Grafik zu Klimafolgen des Lebensstils
Was bringt wie viel für den CO2-Fußabdruck? Die Grafik der Forscher (vergrößern) zeigt es. (Foto: Seth Wynes und Kimberly Nicholas/​Environmental Research Letters)

Welche Veränderungen im täglichen Leben helfen dem Klima wirklich? Das haben sich wohl die meisten schon mal gefragt. Das Problem: Die Antworten darauf führen einen häufig in die Irre. Zu dem Schluss ist Kimberly Nicholas gekommen.

Die Professorin vom Zentrum für Nachhaltigkeitsstudien an der Universität Lund in Schweden hat Dutzende Schulbücher in Europa, Nordamerika und Australien untersucht und festgestellt, dass die meisten Empfehlungen für ein klimafreundliches Leben nur kleine Verbesserungen für die individuellen CO2-Bilanz bringen. Am häufigsten enthalten die Schulbücher den Ratschlag, den eigenen Müll zu recyceln, auf Plastiktüten zu verzichten und Energie zu sparen – etwa durch Energiesparlampen.

"Während sich die Forschung früher auf schrittweise Verhaltensänderungen konzentriert hat, die nur minimale Anstrengungen erfordern, schlagen wir vor, jeden Einzelnen in die Lage zu versetzen, sein Verhalten dort zu ändern, wo es am meisten bringt", schreibt Nicholas zusammen mit ihrem Kollegen Seth Wynes in einer aktuellen Studie im Fachblatt Environmental Research Letters.

Schulbücher wichtig für Weichenstellungen im Leben

Am effektivsten ist es laut den Forschern, ein Kind weniger zu bekommen. Es folgen mit großem Abstand: auf ein Auto verzichten, nicht mit dem Flugzeug fliegen, Ökostrom beziehen, von einem Elektroauto umsteigen auf gar kein Auto sowie Vegetarier oder Veganer werden. Die Wissenschaftler werteten 148 Szenarien aus 39 Quellen aus und stellten Empfehlungen für Menschen in Industrieländern auf. Denn dort stößt jemand schon allein dadurch, dass er Fleisch isst und einen Transatlantikflug pro Jahr unternimmt, 2,4 Tonnen CO2 aus. Das sind bereits 0,3 Tonnen mehr, als jährlich erlaubt wären, um das Ziel einzuhalten, die globale Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. In Entwicklungsländern ist der Pro-Kopf-Ausstoß viel geringer.

Gerade die Punkte, die den CO2-Fußabdruck wirklich verringern, tauchen aber nur selten oder gar nicht in Schulbüchern oder Regierungspapieren auf. Nur zwei von zehn Schulbüchern raten, weniger zu fliegen. Selten erwähnt wird auch die Möglichkeit, sich vegetarisch oder vegan zu ernähren. Dabei würde das viermal so viel CO2-Emissionen einsparen wie Recycling. (Der Verzicht auf einen Flug über den Atlantik würde sogar achtmal und der Verzicht auf ein Auto elfmal so viel CO2 verhindern.) Und ein Jahr lang auf Fleisch zu verzichten wäre hundertmal so effektiv wie der Umstieg von Plastiktüten auf Stoffbeutel.

Die Autoren der Studie betonen, dass die Fehlinformationen in den Schulbüchern besonders fatal seien, denn die Teenager sind erst dabei, ihren Lebensstil zu definieren und deshalb eher bereit, eingefahrene Wege zu verlassen und etwa aufs Auto oder auf Fleisch zu verzichten. "Gerade für junge Leute, die lebenslange Muster entwickeln, kommt es darauf an sich bewusst zu machen, welche Entscheidungen die größte Auswirkung haben", sagt Nicholas.

Kulturelle Normen für Wohlstand und Status

Die Forscherin gibt zu, dass das jeweils sehr persönliche Entscheidungen sind. "Aber wir können auch nicht ignorieren, welchen Klimaeffekt unser Lebensstil tatsächlich hat." Nicholas selbst fände es durchaus positiv, viele der Änderungen in die Tat umzusetzen. Die meisten seien durchaus wünschenswerte Weichenstellungen, die den Lebensstil verlangsamen und gesünder machen würden.

Bemängelt wird an der Studie vor allem die Empfehlung, weniger Kinder zu bekommen. Die Verantwortung für den CO2-Fußabdruck lasse sich kaum von Eltern auf Kinder und Enkel übertragen, argumentieren Kritiker. Ohnehin würden in den reichen Ländern immer weniger Kinder geboren. Vor allem jedoch komme es darauf an, wie wohlhabend jemand ist, schließlich sei das reichste Zehntel der Menschen für 50 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Dahinter sieht die Studie vor allem das Problem der kulturellen Barrieren. "Westliche kulturelle Normen assoziieren zum Beispiel Fleisch mit Wohlstand, Status und Luxus." Der Fleischkonsum in den reichsten 15 Nationen liege um 750 Prozent höher als in den 24 ärmsten Ländern.

Anzeige