Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber. (Foto: MWE)

Herr Gerber, der Kohleausstieg ist in aller Munde – bald soll nach dem Willen der großen Koalition in Berlin die Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" auch ein Abschlussdatum für die Kohleverstromung vorschlagen. Sie sind erklärter Gegner eines politisch festgelegten Termins. Ist die Kommission eine gute Lösung?

Albrecht Gerber: Ich begrüße diese Kommission. Sie zeigt, dass die Bundesregierung die Strukturentwicklung in den Revieren als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anerkennt und ihren Beitrag dazu leisten will.

Das zweitgrößte Braunkohlerevier Deutschlands liegt in der Lausitz und damit unter anderem in Brandenburg. Ihr Land betrifft die Arbeit der Kommission also direkt.

Nur wenn wir jetzt im engen Schulterschluss den Grundstein für die wirtschaftliche Zukunft der Lausitz legen, kann es gelingen, neue, gleichwertige Arbeitsplätze zu schaffen und die Lausitz als Energie- und Industriestandort zu stärken.

Deswegen ist es sinnvoll und richtig, die Menschen aus den Revieren und Partner wie Gewerkschaften und Verbände von vornherein am Prozess zu beteiligen, wie es ja mit der Kommission geplant ist. Dabei müssen zuerst auch Aspekte wie Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit, Energiekosten oder regionalwirtschaftliche Folgen für die Menschen vor Ort diskutiert werden.

Der Thinktank Agora Energiewende hat einen schrittweisen Ausstieg aus der Kohle bis 2040 vorgeschlagen. Laut dem viel beachteten Konzept sollen jedes Jahr 100 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt in die Lausitz fließen. Klingt das nicht gut?

Die Strukturentwicklung muss langfristig von der Bundesregierung unterstützt werden. 100 Millionen Euro im Jahr sind allerdings viel zu niedrig angesetzt. Wir fordern gemeinsam mit Sachsen, dass der Bund von 2019 bis 2024 mindestens 1,2 Milliarden Euro für die Lausitz bereitstellt. Das Geld brauchen wir insbesondere, weil 2019 der Solidarpakt für die neuen Länder ausläuft.

Ihre rot-rote Landesregierung will ihr ambitioniertes Klimaziel aus der "Energiestrategie 2030" anpassen, und zwar nach unten. Steht Brandenburg beim Strukturwandel auf der Bremse?

Nein, absolut nicht. Brandenburg hat sich früh sehr ambitionierte energiepolitische Ziele gesetzt. Wir sind deshalb heute eines der führenden Länder beim Ausbau der erneuerbaren Energien.

Aber wir sind auch ein historisch gewachsenes Energieland und exportieren rund 60 Prozent des bei uns erzeugten Stroms sowie rund 60 Prozent der bei uns erzeugten Mineralölprodukte. Die CO2-Emissionen dafür werden ausschließlich Brandenburg angerechnet.

Welche Klimaschutz-Erfolge wir bis 2030 erreichen können, hängt also auch davon ab, wie der Fortschritt bei der Energiewende in ganz Deutschland verläuft – das muss auch unser Klimaziel widerspiegeln. Übrigens wird Brandenburg im Gegensatz zu fast allen Alt-Bundesländern sein Klimaziel für 2020 erreichen, nämlich die Reduktion der CO2-Emissionen um 40 Prozent gegenüber 1990.

Ein Teil dieser CO2-Einsparung ist auf den Zusammenbruch der Industrie nach der Wende zurückzuführen. Die Lausitzer haben damals, als schon einmal viele Tagebaue und Kohlekraftwerke dichtgemacht wurden, einen regelrechten Strukturbruch erlebt. Macht diese Erfahrung den aktuellen Prozess schwerer?

Noch einen Strukturbruch müssen wir unbedingt verhindern, sonst wackeln hier die Wände! Die aktuelle Entwicklung in der Lausitz braucht Zeit. Und verlässliche Rahmenbedingungen, damit Menschen, Unternehmen und Kommunen in der Lausitz neue wirtschaftliche Betätigungsfelder und Perspektiven entwickeln können.

Die Lausitz ist hier bereits auf einem sehr guten Weg. Zahlreiche Unternehmen der Braunkohleindustrie sind längst auch in anderen Branchen und auf anderen Märkten tätig. Das ist gut und richtig. Wir werden diese Entwicklung nach Kräften unterstützen.

Ebenfalls aus der Nachwende-Zeit rührt es in Brandenburg vielleicht auch, dass Anwohner Windrädern oft skeptisch gegenüberstehen. In den ostdeutschen Ländern wurden die Anlagen in den Neunzigern recht unkontrolliert gebaut. Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern haben schon Programme oder Gesetze zur besseren Beteiligung der Bevölkerung an der Energiewende. Wann legt Brandenburg nach – und womit?

Ich teile das Anliegen, dass Kommunen und damit auch die Bürgerinnen und Bürger stärker vom Ausbau der Windenergie vor ihrer Haustür profitieren müssen. Deshalb beobachten wir sehr aufmerksam die Aktivitäten der anderen Bundesländer, sehen aber auch Probleme. Die gesetzliche Regelung in Mecklenburg-Vorpommern ist zum Beispiel gerade beim Bundesverfassungsgericht auf dem Prüfstand.

Brandenburg selbst will nichts unternehmen?

Wir setzen uns für eine deutschlandweit einheitliche Regelung ein. Wir haben dazu auch schon einen Antrag in die Wirtschaftsministerkonferenz eingebracht, der Ende des vorigen Jahres einstimmig beschlossen wurde. Die Bundesregierung soll sich nun damit befassen, wie so eine Regelung aussehen könnte.

Die neue Bundesregierung hat das Thema erfreulicherweise auch schon in ihrem Koalitionsvertrag aufgegriffen. Im Übrigen hat Brandenburg mit den Instrumenten der Regionalplanung einen Weg, um dem unkontrollierten "Wildwuchs" von Windenergieanlagen entgegenzuwirken.

Brandenburg gehört im Deutschland-Vergleich zu den Vorreitern bei erneuerbaren Energien. Bei gutem Wetter erzeugen Windräder, Solaranlagen und Co sogar schon deutlich mehr Strom, als das Land braucht. In den kommenden Wochen wollen Sie für die märkische Energiewende das Programm "1.000 Speicher" starten. Wie wird das genau aussehen und was erhoffen Sie sich davon?

Der Fokus dieses Kleinspeicherprogramms liegt auf privaten Eigenheimbesitzern, die etwa mit Photovoltaikanlagen auf Dächern selbst Strom erzeugen. Als Vorreiter beim Ausbau der erneuerbaren Energien wissen wir in Brandenburg, wie schwierig es ist, die Netze stabil zu halten, wenn der Anteil der Erneuerbaren am Strommix steigt.

Mit unserem Programm und der Unterstützung für zwischengeschaltete – wenn auch kleine – Batteriespeicher wollen wir zur Netzentlastung beitragen. Ich gehe davon aus, dass wir mit unserer Richtlinie binnen der nächsten zwei Monate starten können. Aber: Für die Integration des Stroms aus Wind und Sonne ins Netz brauchen wir auch Speicherkapazitäten in industriellen Größenordnungen – das "1.000-Speicher-Programm" kann das natürlich nicht leisten.

Redaktioneller Hinweis: Das Interview wurde zuerst auf dem von der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) betreuten Portal "Föderal Erneuerbar" veröffentlicht.

Dieser Beitrag wurde nicht von der Redaktion erstellt. Er ist in Kooperation mit der Agentur für Erneuerbare Energien in einer Reihe mit 16 Länder-Interviews zur Energiewende in der Rubrik Advertorials erschienen.

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