Post für Rumänien. Es ist ein Aufforderungsschreiben der EU, das das südosteuropäische Land dazu bringen soll, die illegalen Rodungen zu stoppen. Einen Monat hat Rumänien nun Zeit, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen.
Das von der Europäischen Kommission ausgestellte Mahnschreiben ist der Beginn eines Vertragsverletzungsverfahrens, das die EU gegen einen Mitgliedsstaat einleiten kann, falls dieser gegen seine gesetzlichen Verpflichtungen verstößt.
Im vorliegenden Fall wirft die EU den rumänischen Behörden vor, die Abholzung in ihrem Land nicht kontrollieren zu können.
"Mit der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Rumänien setzt die Kommission ein klares Signal, dass sie dieses Problem sehr ernst nimmt", sagt die Anwältin Ewelina Tylec-Bakalarz von der Umweltrechtsorganisation Client Earth. "Dies ist eine wichtige Warnung, dass Rumänien aufhören muss, seine gesetzliche Verpflichtung zum Schutz dieser einzigartigen Wälder eklatant zu missachten."
Durch den illegalen Einschlag sind sogar einige Natura-2000-Schutzgebiete verloren gegangen, schreibt die EU-Kommission. Diese Schutzgebiete sind von der EU ausgewiesene Regionen, die gefährdete wildlebende Pflanzen- und Tierarten schützen sollen. Rumäniens Wälder sind noch immer das Zuhause von Bär, Wolf und Luchs. Kahlschläge sind in solchen Gebieten verboten.
Mehr illegales als legales Holz
Gegen die unrechtmäßige Abholzung kämpft seit Jahren auch der rumänische Naturschützer Gabriel Păun von der Umweltorganisation Agent Green. Zusammen mit Client Earth und der Stiftung Euronatur hat seine Organisation im vergangenen Jahr die Beschwerde gegen die rumänischen Behörden bei der EU eingereicht.
"Nehmen Sie als Beispiel einen einzigen Kahlschlag im Ausmaß von 3.700 Hektar im Natura-2000-Gebiet Maramureș, in Nordrumänien. Das Gebiet ist größer als die Altstadt von Brüssel und sieht aus wie ein Schlachtfeld", sagt Păun. Er habe in dem Gebiet Zehntausende kahlgeschlagene Hektar dokumentiert.
Der illegale Holzeinschlag ist in Rumänien an der Tagesordnung. Erst im vergangenen Jahr wurde das gesamte Ausmaß bekannt: 18 Millionen Kubikmeter Holz dürfen den rumänischen Wäldern jährlich entnommen werden. Im Jahr 2018 hat das Forstinventar jedoch weitere 20,6 Millionen Kubikmeter festgestellt – dass es sich dabei um illegales Holz handelt, hat selbst die derzeitige rumänische Regierung anerkannt.
Die Holzräuber beeindruckt das wenig. Im vergangenen Jahr wurden zwei rumänische Förster auf brutalste Weise ermordet. Allein im vergangenen Jahr meldete die staatliche Behörde Romsilva 16 Angriffe auf Forstmitarbeiter. Auch Umweltaktivist Păun wurde schon mehrfach im Wald angegriffen.
"Das sind extremste Zustände innerhalb Europas, wo ich sagen muss: Ja, da kann ich verstehen, dass die Kontrollen in Rumänien nicht richtig funktionieren", äußert sich Johannes Zahnen, Waldexperte der Naturschutzstiftung WWF, zu den Gewalttaten in den Karpaten.
Korruption bis in höchste politische Kreise?
In Rumänien ist der Handel mit Holz ein Milliardengeschäft. Allein in der nördlichen Region Maramureș seien "mindestens fünf Millionen Festmeter Holz im Wert von mehr als 250 Millionen Euro einfach verschwunden", so Păun.
Viele Experten meinen, dass die Korruption bis in höchste politische Kreise Ursache für die illegalen Abholzungen ist. Unternehmen wie der Holzriese HS Timber Group – besser bekannt unter dem früheren Namen Schweighofer – oder auch Ikea hätten lange Zeit vom illegalen Einschlag profitiert.
Mittlerweile haben zwar die Holzunternehmen ihre Sicherheitsmaßnahmen stark verschärft, die HS Timber Group hat sogar ein eigenes Holz-Trackingsystem eingeführt, doch Umweltorganisationen sind sich trotzdem sicher, dass es weiterhin Schlupflöcher für Holzdiebe gibt.
Rumänien exportierte im Jahr 2018 Holz im Wert von 1,63 Milliarden Euro. Die wichtigsten Abnehmer sind Italien, China, Japan und auf Platz vier Deutschland. Bisher kann auch Deutschland nicht garantieren, dass ausschließlich legal geschlagenes Holz Importiert wird.
Rumänien beherbergt das größte Urwaldgebiet Europas. Nach dem Mahnschreiben aus Brüssel hat die Regierung nun einen Monat Zeit für eine Stellungnahme. Falls die Europäische Kommission danach weiterhin der Ansicht ist, dass Rumänien gegen geltendes Recht verstößt, kann der Fall vor dem Europäischen Gerichtshof landen.
Am Ende könnten drakonische Strafzahlungen für Rumänien stehen. Doch bis dahin werden noch einige Jahre ins Land gehen.