Klimastreiks, Klimakabinett, Klimagesetz – über die Klimakrise wird dieser Tage viel diskutiert. Frau Habersbrunner, belebt das auch die Debatte um die dezentrale Energiewende?
Katharina Habersbrunner: Ja, diese ganze Diskussion belebt die Energiewende. Stärker tritt zutage: Es gibt einen großen gesellschaftlichen Konsens in Sachen Klimaschutz. Diskutiert wird darüber, wie, wann und mit welcher Dringlichkeit hier gehandelt werden muss.
Die Energiewende bietet dafür wichtige Lösungsansätze. Und die Ökostromanbieter berichten, dass sie wirklich einen stärkeren Zulauf an Kunden haben, seit die Kommunen Klimaschutz-Notstände ausgerufen haben und über konkrete Konzepte der CO2-Besteuerung gesprochen wird.
Auch Bundeswirtschaftsminister Altmaier bewegt sich und lädt für den September zu einem Windgipfel ein. Darum haben die Fachverbände schon länger gebeten – die Branche leidet stark unter den gegenwärtigen Bedingungen.
Das Wirtschaftsministerium will auch das Mieterstromgesetz noch einmal prüfen. Mit dem Mieterstromkonzept ließe sich wirklich eine Vor-Ort-Versorgung für Mieter:innen und größere Wohnungsbaugenossenschaften umsetzen. Das Gesetz ist aber noch zu kompliziert und mit zu vielen Auflagen versehen.
Was mir auffällt: Die Initiativen von Fridays for Future, von Extinction Rebellion und die ausgerufenen Klimanotstände zielen stark aufs Lokale und Regionale. Es entwickelt sich so etwas wie ein lokaler Staat. Von diesem könnten Impulse zur gesellschaftlichen Transformation kommen, die derzeit aufgrund der Selbstblockade von der Bundes- und Landesebene nicht zu erwarten sind.
Das könnte auch eine Bürgerenergie-Wende befeuern und die Handlungsmöglichkeiten von Bürger:innen ins Zentrum rücken: Beteiligung an Energiegenossenschaften oder Bau von Photovoltaik-Anlagen oder Wechsel des Stromanbieters und vieles andere mehr.
Also, es besteht Grund für etwas Optimismus, aber eine Energiewendepolitik aus einem Guss gibt es noch nicht.
Politische (Fehl-)Entscheidungen haben die Energiewende in Deutschland ins Stocken geraten lassen. Das Bündnis Bürgerenergie will jetzt mit dem Slogan "Neue Kraft mit der Nachbarschaft" gegenhalten. Können die Bürger:innen das Ruder überhaupt herumreißen?
Das weiß ich – noch – nicht, es ist aber auf jeden Fall wichtig, das vorhandene Potenzial zu nutzen und konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Die EU und europäische Fachverbände haben berechnet, dass 50 Prozent unseres Strombedarfs durch Bürgerenergie bestritten werden können.
Bürgerenergie ist seit jeher vor allem regional verwurzelt. Ihre Akteure haben wesentlich zu den bisherigen Erfolgen beigetragen.
Die Kampagne "Neue Kraft mit der Nachbarschaft" soll die Vorteile und den Nutzen eines dezentralen Energiesystems kommunikativ, wissenschaftlich fundiert und politisch anwendbar veranschaulichen. Die möglichen Projekte innerhalb dieser Kampagne sind vielfältig – sie reichen vom "Tag der Solarparty" in der Nachbarschaft über kreative Kommunikationsformate in sozialen Netzwerken wie Instagram bis hin zu wissenschaftlichen Modellierungen, die sinnvolle und machbare Schritte hin zu einer rein regenerativen und dezentralen Energiewende beschreiben.
Wofür steht die Idee der "Nachbarschaft"?
Sie steht für uns für die vielen positiven Aspekte der bürgerschaftlichen Mitgestaltung: für ein lokales Energiesystem, für Gemeinschaftssinn, der Genossenschaften und Kiezinitiativen Energiegeschichte schreiben lässt, für Nähe, die entsteht, wenn Menschen gemeinsam handeln, sowie für die Überschaubarkeit, die Produkte und Prozesse mit sich bringen.
Katharina Habersbrunner
studierte Mathematik und Nachhaltigkeitsmanagement und hat langjährige Erfahrung mit dezentralen regenerativen Energiesystemen und nachhaltigen Geschäftsmodellen. Im Vorstand der Münchner Bürgerenergiegenossenschaft BENG ist sie für Erneuerbaren-Projekte in Bayern von der Planung bis zum Betrieb zuständig. Bei der internationalen Umweltorganisation WECF leitet sie die Umsetzung sozial verträglicher Klima- und Energieprojekte in Afrika, Zentralasien und Osteuropa. Ehrenamtlich ist sie Präsidentin der europäischen Genossenschaft Clean Power Europe und Vorstandsmitglied beim Bündnis Bürgerenergie.
Wichtig ist auch, das Konzept der Selbstwirksamkeit zu stärken: Was kann ich, was kann jeder Mensch zu einer deutschen oder europäischen Energiewende und insgesamt zu einer nachhaltigen Gesellschaft beitragen, wenn die saubere Energie von nebenan kommt.
Das wollen wir mit dem Slogan und den verschiedensten Aktivitäten der Kampagne verdeutlichen. Einerseits soll durch mehr Emotionalität und Nähe eine breite Bürgerschaft erreicht werden – nach dem Motto "vom Sympathisanten zum Aktivisten".
Andererseits sollen auch wissenschaftlich die Vorteile einer verbrauchsnäheren Stromerzeugung und die damit verbundene Flexibilität aufgezeigt werden, die systemischen und wirtschaftlichen Vorteile, die sich damit verbinden, wie regionale Wertschöpfung, Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen, Resilienz und anderes.
Das sind wichtige Argumente für politische Akteure, sich ernsthaft für eine echte dezentrale Energiewende einzusetzen und entsprechend einen geringeren Netzausbau zu planen.
Die Vorteile einer dezentralen Energieversorgung wollen wir klar herausstellen. Ob im Allgäu oder in Mainz oder anderswo – überall gibt es gute Konzepte. Wie lassen sich mehr Menschen erreichen und begeistern und Politiker:innen überzeugen? Oft wird die Energiewende, ich will nicht sagen, als ein elitäres, aber doch als ein Thema einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe angesehen.
Teil der neuen Kraft aus Nachbarschaft ist der "Tag der Solarparty". Was steckt dahinter?
Bei der Kampagne fokussieren wir uns, auch wenn das Bündnis Bürgerenergie genauso bei der Windkraft aktiv ist, auf die Solarenergie. Wir wollen, dass sich die Bürger:innen – ob als Mieter:innen in einer Wohnungsgenossenschaft oder als Hauseigentümer:innen – direkt fragen, wie sie zur Energiewende in Deutschland und Europa beitragen können.
Das Konzept des "Tages der Solarparty" zielt darauf ab, sich mit dem Themenkreis Photovoltaik, Balkonkraftwerk und Speicherung zu beschäftigen und Hemmnisse abzubauen durch Informationen, Wecken von Begeisterung, Erzählungen von Betreibern und Kontakten zu Solarfirmen, Energiegenossenschaften oder Energieagenturen.
Nutzen wir in Deutschland das Potenzial für Solarstrom von Dachanlagen nur zu 50 Prozent, hätte das enorme Auswirkungen auf die Energieversorgung. Hunderttausende von Speichern könnten bundesweit echte Kapazitätsreserven ergeben.
Wir wollen auch aufzeigen, welch innovative und doch einfach zu installierende Technologie Photovoltaik mittlerweile ist. Natürlich benötigt auch sie Ressourcen, aber sie eignet sich hervorragend für eine dezentrale Energieversorgung und ist wirtschaftlich höchst interessant.
Hier die Menschen in der Nachbarschaft und im Freundeskreis zu motivieren, sich mit dem Thema zu beschäftigen, eine eigene Photovoltaik-Anlage zu planen, den Vermieter anzusprechen, dafür bietet der "Tag der Solarparty" ein informatives und gleichzeitig soziales und sicher auch unterhaltsames Format.
Für den 28. September 2019 plant das Bündnis Bürgerenergie einen bundesweiten "Tag der Solarparty", der an vielen Orten Deutschlands gleichzeitig gefeiert wird. Im Anschluss kürt Ihr Bündnis die drei besten und wirkungsvollsten "Tage der Solarparty" – mithilfe eines Online-Votings. Als Preis ist die Anfertigung eines Imagevideos ausgelobt. Wer darf an dem Wettbewerb teilnehmen?
Gern wollen wir mit dem Wettbewerb und dem "Tag der Solarparty" besonders "Bürgerenergieteams" motivieren, teilzunehmen. Alle sind jedoch eingeladen, eine Party zu organisieren und zu feiern und sich mit eigenen Vorstellungen am Wettbewerb zu beteiligen.
Als Gemeinschaft den "Tag der Solarparty" feiern
Machen Sie mit und feiern Sie bei sich die Sonne! Laden Sie als Bürgerenergie-Gemeinschaft die Nachbarschaft, Freund:innen, Mitglieder und Bekannte zur installierten Photovoltaik-Anlage ein und schmeißen Sie eine Solarparty. Ob mit oder ohne Getränke, ob als Fragerunde an der Anlage oder draußen im Garten, in etwa zwei Stunden können aus Interessierten neue Energiebürgerinnen und -bürger werden.
Der BBEn-Party-Leitfaden
Schritt 1: Photovoltaik-Anlage vorhanden? Interessierte im Umfeld? Gut!
Schritt 2: Solarparty für den 28. September 2019 planen. Ob tagsüber oder abends – zwei Stunden genügen. Wichtig: Seien Sie in der Zeit ansprechbar für fachliche Fragen der Gäste. Berichten Sie von der Installation Ihrer Anlage, von Ihrer Motivation und von rechtlichen und finanziellen Fragen. Brauchen Sie dabei Unterstützung? Wenden Sie sich ans Bündnis Bürgerenergie (BBEn). Es vermittelt Bürgerenergie-Profis aus der Region.
Schritt 3: Einladung verteilen. Jede gute Party steht und fällt mit den Gästen. Einladen am besten über Nachbarschaftsverteiler, Mitgliedermailing, per direkter Ansprache oder von Tür zu Tür.
Schritt 4: Beim BBEn melden – der Verein schickt Fotomaterial zur Bewerbung des diesjährigen Wettbewerbs.
Schritt 5: Los gehts! Nun kann die Party steigen.
Schritt 6: Bewerbung mit Partyfoto ans Bündnis Bürgerenergie schicken.
Kontakt: Bündnis Bürgerenergie, Dominique Saad,
Tel. 030 / 30875400
Ich kann mich also am "Tag der Solarparty" und am Wettbewerb beteiligen, auch wenn ich keine eigene Solaranlage habe?
Genau! Natürlich ist es toll, wenn konkret Photovoltaik-Anlagen installiert werden und diese mit all ihren Komponenten – Module, Wechselrichter, Controller und so weiter – besichtigt werden können. Das muss aber nicht das Ziel jedes "Tages der Solarparty" sein. Es geht um Informationsaustausch, es können Balkonmodule vorgestellt werden, Module für Fassaden oder Terrassenüberdachung. Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.
Wir wollen zeigen, was alles geht, ob nun eine oder mehrere Familien im Haus wohnen, ob es im Norden, Süden, Westen oder Osten steht. Jeder und jede sind eingeladen, sich zu beteiligen.
Kürzlich wurden Sie beim Bündnis Bürgerenergie in den Vorstand gewählt. Sie sind im Vorstand der Münchner Bürgerenergiegenossenschaft BENG. Was motiviert Sie, sich immer für die Energiewende in Bürgerhand einzusetzen?
Das Thema Energie hat mich schon immer interessiert. Ich habe Mathematik und Nachhaltigkeitsmanagement studiert und war lange bei Rückversicherern wie Swiss Re und Munich RE tätig. Auch ehrenamtlich habe ich mich bei Naturschutzorganisationen mit dem Thema Energie beschäftigt.
Der Übergang zu einer dezentralen Energiewende und -versorgung entscheidet auch darüber, ob und wie wir insgesamt zu nachhaltigeren Gesellschaftsformen kommen. Natürlich stehen hinter dezentralen Energiekonzepten auch Geschäftsmodelle, Produktionsprozesse und Arbeitsplätze, aber diese können nachhaltig und regional organisiert werden – und weniger durch große Konzerne gesteuert werden.
Wir haben viele Handlungsmöglichkeiten – das ist oft nur eine Frage der Kommunikation. Auch in den Köpfen der Entscheider:innen der ökologischen Parteien ist die Bürgerenergie nicht so präsent, wie sie es sein müsste.
Das finde ich schade. Bei den günstigen Preisen müssten wir eigentlich eine solare Revolution erleben – aber sie kommt nicht. Darauf hinzuarbeiten – das ist ein wichtiges Ziel, auch unserer Kampagne.
In Deutschland steht dabei der Klimaschutz im Vordergrund. Mit dem Mieterstromkonzept beispielsweise ist aber auch zum ersten Mal möglich, dass Mieter:innen von den günstigen Strompreisen profitieren.
Auch bei den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals oder SDGs, können dezentrale Energiekonzepte einfach viel zum Abbau von Armut, auch von Energiearmut, und Ungerechtigkeit beitragen und nachhaltigen Konsum ermöglichen.
Alle können von der Sonnenenergie profitieren und sollten ein Anrecht darauf haben. Das ist so ein großes und wichtiges Projekt. Dafür zu kämpfen, das treibt mich an.
Dieser Beitrag wurde nicht von der Redaktion erstellt. Er ist in Kooperation mit dem Bündnis Bürgerenergie e.V. in der Rubrik Advertorials erschienen.