Der Klimaschutz in den USA erlebt den nächsten großen Rückschlag. Grund ist Anthony Kennedy, ein 81-jähriger Jurist aus Kalifornien, der nun in Ruhestand geht. Kennedy war noch von US-Präsident Ronald Reagan zum Richter am Obersten Gerichtshof ernannt worden und hatte über die vergangenen drei Jahrzehnte viele Male für progressive Entscheidungen in Umweltfragen gesorgt.
Sein Ausscheiden aus dem Gerichtshof dürfte die dortigen Kräfteverhältnisse nun entscheidend verschieben. Schließlich ist damit zu rechnen, dass US-Präsident Donald Trump einen Nachfolger bestimmt, der sich konsequent gegen Umweltregulierung stellt. Das lässt jedenfalls eine Liste von potenziellen Nachfolgern erwarten, die Trump vorgelegt hat.
Anthony Kennedy galt als moderater Vermittler zwischen beiden politischen Lagern und fungierte oft als Zünglein an der Waage. So war seine Stimme vor zwei Jahrzehnten ausschlaggebend, als der Bundesstaat Massachusetts gegen die nationale Umweltbehörde EPA klagte, die sich weigerte, den Ausstoß von Treibhausgasen zu regulieren. Kennedy schloss sich dem Votum der liberalen Richter an, die der US-Umweltbehörde vorschreiben wollten, CO2 wie jeden anderen Luftschadstoff zu behandeln.
Allerdings votierte Kennedy auch einige Male zusammen mit den konservativen Richtern, etwa als 2014 entschieden wurde, dass die US-Umweltbehörde zwar weiterhin größere Verursacher von Luftverschmutzung wie Kraftwerke verpflichten dürfe, ihre CO2-Emissionen zu senken, nicht aber kleinere Quellen wie Schulen oder Geschäfte.
"Fürsprecher der Umwelt werden für die absehbare Zukunft vor eine große Herausforderung im Obersten Gerichtshof gestellt", schreibt der bekannte US-Meteorologe Eric Holthaus auf Twitter. Das sei eine beängstigende Aussicht angesichts dessen, dass der Welt die Zeit davonlaufe und sie kurz vor der Schwelle stehe, den Klimawandel nicht mehr unter Kontrolle bringen zu können. "Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass die Entscheidungen des nächsten Obersten Gerichtshofs zu Klimawandel und Umweltschutz Auswirkungen auf den gesamten Planeten haben werden."
Klimaschützer in den USA hatten nach dem Wahlsieg Trumps mehr denn je auf die juristische Karte gesetzt. Allerdings zeigt sich jetzt, dass diese Hoffnung womöglich eine trügerische war.
Klimaklage in Kalifornien abgewiesen
Das gilt selbst in dem in Klimafragen progressiven Bundesstaat Kalifornien. Dort hat diese Woche ein Bundesrichter zwei Klagen der Städte San Francisco und Oakland abgewiesen, die sich gegen fünf Ölkonzerne richteten. Die Städte wollten die Unternehmen verpflichten, für Deiche und andere Maßnahmen aufzukommen, mit denen sich die Städte auf den Meeresspiegelanstieg und andere Folgen des Klimawandels vorbereiten können. Schließlich seien Ölkonzerne wie Chevron, Exxon Mobil und BP durch ihre Produktion von großen Treibhausgas-Mengen am Ende die Verantwortlichen für steigende Meere oder zunehmende Waldbrandgefahr.
Der zuständige Richter William Alsup hielt dagegen, dass die Welt auch stark von Öl und anderen fossilen Energieträgern profitiert habe. Wie eine gute Balance zwischen den positiven Faktoren und den Schattenseiten herzustellen sei, müssten die Gesetzgeber entscheiden. "Das Problem sollte in einem viel größeren Rahmen gelöst werden, als dies ein Bezirksrichter oder eine Jury im Fall einer Störung der öffentlichen Ordnung tun können", sagte Asup der Nachrichtenagentur AP zufolge.
Nun dürften San Francisco und Oakland mit ihrer Klage in die nächsthöhere Instanz gehen – das Neunte Berufungsgericht. Neben den beiden kalifornischen Städten haben neun Küsten-Bundesstaaten Ölkonzerne verklagt und fordern von ihnen Milliardenentschädigungen, um sich gegen die Folgen des Klimawandels zu wappnen.
Neue Hoffnungsträgerin aus New York
Umweltschützer fiebern nun den Kongresswahlen im Herbst entgegen und hoffen, dass den Republikanern dann die Mehrheit verloren geht. Vor allem eine Kandidatin der Demokraten sticht dabei hervor: Alexandria Ocasio-Cortez. Die 28-Jährige besiegte völlig überraschend in einer Vorwahl ihren Kontrahenten Joe Crowley aus New York, der seit zwei Jahrzehnten von seinem Distrikt für den Kongress gewählt und als nächster Sprecher des Repräsentantenhauses gehandelt worden war.
Ocasio-Cortez, die einen Uni-Abschluss in Wirtschafts- und Politikwissenschaften hat, wäre damit nicht nur die jüngste Frau, die jemals in den Kongress einziehen würde. Sie verfolgt auch eine ambitionierte klimapolitische Agenda, die einzigartig ist: Auf ihrer Homepage wirbt sie dafür, dass die USA spätestens im Jahr 2035 ohne fossile Energien im Stromsystem auskommen. Das übertrifft nicht nur den Klimaplan von Ex-Präsident Barack Obama, sondern befindet sich ausnahmsweise sogar im Einklang mit den Erfordernissen zur CO2-Einsparung, wie sie Klimaforscher errechnet haben.
"Es ist Zeit für einen Kurswechsel und einen neuen Green New Deal", heißt es weiter. Die Folgen des Klimawandels seien lebensbedrohlich und würden vor allem die ärmeren Gemeinden treffen – in den USA, aber auch weltweit. "Statt weiter von diesem System abhängig zu sein, das den Klimawandel als dem Wirtschaftsleben angeboren betrachtet, ist der Green New Deal der Ansicht, dass eine radikale Antwort auf den Klimawandel ein möglicher Weg zu einer gerechteren Wirtschaft mit mehr Jobs und breiter finanzieller Sicherheit für alle ist."
Von einer solchen Sicht ist die US-Regierung derzeit meilenweit entfernt.