Als die US-Forscher im Flugzeug über Alaska saßen und aus dem Fenster schauten, waren sie erstaunt. Denn die Seen in der Tundra sind normalerweise eher regelmäßig geformt. Unter dem Flugzeug sahen sie aber längliche Seen, die an solche erinnern, die Biber aufgestaut haben.
Sie beschlossen, sich die Sache genauer anzuschauen, und analysierten zusammen mit ihren Kollegen Ingmar Nitze und Guido Grosse vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) am Potsdamer Sitz des Instituts zahlreiche Satellitenbilder. "In einer automatischen Analyse von Zeitdaten haben wir herausgefunden, wo es in den letzten Jahren feuchter oder trockener geworden ist", erklärt Ingmar Nitze gegenüber Klimareporter°. "Wenn wir untypisch aussehende Seen gefunden haben, haben wir uns die auf höher auflösenden Satellitenbildern genauer angeschaut."
Ihr anfänglicher Verdacht hat sich bestätigt: In der Gegend in Alaska, die sie untersucht haben, haben die Wissenschaftler 56 neue Seen gefunden, die vor dem Jahr 1999 noch nicht da waren und die eindeutig auf den Biber zurückzuführen sind. Das sei der Beweis, dass die Biber die alaskische Tundra kolonialisieren, schreiben sie in ihrer Studie, die nun im Fachjournal Global Change Biology erschienen ist.
Die Gründe für die Ausbreitung sind noch nicht ganz klar. Einerseits wurde der Biber in früheren Jahrhunderten stark bejagt und es könnte sein, dass er sich erst jetzt davon erholt hat. "Wahrscheinlich spielt aber auch die Erderwärmung eine Rolle", sagt AWI-Forscher Nitze.
Denn die Arktis erwärmt sich im Zuge des Klimawandels doppelt so schnell wie der Rest der Welt. Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist es dort um durchschnittlich 1,8 Grad wärmer geworden. Im globalen Durchschnitt wurde es um rund ein Grad wärmer.
Als Folge der schnelleren Erwärmung ist die Arktis heute grüner und entlang der Flüsse und Seen wachsen mehr Bäume als früher. Außerdem schwimmt weniger Eis auf dem Wasser. Das ist günstig für den Biber, der Bäume und Sträucher für seine Dämme und Burgen braucht.
Biber schaffen neue Feuchtgebiete
Die Forscher haben auch untersucht, auf welchen Routen die Biber sich in der Arktis bewegen. Sie nehmen an, dass sie sich vor allem entlang der Küsten und größeren Flüsse ausbreiten und etwa acht Kilometer pro Jahr vorankommen. "In 20 bis 40 Jahren könnten die Tiere geeignete Gewässer im ganzen arktischen Alaska besiedelt haben", sagt Nitze.
Und der Biber sorgt mit seinen Seen dafür, dass auch andere Pflanzen und Tiere dort Fuß fassen können. "Dass der Biber sich ausbreitet, hat Vorteile für die Biodiversität. Die Landschaft wird vielfältiger", erklärt Nitze. Durch die Nager entstehen mehr Seen und Feuchtgebiete, von denen auch andere Tiere profitieren könnten.
Auch dass die Seen sich stärker durch die Sonne aufheizen als Flüsse, weil das Wasser in ihnen steht, könnte anderen Tieren zugute kommen. So tauchen Lachse zwar gelegentlich in den arktischen Flüssen auf, können sich aber wegen der zu niedrigen Temperaturen von Wasser und Sediment dort nicht fortpflanzen. Die Forscher halten es durchaus für möglich, dass sich das durch die Aktivitäten der Biber künftig ändern wird.
Allerdings dürften sich nicht alle Tiere über die neuen Nachbarn freuen, sagt Nitze. "Es gibt auch Konkurrenz mit Elchen, die das, was der Biber verbaut, gerne fressen würden."
Und noch einen weiteren Haken hat es, wenn sich die Biber über die Arktis ausbreiten. Denn durch das wärmere Wasser in Flüssen und Seen taut auch der Permafrostboden. "Unter und neben ihren Seen wird der Permafrost verstärkt degradiert", erklärt der Wissenschaftler vom Alfred-Wegener-Institut. Und zwar lokal, um die Seen herum, sowie auch flussabwärts.
Wenn der Boden, der sonst ganzjährig gefroren ist, auftaut, kann Methan entweichen, das als besonders starkes Treibhausgas den Klimawandel weiter anheizt.
Den Biber allerdings für den Klimawandel in der Arktis verantwortlich zu machen, ist sicher übertrieben, zumal durch ihn der Boden nur lokal erwärmt wird. "Das Hauptproblem der Arktis und ihrer Böden ist die Erderwärmung", betont Nitze. "Und nicht der Biber."