 die Planfeststellungsverfahren für alle Vorhaben in der Höchstspannungsebene abgeschlossen haben.

Uns reicht es aber nicht mehr, Energie nur zu erzeugen. Notwendig sind ebenso Speicherung, Intelligenz und Sektorenkopplung. Konventioneller Strom soll nicht einfach nur durch Öko-Strom ersetzt werden. Auch der Wärmebereich und die Industrie kommen ins Spiel. Den Umstand, dass wir Windenergieland Nummer eins sowie Motor und Treiber der erneuerbaren Energien sind, wollen wir zu einem Standortvorteil für die Industrie machen.

Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD auf Bundesebene sind für 2018 und 2019 zusätzliche Wind-Ausschreibungen von jeweils 2.000 Megawatt festgelegt. Für Wind an Land strebt Niedersachsen über den Bundesrat an, dass 1.400 Megawatt zusätzlich ausgeschrieben werden sollen. Wie passt das zusammen?

Im Jahr 2017 führten die Sonderregeln für Bürgerenergie bei den Ausschreibungen für Windkraft an Land dazu, dass Projekte das Rennen machten, die kaum zeitnah umgesetzt werden. Das ist jetzt anders. Die Unternehmen müssen sich nun erst einmal um die Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz bemühen. Ohnehin haben sie zwei Jahre mehr Zeit für die Realisierung der Windanlagen.

Damit laufen wir in einen Fadenriss beim Ausbau der Erneuerbaren hinein. Diese Lücke, die im letzten Jahr entstand, soll mit unserer Bundesratsinitiative geschlossen werden. Die zusätzlichen Ausschreibungsmengen, die die Koalition auf Bundesebene plant, dienen dagegen vor allem dazu, das Klimaschutzziel für 2030 zu erreichen. Beide Initiativen greifen also insofern ineinander.

Der niedersächsische Windenergieverband fordert, für die Energiewende insgesamt 1,5 Prozent der Landesfläche als Windeignungsgebiete auszuweisen. Sie sprechen von 1,4 Prozent.

Unser Ziel in Niedersachen ist, im Jahr 2050 über etwa 20.000 Megawatt Windkraft an Land zu verfügen. Dazu bedarf es nach heutigem Stand 1,4 bis 1,7 Prozent der Landesfläche.

In nächster Zeit werden wir intensiv dafür werben, dass dort, wo jetzt noch ältere Einzelanlagen stehen, die Windkraft künftig konzentriert wird. Wir wollen weniger, dafür aber leistungsfähigere Anlagen haben. Natürlich müssen wir uns auch fragen: Wo sind neue Flächen verfügbar, die umwelt- und sozialverträglich für Windenergie genutzt werden können?

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Akzeptanz der Windkraft, sobald sie in Sichtweite kommt, gering ist. Größere Anlagen bedeuten dabei auch größere Abstände zur Wohnbebauung. Insofern könnte es schwierig werden, geeignete Standorte zu finden.

Man darf die Bürger hier nicht überfordern, sondern muss vernünftige Lösungen und auch akzeptanzschaffende Maßnahmen vorlegen, wie zu Beispiel, dass von den Steuern und Vergütungen einiges in der Region verbleibt.

Mehr Beteiligung der Bürger am Ausbau und am Ertrag der Windenergie verlangt mittlerweile auch der Bundesrat. Wie steht Niedersachsen zu den Forderungen der Länderkammer?

Das ist ein guter Weg. In der Arbeitsgruppe Energie in den Koalitionsverhandlungen zur neuen Bundesregierung beschäftigte uns auch die Frage, wie Gewerbesteuerzahlungen an die Kommune, wo die Windkraftanlage steht, gestaltet werden können. Wir müssen davon wegkommen, dass diejenigen, bei denen die Anlage steht, die Last tragen – die Steuern aber dort gezahlt werden, wo der Eigentümer der Anlage seinen Sitz hat.

Wie will sich Niedersachsen bei den Erneuerbaren diversifizieren und zum Beispiel den Solaranteil erhöhen?

Es ist richtig – die Energiewende muss auf eine breitere Basis gesetzt werden. Bei Windkraft haben unsere Standorte im Norden Vorteile, bei Solarenergie nicht. Da gewinnen Anbieter aus Niedersachsen kaum eine Ausschreibung.

Wir wollen aber nicht beim Erzeugungsland Nummer eins stehenbleiben, sondern einen Großteil der erneuerbaren Energie selbst nutzen. Dazu müssen wir vor allem über die Nutzung der Energie reden und die Themen Sektorkopplung und Speicher angehen.

Bei der Sektorkopplung bietet Niedersachsen als starkes Industrieland mit einem hohen Anteil von Grundstoffbranchen wie Stahl, Chemie und Raffinerien beste Voraussetzungen, um Erneuerbare und CO2-Einsparung zusammenzubringen.

Gerade Wasserstoff, der derzeit noch chemisch oder aus Erdgas erzeugt wird, könnte über Power-to-Gas als "grüner" Wasserstoff in die Produktionskette eingefügt werden. Das ist eine Riesenchance. Wir sind jetzt wirklich an einer Schwelle, wo die Dimension solcher Projekte rasch wachsen wird.

Und mit seinen Gaskavernen bietet Niedersachen zugleich beste Voraussetzungen, um größere Mengen von grünem Gas zentral und nachhaltig zu speichern.

Im Koalitionsvertrag der jetzigen niedersächsischen Regierung von SPD und CDU ist die Verabschiedung eines Klimagesetzes vorgesehen. Werden Sie dabei den Gesetzentwurf aus der vorangegangenen rot-grünen Regierungszeit aufgreifen?

Der Entwurf der ehemaligen rot-grünen Regierung ist eine gute Grundlage. Er ist mir aber an einer Reihe von Stellen noch nicht konkret genug. Als Landesregierung werden wir jetzt intensiv beraten, wie man in dieses Klimagesetz noch mehr Substanz hineinbekommt. Wir haben uns vorgenommen, ein echtes Klimaschutzgesetz vorzulegen, das den Herausforderungen, aber auch den Möglichkeiten Niedersachsens entspricht.

Welche Zukunft hat die Offshore-Windkraft?

In Offshore stecken nach wie vor große Chancen. Keine andere Industrie erlebte in so kurzer Zeit einen derart starken Wandel der Kosten. Im Ergebnis der letzten Offshore-Ausschreibung brauchen drei von vier Windparks keine Förderung mehr. Das ist ein Riesenschritt nach vorn.

Unsere Botschaft ist deswegen: Wir brauchen den Ausbau der Offshore-Windenergie nicht mehr mit irgendeinem Deckel zu begrenzen, deshalb muss der Deckel auch weg. Bis 2030 sind 20.000 Megawatt Offshore-Windkraft unser Ziel. Sie ist ein starker, wenn nicht sogar der stärkste Pfeiler der Energiewende.

Auch Flächen sind noch genug vorhanden. Im Bereich der Ausschließlichen Wirtschaftszone, der AWZ, können wir noch viele Eignungsgebiete erschließen. Die große Herausforderung bleibt hier die Netzanbindung, die wir gut vorbereiten müssen.

Redaktioneller Hinweis: Das Interview wurde zuerst auf dem von der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) betreuten Portal "Föderal Erneuerbar" veröffentlicht.

Dieser Beitrag wurde nicht von der Redaktion erstellt. Er ist in Kooperation mit der Agentur für Erneuerbare Energien in einer Reihe mit 16 Länder-Interviews zur Energiewende in der Rubrik Advertorials erschienen.

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