Die Pläne des polnischen Staatskonzerns PGE für die Erweiterung des Tagebaus Turów im Drei-Länder-Eck zwischen Polen, Deutschland und Tschechien sind einen Schritt weiter. Wie die zuständige Regionale Umweltdirektion in Breslau (Wrocław) gegenüber Klimareporter° bestätigte, hat die Behörde am 21. Januar die Umweltgenehmigung für das Projekt erteilt.
Der Energiekonzern PGE will die Genehmigung, in dem grenznahen Tagebau Braunkohle zu fördern, bis zum Jahr 2044 verlängern lassen. Die aktuelle Genehmigung läuft nur noch bis Ende April dieses Jahres.
Weil der Tagebau nahe an der deutschen Grenze liegt und sich durch die Erweiterung bis knapp an die tschechische Grenze heranarbeitet, wurde eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt. Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung haben nach Angaben der Umweltorganisation Greenpeace 5.000 Bürgerinnen und Bürger aus Deutschland und Tschechien kritische Stellungnahmen eingeschickt.
Dass die Einwände aus Deutschland ausreichend berücksichtigt wurden, bezweifeln nun Umweltschützer. Denn die Frist für die Einreichung von Beschwerden endete hier am 20. Januar – nur einen Tag, bevor die Behörde die Umweltgenehmigung erteilte.
"Dieser Konsultationsprozess wurde nur zum Schein durchgeführt", kritisiert Kerstin Doerenbruch von Greenpeace Berlin. Die Behörden in Breslau hätten bereits im vergangenen Dezember erklärt, dass sie über ausreichende Unterlagen verfügten, um die Genehmigung zu erteilen. "Es ist klar, dass sie nie die Absicht hatten, die grenzüberschreitenden Auswirkungen angemessen zu berücksichtigen", meint Doerenbruch.
Jakub Gogolewski vom polnischen Bündnis "Für Entwicklung – gegen Tagebaue" kommt zu einer ähnlichen Einschätzung. "Es ist ziemlich klar, dass sie die Einwände ignoriert haben", so Gogolewski gegenüber Klimareporter°.
Auf Nachfrage von Klimareporter° weist die Breslauer Behörde die Kritik zurück. Es sei offensichtlich, dass Teile der Entscheidung bereits vor dem 21. Januar vorbereitet werden konnten. Der Regionaldirektor habe bis zum letzten Tag gewartet, um zu prüfen, ob neue relevante Informationen eingehen würden. In der letzten Phase der Konsultation auf deutscher Seite seien allerdings keine relevanten Beweise mehr eingegangen – alle Stellungnahmen aus Deutschland, Tschechien und Polen seien geprüft worden.
Tschechischer Protest und sächsische Kritik
Vor allem die tschechischen Anwohner protestieren schon lange gegen den Tagebau. Sie befürchten, dass der Tagebau den umliegenden Dörfern das Trinkwasser abgräbt, denn um die Kohle aus der Tiefe zu holen, muss das Grundwasser abgepumpt werden. 30.000 Menschen könnten ihren Trinkwasserzugang zu verlieren, sollte der Tagebau wie geplant erweitert werden.
"Es ist deutlich geworden, dass für die polnischen Behörden das Leben der im Grenzgebiet lebenden Menschen kein Gewicht hat", sagt Nikol Krejčová, Braunkohle-Expertin bei Greenpeace Tschechien. Die Organisation hat gemeinsam mit betroffenen Gemeinden und der Region Liberec eine Petition gestartet, bei der nach Angaben von Greenpeace bereits über 6.000 Menschen unterschrieben haben. Die Region Liberec hat außerdem Beschwerde bei der EU-Kommission eingelegt.
Auch für Deutschland könnte der Tagebau Folgen haben. Umweltschützer aus der Region Zittau befürchten Belastungen durch mehr Feinstaub, der über die Grenze weht, Gebäudeschäden und Probleme mit dem Grundwasser.
Kritik kommt auch von der sächsischen Landesregierung. "Natürlich hat jedes Land das Recht, seine Energiepolitik selbst zu definieren", sagte Energiestaatssekretär Gerd Lippold dem Mitteldeutschen Rundfunk. Doch der Umgang mit möglichen Schäden sei in diesem Fall zu lax. "Die Unterlagen, die uns zur Prüfung vorliegen, reichen nicht aus, um solche Auswirkungen mit ausreichender Sicherheit auszuschließen."
In der Vergangenheit habe es Gebäudeschäden durch Setzungen im benachbarten Zittau und Probleme mit Feinstaub gegeben, so Lippold. "Die Absenkung des Grundwassers macht an der Grenze keinen Halt, deshalb sind Auswirkungen zu erwarten."
Der Staatssekretär fordert die polnische Seite deshalb auf, genügend Unterlagen bereitzustellen, damit die Auswirkungen hinreichend geprüft werden können. Sachsen werde Kontakt zur tschechischen Seite aufnehmen und Möglichkeiten einer Klage auf EU-Ebene ausloten, sobald die Genehmigung vorliegt.
Auch die Kraftwerks-Genehmigung fehlt noch
Für die Lizenz ist neben der Umweltentscheidung noch die Änderung des Regionalplans nötig – auch gegen den hatte es jedoch Einwände gegeben, die Entscheidung steht noch aus.
Weil es bis Ende April knapp werden könnte mit der neuen Lizenz, hat sich PGE nach Informationen von Jakub Gogolewski schon im vergangenen Jahr um eine Ausweichlösung bemüht. Der Konzern habe eine Lücke im polnischen Energierecht ausgenutzt und eine Sondergenehmigung beantragt. Damit könnte das Unternehmen bis zu sechs Jahre lang Kohle fördern – ganz ohne die Öffentlichkeit zu beteiligen. Eine Entscheidung soll laut Gogolewski im Februar fallen.
Er glaubt allerdings nicht, dass PGE wirklich vorhat, bis 2044 in Turów Kohle zu fördern. "Sowohl PGE als auch die Regierung wissen, dass Braunkohle immer unrentabler wird", sagt Gogolewski. Jedoch wolle sich der Konzern alle Möglichkeiten offenhalten.
Im Jahr 2018 kamen knapp 30 Prozent des Stroms in Polen aus der Braunkohle. Neben der Erweiterung des Tagebaus Turów plant PGE noch einen komplett neuen Braunkohle-Tagebau in Złoczew zwischen Breslau und Łódź. Allerdings gibt es Medienberichte, nach denen dieses Projekt fallengelassen werden soll.
In Turów fehlt PGE aber nicht nur die Lizenz für den Tagebau. Der Konzern hat auch noch keine Genehmigung, den neuen Block des Kohlekraftwerkes Turów zu bauen, in dem die Braunkohle verbrannt werden soll. Hier läuft ebenfalls die Öffentlichkeitsbeteiligung für die grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Unterlagen liegen bis Ende Februar aus.