Wenn die Erhitzung des Planteten weiter fortschreitet, wird bis zum Ende des Jahrhunderts mindestens ein Drittel der Hindukusch-Himalaya-Gletscher verloren gehen, warnt das Internationale Zentrum für Integrierte Entwicklung in Bergregionen (Icimod) mit Sitz in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu in einem wegweisenden Bericht.
Abgesehen von der Antarktis und Arktis lagern im Himalaya und den umliegenden Gebirgen die drittgrößten Eisvorräte des Planeten. Die Eismassen, die häufig auch als "dritter Pol" bezeichnet werden, speisen die wichtigsten Flüsse Asiens und sichern die Wasservorsorgung von mehr als 1,9 Milliarden Menschen.
Das Abschmelzen der Gletscher würde die Frischwasserversorgung von Millionen Menschen gefährden und die Region und die Ökosysteme weitreichend verändern.
Obwohl das Gebirgssystem, dessen höchste Erhebungen auch als "Dach der Welt" bezeichnet werden, als besonders anfällig für den Klimawandel gilt, war die Forschungslage zu den Klimawandelauswirkungen noch zu dünn. Das sollte der jetzt vorgelegte Bericht ändern.
Mehr als 200 Wissenschaftler haben über fünf Jahre zu den Auswirkungen des Klimawandels in Afghanistan, Bangladesch, Bhutan, China, Indien, Myanmar, Nepal und Pakistan geforscht, weitere 140 Forscher haben die Ergebnisse überprüft.
Selbst wenn es gelingt, die Erderwärmung – wie im Pariser Klimaabkommen vorgesehen – bis zum Ende des Jahrhunderts auf 1,5 Grad zu begrenzen, werden die Temperaturen in den zentralasiatischen Gebirgen deutlich stärker ansteigen.
Während die Forscher für die Hindukusch-Himalaya-Region einen Temperaturanstieg um mindestens 1,8 Grad prognostizieren, rechnen sie für den nordwestlichen Himalaya und den Karakorum mit um mindestens 2,2 Grad höheren Temperaturen. Unter diesen Bedingungen würde ein Drittel der Gletscher abschmelzen.
Steigende Temperaturen im Himalaya
In den vergangenen 50 Jahren hat sich die Hindukusch-Himalaya-Region um 0,2 Grad pro Dekade erwärmt.
Noch die Hälfte des Himalaya-Eises würde verloren gehen, wenn es der Menschheit gelänge, die Erderwärmung bis 2100 immerhin auf auf zwei Grad im globalen Mittel zu begrenzen. Wird der weltweite Treibhausgasausstoß nicht gestoppt, könnten sogar zwei Drittel der Eismassen im Himalaya verschwinden, warnen die Wissenschaftler.
"Das ist die Klimakrise, von der Sie noch nie gehört haben", sagt Philippus Wester. Der Wasserexperte hat am Icimod die Arbeit an dem Klimabericht federführend betreut.
"Die globale Erwärmung ist dabei, die kalten, mit Gletschern bedeckten Gipfel der Hindukusch-Himalaya-Region, die sich über acht Länder erstreckt, in etwas weniger als einem Jahrhundert in nackte Felsen zu verwandeln", warnt Wester.
Als weitere Folgen des Klimawandels im Himalaya nennt der Bericht stärkere Luftverschmutzung, die Zunahme extremer Wetterereignisse und das Verschwinden von Arten in den vier der weltweit größten Biodiversitäts-Hotspots, die in der Region liegen.
Es drohen Nahrungskrisen und Konflikte
Die meisten Länder rund um das 3.500 Kilometer lange Gebirgsmassiv sind ausgesprochen trocken und auf das Wasser aus dem Himalaya, der auch als "Wasserturm Asiens" bezeichnet wird, angewiesen. Kontinuierlich fließt Schmelzwasser der Gletscher über Seen und Flüsse ab. Wenn sich aber Zeitpunkt und Größe des Gletscherabflusses verändern, können Gletscherseen über die Ufer treten und Überschwemmungen an den Flüssen nach sich ziehen.
Die Forscher rechnen mit deutlich größeren Wassermassen, die künftig durch die Flüsse strömen werden. Das wird massive Konsequenzen für die städtischen Wassersysteme haben und die Produktion von Energie und Lebensmitteln aus dem Takt bringen.
Die Änderungen werden die ärmsten Bevölkerungsschichten am stärksten treffen. Schon heute lebt etwa ein Drittel der 250 Millionen Bergbewohner von weniger als 1,90 US-Dollar am Tag. Mehr als 30 Prozent der Menschen in der Hindukusch-Himalaya-Region haben nicht genug zu essen und fast jeder Zweite ist von Unterernährung betroffen.
Der Region, warnen die Forscher, stehen harte Zeiten bevor: Bis 2080 könnten sich die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Bedingungen stark verschlechtern. Deshalb könnten Konflikte in der Region leicht entflammen – es sei denn, die Regierungen arbeiten zusammen, um die Gletscherschmelze und ihre Auswirkungen zu begrenzen.