Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund. (Foto: Tino Sieland/​TMUEN)

Frau Siegesmund, Ende Februar hat Ihre Landesregierung das Thüringer Klimagesetz in den Landtag eingebracht. Wann rechnen Sie mit dem Inkrafttreten?

Anja Siegesmund: Das Verfahren liegt jetzt vollständig beim Landtag. Es ist davon auszugehen, dass das Thüringer Klimagesetz in der zweiten Hälfte des Jahres beschlossen wird. Gerade weil der Bund sich von ambitionierten Klimaschutzzielen verabschiedet hat, kommt es jetzt umso mehr auf die Länder an.

Schon jetzt wirkt unsere Klimastrategie mit konkreten Angeboten. Wir unterstützen beispielsweise die Kommunen beim Erstellen von Klimaschutzplänen, möglichst bis zum Jahr 2025.

In dieser Legislatur gibt die Landesregierung – alles in allem – über 100 Millionen Euro für Klimaschutz aus. Das ist mehr als je zuvor. Wir legen also nicht nur einen Rahmen fest, sondern handeln und unterstützen, beraten und investieren.

Die Klimaziele des Gesetzes – eine Senkung der Treibhausgasemissionen in Thüringen im Vergleich von 1990 bis 2030 um 60 bis 70, bis 2040 um 70 bis 80 und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent – sind nicht zu verwirklichen, ohne dass deutlich mehr Ökostrom im Land selbst erzeugt wird?

So ist es. Bei Windkraft und vor allem Sonnenenergie hat Thüringen große Potenziale. Außerdem gibt es im Gesetz die Schwerpunkte Wärme und Verkehr.

Doch es geht um mehr im Klimagesetz: Klimaschutz, aber auch Klimaanpassung. Denn schon jetzt können wir die Folgen des Klimawandels spüren. Mehr Starkregen, mehr Hitzetage und mehr Hochwasser sind die Folgen. Hier unterstützen wir mit "Impakt", einem Dauermonitoring, und mit Investitionen für die Kommunen.

Die Botschaft lautet: Wir müssen vorsorgen und das Land unterstützt euch. Damit Klimaschutz vor Ort gelebt wird, ist eine Klimastrategie das Herzstück des Gesetzes. Dazu hat im vergangenen Jahr ein breiter Beteiligungsprozess stattgefunden.

Kurz: Klimaanpassung plus Klimaschutz ergibt ein Klimagesetz. Wenn man so will, ist das Gesetz das Inhaltsverzeichnis des Buches und die Kapitel füllen wir mit der Klimastrategie.

Bei Windkraft an Land schlägt das Klimagesetz vor, ein Prozent der Landesfläche als Eignungsgebiete für Windkraft auszuweisen. Ist das realistisch?

Wir brauchen diesen Anteil, der im Vergleich zu Bayern oder Hessen gering ist. Klar ist aber auch: Die nutzbare Landesfläche ist nicht das Entscheidende. Windkraftanlagen werden schließlich immer leistungsstärker, Stichwort Repowering. Wir sollten also mehr über den nötigen Anteil der Windkraft an der Stromerzeugung reden als nur über Fläche.

Zudem ist mehr Akzeptanz bei den Menschen der entscheidende Schlüssel für den Windausbau im Land. Unser Siegel "Faire Windenergie" bietet dieses Mehr an Akzeptanz.

Unsere Landesenergieagentur Thega hat da ein kluges Label geschaffen, mit dem wir alle Interessengruppen im Umfeld eines Windparks während der gesamten Projektierungsphase beteiligen, einen transparenten Umgang mit projektrelevanten Informationen vor Ort sicherstellen und alle Anwohner, auch die nicht unmittelbar profitierenden Flächeneigentümer, einen Nutzen haben lassen.

Das Thüringer Siegel "Faire Windenergie" erfährt viel Lob, nur finden sich bundesweit wenig Nachahmer. Mecklenburg-Vorpommern beschloss ein Bürgerbeteiligungsgesetz, das hat auch Niedersachsen vor. Warum haben derartige Initiativen so wenig Rückenwind?

Nochmal zur Erinnerung: Das EEG 2017 hat die wettbewerbliche Ermittlung der Vergütungshöhe für Erneuerbare eingeführt; für Wind an Land mit einer Leistung von mehr als 750 Kilowatt ist die Teilnahme an Ausschreibungen verpflichtend.

Mit diesem Ausschreibungsdesign hat der Gesetzgeber lokalen "Bürgerenergiegesellschaften" erleichterte Bedingungen für die Teilnahme am Ausschreibungssystem zugestanden. Allerdings hat die Definition der Bürgerenergien dazu geführt, dass Unternehmen diese Privilegierung gezielt ausgenutzt haben, um Zuschläge zu erhalten.

Fraglich ist hierbei, ob die bezuschlagten Anlagen überhaupt gebaut werden, und wenn, dann sind erhebliche Verzögerungen zu befürchten. Ohne eine Änderung kann es zu Verwerfungen beim Ausbau der Erneuerbaren kommen. Das wurde durch die Bundesregierung geprüft und im Ergebnis wurden diese Privilegien für die ersten zwei Ausschreibungsrunden 2018 ausgesetzt.

Die Länder haben sich Anfang 2018 mit einer Bundesratsentschließung für die Änderung des EEG im Punkt "Ausschreibung von Windenergieanlagen an Land" und die zwingende Vorlage einer Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz ausgesprochen.

Wie fällt denn nun Ihre Bilanz für Ihr Siegel "Faire Windenergie" aus?

Das Lob für das Siegel, das von vielen Seiten kam, habe ich auch wahrgenommen. Die Zahl unserer Siegelpartner steigt. Wir wollen mehr Akzeptanz für die Windkraft und die Energiewende. Die Kommunen sollen und müssen etwas von der Windkraft haben. Es macht etwas mit einem Ort, wenn die Leute wissen, ein Viertel des Ertrages fließt in die Gemeindekasse.

Ich halte an der Idee des Siegels "Faire Windenergie" fest. Es geht um den Ausbau der Windkraft im ländlichen Raum und der ist ohne die Beteiligung der Bürger nicht möglich. Das funktioniert nur mit den Leuten.

Im Klimagesetz steht für 2030 auch das Ziel, im Gebäudebereich auf einen Anteil von 25 Prozent erneuerbarer Wärme zu kommen. Wie soll das erreicht werden?

In Thüringen verfügen wir – im Vergleich zu anderen Bundesländern – über überdurchschnittlich viel Biomasse und Bioenergie sowie über einen hohen Anteil von Kraft-Wärme-Kopplung und Fernwärme. Der Ausbau der Bioenergie muss allerdings auch effizienter werden. Da geht mir noch zu viel Energie verloren.

In Königsee versorgt zum Beispiel die dortige Agrargenossenschaft mit Bioenergie ein kleines Nahwärmenetz, darunter die naheliegende Schule. Solche Lösungen wären deutlich häufiger möglich. Es gibt eine Vielzahl von Biogasanlagen, die ortsnah gebaut wurden und wo man prüfen sollte, ob ein Nahwärmenetz möglich ist. Dafür stellen wir mit dem Klimagesetz auch Mittel bereit.

Im September 2017 ging die Thüringer Strombrücke voll in Betrieb. Stehen noch weitere Ausbauvorhaben dieser Art an, die Thüringen durchqueren müssen?

Auch in Thüringen machen sich die eingesparten Kosten beim Netzbetrieb der Strombrücke bemerkbar. Dennoch sehen wir als zentrales Bundesland einige der im Bundesbedarfsplangesetz vorgesehenen sieben Vorhaben mit Bezug zu Thüringen durchaus kritisch.

Gerade als Befürworterin der Energiewende setzt sich die Thüringer Landesregierung für einen fairen Lastenausgleich ein. Insbesondere beim Projekt Suedlink fehlt es an Transparenz und nachvollziehbarem Planungs- und Rechtsrahmen beim Leitungsbau. Dieser muss für alle gleichermaßen gelten und vor allem die Prinzipien der Bündelung und Geradlinigkeit ausreichend berücksichtigen, sonst wird es unnötig teuer. Wir wollen die Akzeptanz für die Energiewende stärken.

Redaktioneller Hinweis: Das Interview wurde zuerst auf dem von der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) betreuten Portal "Föderal Erneuerbar" veröffentlicht.

Dieser Beitrag wurde nicht von der Redaktion erstellt. Er ist in Kooperation mit der Agentur für Erneuerbare Energien in einer Reihe mit 16 Länder-Interviews zur Energiewende in der Rubrik Advertorials erschienen.

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