Was bitteschön ist eigentlich ein "Pizzaburger"? Die Antwort auf diese naheliegende Frage – ein Burger sollte schließlich nie so platt wie eine Pizza sein – ist aber egal in diesem Film. Denn im Pizzaburger steckt Palmöl drin. "Zum Kotzen", findet das ein Aktivist auf der Insel Sumatra. Und er sagt: "Im Palmöl steckt das Blut der Indonesier". Also auch im Pizzaburger.
Werner Boote ist verärgert. Kann man jetzt nicht mal mehr seinen Pizzaburger ohne schlechtes Gewissen essen? Und überhaupt: Auf der Verpackung steht doch "nachhaltiges Palmöl". Wieso regt sich der Aktivist so auf? Werner Boote ist der Naive im Film "Die grüne Lüge".
Zum Glück ist Boote Wiener, ausgestattet mit jener Nonchalance, die selbst seine fast schmerzhafte Naivität noch sympathisch erscheinen lässt. Seinen Widerpart gibt Kathrin Hartmann, Autorin des Buches "Die grüne Lüge – Weltrettung als profitables Geschäftsmodell". Und um zu klären ob nun Palmöl aus nachhaltigem Anbau oder aus dem Blut in indonesischen Venen in den Pizzaburger kommt, jetten die beiden nach Indonesien, an jenen Ort, wo das Palmöl entsteht.
Auf Bali findet die wichtigste Messe der Palmölindustrie statt. Indonesiens Regierungschef erklärt, wie bedeutend die Branche für das Inselreich ist, "20 Milliarden Dollar jährlich" trage das Palmöl zur indonesischen Wirtschaftskraft bei, was es zum wichtigsten Exportgut des Landes mache. Lobbyisten erklären, dass die Nachhaltigkeit natürlich kein Status quo sei, sondern "immer weiter verbessert" werden müsse. Firmenchefs beteuern, dass sie und ihr Konzern natürlich nichts mit dem Abbrennen von tropischen Regenwäldern zu tun hätten. Im Hintergrund tanzen balinesische Mädchen.
Lächerliche Lobbyisten
Der Aktivist aus Sumatra behauptet das Gegenteil: Die Konzerne verbrennen die Zukunft. Auf Sumatra stapft der Aktivist mit Regisseur Boote und Journalistin Hartmann über verkohlten Boden, der früher einmal Regenwald war. Die Filmemacher liefern keinen Beweis, dass der Indonesier recht hat. Aber sie lassen den Aktivisten derart überzeugend, die Manager und Lobbyisten dagegen so lächerlich aussehen, dass es wohl so sein wird: Im Pizzaburger steckt das Blut der Indonesier.
Um Evidenz geht es nicht im Film "Die grüne Lüge". Es werden keine Dokumente vorgelegt, keine Gerichtsurteile zitiert, keine Geschäftsberichte ausgewertet, wie das zum Beispiel Watchblogs wie der Klima-Lügendetektor machen. Den Filmemachern geht es vielmehr ums große Ganze: Konzerne, die mächtiger sind als viele Staaten, belügen ihre Kunden, missachten die Menschenrechte und zerstören die Umwelt – und erklären uns, dies "nachhaltig" zu tun, damit wir uns nicht wehren.
Da ist der Finanzinvestor, der auf der Nachhaltigkeitsgala in Wien in die Kamera lächelt, beteuert, nachhaltig zu leben, aber auf die Frage, warum er sich ausgerechnet Tankstellen ins Portfolio geholt habe, mit den Achseln zuckt, er sei halt ein "For Profit"-Unternehmen. Da ist der BP-Chef, der erklärt, dass die Reinigungsarbeiten nach dem Deepwater-Horizon-Unglück abgeschlossen seien – während die Shrimps-Fischer in Louisiana immer noch mit Ölklumpen fertigwerden müssen.
Da sind der Tesla-Manager, der erklärt, die Elektromobilität sei die Zukunft, und der Ikea-Manager, der Nachhaltigkeit quasi zur Firmenselbstverständlichkeit erklärt. Und ein Abfallkünstler bedauert, dass es einfach keinen vernünftigen Müll mehr gibt: Alles nur noch Kunststoff, Plastik, Wegwerfscheiß. Daraus lässt sich nichts mehr machen.
Privilegien abgeben
Die Münchnerin Kathrin Hartmann lacht viel in diesem Film, was die Bilder vom verkohlten Regenwald oder von der brennenden Bohrplattform genauso erträglicher macht wie Bootes Naivität. Man kann eben nicht einfach so weitermachen mit anderen Mitteln: Der Sportwagen wird nicht dadurch ein "guter Sportwagen", weil er mit Strom betankt wird, weshalb die Tesla-Fahrt im Film auch konsequent im RWE-Tagebau endet. Veränderungen lassen sich nicht mit den Firmen "erschmusen", weshalb Klimaaktivisten im Film auch die RWE-Hauptversammlung stürmen.
Die Welt lässt sich eben nicht dadurch verbessern, dass man im Supermarkt zu den richtigen Produkten greift: Es sind die Privilegien, die wir Bewohner im reichen Norden abgeben müssen.
Die grüne Lüge
Der Film von Werner Boote und Kathrin Hartmann feierte seine Premiere auf der diesjährigen Berlinale und läuft seither in den Kinos. (Kinoplakat: e&a film)
So klar der Film "Die grüne Lüge" in der Analyse ist, so schwach ist er bei der Suche nach Lösungen: Die werden ausgerechnet in den indigenen Gemeinschaften des Amazonasbeckens gefunden. Eine Indigenen-Vertreterin erklärt, dass die Menschen gar nicht so viel brauchen, wie sie haben, und dass man sorgsam mit der Natur umgehen müsse.
Der Autor dieser Filmkritik war vor zwölf Jahren mit dem Klima-Bündnis selbst in Amazonien, um von Vertretern des indigenen Dachverbandes Coica solche Ratschläge zu hören. Und dann festzustellen, dass die Jugendlichen aus dem Regenwald massenhaft in die nächste große Stadt strömen, weil es dort Strom, Fernsehen und Alkohol gibt.