An einem bunten Stand unterhält sich eine Besucherin, die das Greenpeace Magazin unterm Arm hat, mit einer Redakteurin von Atmo.
Vor einigen Monaten stellte sich Atmo beim Berliner Umweltfestival am Brandenburger Tor vor – noch etwas improvisiert und ohne Logo, dafür mit vielen Ideen und guten Gesprächen. (Bild: Atmo)

Frau Morgenthaler, 141.728 Menschen insgesamt hatten das Greenpeace Magazin jemals im Abo. Das Heft war also sehr erfolgreich. Wieso wird es nun trotzdem eingestellt?

Katja Morgenthaler: Ja, vor allem hatte das Greenpeace Magazin sogar am Schluss noch 50.000 Abonnentinnen und Abonnenten. Was im Branchenvergleich sehr viel ist. Zu den Gründen der Einstellung kann ich nichts sagen.

In der letzten Ausgabe sagt die Redaktionsmanagerin Andrea Wohlers, dass die Leser "irritiert waren, vor vollendete Tatsachen gestellt worden zu sein" und gerne geholfen hätten, das Magazin zu retten, wenn es wenigstens eine Vorwarnung gegeben hätte. Kam das Ende des Magazins auch für die Redaktion überraschend?

Ja, das war für uns alle ein Schock.

Das Greenpeace Magazin war offiziell unabhängig von der Organisation Greenpeace. Galt das auch bei der Entscheidung, das Magazin einzustellen? Wer hat darüber entschieden, wenn es nicht die Redaktion selbst war? 

Das Greenpeace Magazin hatte thematisch große Freiheiten. Alle Freiheiten, die es brauchte, um hochwertigen Journalismus zu machen. Unabhängig war das Magazin von Anzeigenkunden. Es war ja komplett werbefrei. Auch Geld von Greenpeace hat es nicht bekommen. Finanziert haben unsere Arbeit ausschließlich unsere 50.000 Leserinnen und Leser.

Ein Traum, eigentlich. Aber unabhängig von Greenpeace war das Magazin nie. Es erschien in der Greenpeace Media GmbH, die Greenpeace gehörte. Im vergangenen Jahr haben die Verantwortlichen von Greenpeace entschieden, diese Tochterfirma zu liquidieren und das Magazin einzustellen.

Wie kam es zu der Entscheidung, Atmo zu gründen?

Entschieden haben wir das schon an dem Tag, als wir vom Ende des Greenpeace Magazins erfahren haben. Wir dachten: Das kann es doch nicht gewesen sein, nicht so, nicht jetzt, wo die Klimakrise und das Artensterben eskalieren, während progressive Politik unter Druck gerät und Desinformation die Demokratie gefährdet.

Greenpeace kündigte 50.000 Menschen das Abonnement. Und viele davon schrieben der Redaktion und hatten einen großen Wunsch: Bitte macht weiter! Und das machen wir jetzt. 

"Neuer Name, gleiches Team, gleicher hochwertiger Journalismus" – inwiefern wird sich Atmo trotzdem vom Greenpeace Magazin unterscheiden?

Schon der neue Name macht einen Unterschied. Wir mussten früher oft erklären, dass wir journalistisch arbeiten, und nicht die mit den Schlauchbooten sind. Manche Türen blieben uns verschlossen – etwa bei Atom- oder Kohlekonzernen –, weil wir als "Greenpeace" ein rotes Tuch waren. Solche Recherchen werden jetzt hoffentlich einfacher.

Auch das Magazin werden wir überarbeiten: In jeder Atmo-Ausgabe wird es ein kompaktes Dossier geben, in dem wir komplexe Sachverhalte wie das Naturschutzziel der EU anhand von Zahlen, Grafiken und prägnanten Texten so erklären, dass man nach dem Lesen mitreden kann.

Katja Morgenthaler

Katja Morgenthaler hat in Leipzig und Brüssel Journalistik und Geschichte studiert, bevor sie nach Stationen beim Radio und Fernsehen 2009 als Redakteurin beim Greenpeace Magazin in Hamburg anfing. Gemeinsam mit vier Kolleginnen und Kollegen hat sie Ende Februar Atmo Media gegründet und ist dort zusammen mit Frauke Ladleif Geschäftsführerin. Wenn alles gut geht, erscheint das Magazin Atmo im Frühjahr 2025 zum ersten Mal.

Wir planen ein Debattenressort, wo wir respektvoll streiten lassen. Gern über Themen, die auch innerhalb der Ökoszene umstritten sind: Wie viele Windräder verträgt der Vogelschutz? Wie viele Wölfe sind zu viele Wölfe für die Weidetierhaltung? Wie notwendig ist es, CO2 im Meeresboden zu verpressen?

Die Quellen unserer Recherchen werden wir übersichtlich auflisten. Das wünschen sich viele, weil sie gern selbst tiefer in Themen eintauchen und auch bei Diskussionen im Alltag sicher argumentieren wollen. Und wir werden ganz konkret recherchieren, wie die Wenden von Agrar bis Verkehr gelingen können, global wie lokal. Und welche Menschen, Initiativen oder sogar Regierungen vorangehen und Mut beweisen.

Gerade haben wir Atmo-Werbeplakate drucken lassen mit dem Slogan: Lust auf Zukunft! Denn die haben wir. Das Verrückte ist ja, dass die Lösungen fast alle auf dem Tisch liegen, aber vieles zerredet oder von mächtigen Lobbys blockiert wird. Wir arbeiten journalistisch, aber mit einer klaren Haltung, die wir transparent machen: Lebensgrundlagen first.

Der neue Name deutet auf einen Klimaschwerpunkt hin. Müssen sich Klimajournalisten jetzt Sorgen um Konkurrenz machen?

Klar, die müssen sich warm anziehen, jetzt kommt Atmo (lacht).

Nein! Ganz im Gegenteil. Atmo wird ein Magazin für Klima, Natur und Gerechtigkeit. Natürlich wird das Klima da eine große Rolle spielen. Aber spielt es die nicht sowieso? Ist es nicht ein Thema, das überall hineinwirkt und überall mitgedacht werden sollte, statt es zu verdrängen – auch aus der Berichterstattung? Wir sehen uns daher als Verbündete der Klima-Medien, die es schon gibt.

Und wir unterscheiden uns ja auch: Wir berichten nicht tages- oder wochenaktuell, und wir befassen uns auch mit allen anderen planetaren Grenzen. In Atmo geht es genauso um das Schwinden der Natur, die Erosion der Böden, um die Plastikflut, um Umwelt eben. Am Ende hängen alle diese Krisen zusammen.

Aber zur Multikrise – das ist das Schöne – gibt es oft auch Multilösungen. Ein renaturiertes Moor hilft nicht nur dem Klima, sondern auch der Biodiversität. Da sind wir wieder beim Thema Mut machen.

Sie sagen, dass Sie auch mit anderen unabhängigen Medien zusammenarbeiten werden. Wie wird das konkret aussehen?

Wir möchten größere Recherchen gemeinsam mit anderen Medien angehen und auch Inhalte austauschen, wo es passt. Also Kompetenzen und Ressourcen bündeln, sodass wir gemeinsam mehr Menschen erreichen. Als Printmedium können wir digitalen Redaktionen eine weitere Plattform bieten.

Im Moment sind wir aber noch nicht in konkreten Gesprächen über Kooperationen. Das wäre der fünfte Schritt vor dem ersten. Gerade stecken wir unsere ganze Kraft in das Ziel, Atmo überhaupt möglich zu machen – 17.000 Abos zu erreichen, damit wir starten können.

Atmo steht nach eigener Aussage für slow journalism. Wieso kann man sich angesichts der rasant zunehmenden Klima- und Umweltprobleme diesen Luxus gönnen?

Ich glaube, diesen Luxus, der übrigens keiner ist, muss man sich sogar gönnen. Slow journalism, so wie wir ihn verstehen, steht nicht für Hängematte oder mal langsam machen. Wir meinen damit, dass wir Schneisen schlagen durch die oft unzusammenhängenden Informationshäppchen im täglichen Nachrichtengeschäft, dass wir Dinge einordnen und erklären. Hintergründe liefern.

Die Krisen unserer Lebensgrundlagen sind so komplex, dass es wichtig ist, sich Zeit dafür zu nehmen, sie richtig zu verstehen. Das ist die Basis, um handlungsfähig zu bleiben. Nicht die Zuversicht zu verlieren, sich nicht von den Nachrichten oder am Ende gar von der Demokratie abzuwenden.

Sie fühlen sich auch dem konstruktiven Journalismus verpflichtet. Was genau heißt das? Warum muss denn Umwelt- und Klimajournalismus immer konstruktiv sein? Das wird doch von anderen Ressorts auch nicht verlangt.

Umwelt- und Klimajournalismus muss natürlich überhaupt nicht konstruktiv sein und ist es ja meist auch gar nicht. Aber die Klima-, Arten- und Umweltkrise unterscheiden sich von anderen Krisen: Auf dem Spiel steht nicht weniger als die menschliche Zivilisation.

Jeder und jede, die sich die Tragweite einmal bewusst macht, muss erstmal Angst und Ohnmacht fühlen. Vielleicht auch Schuld. Gefühle, die nicht weiterhelfen, sondern im schlimmsten Fall dazu führen, dass Menschen ihren Kopf ausschalten und ihr Herz an Leute hängen, die die "gute alte Zeit" als Zukunftsprojekt verkaufen.

Wir finden es daher gut, wo immer möglich einen Funken Zuversicht mitzuliefern, Menschen mit dem Bild von einer besseren Zukunft zu inspirieren und zu ermächtigen.

Unter konstruktiv verstehen wir übrigens nicht, die Welt rosarot zu sehen. Wir meinen damit nur, dass wir mögliche Lösungsansätze, wo immer es sie gibt, genauso sorgfältig recherchieren wie die Probleme und bei der Beschreibung des Problems nicht Halt machen.

Magazin-Titel: Eine orangefarbene und viele blaue Plastikflaschen, dazu die Titelzeile: Plexit.
So solls aussehen: Entwurf für einen Atmo-Titel. (Bild: Atmo)

Obwohl es auch eine Website geben wird, halten Sie weiter an einer Print-Ausgabe fest. Wieso eigentlich? Print wird doch täglich totgesagt.

Print's not dead – zumindest nicht, wenn es ein flüchtiges, tägliches Format ist. Atmo wird nur sechsmal im Jahr erscheinen. Aus Umfragen wissen wir, dass sich auch viele jüngere Menschen inzwischen bewusst Inseln des Analogen gönnen, Stichwort Digital Detox. Das Leseerlebnis ist intensiver. Und Inhalte bleiben nachweislich besser hängen, wenn sie in Ruhe aufgenommen werden.

Zum anderen ist digital nicht immer so inklusiv, wie gern behauptet wird. Viele ältere Menschen haben den Schritt ins Digitale nie gemacht und haben schon Mühe, wenn sie neuerdings für alles ein Smartphone brauchen. Ein gedrucktes Magazin hingegen kann in der Stadtbibliothek ausliegen, in der Arztpraxis, im Café, in der Nachbarschaft. So erreicht es auch Gruppen, die sich kein Abo leisten könnten.

Aber natürlich werden wir, falls wir starten, Atmo auch digital weiterentwickeln – per App, Newsletter, Messenger zum Beispiel. Wir wollen dort sein, wo die Leserinnen und Leser sind. Letztlich geht es um Inhalte, nicht um Kanäle. 

Dürfen Sie auf die Abodaten des Greenpeace Magazins zugreifen, um für Atmo-Abonnements zu werben?

Nein.

Wie ist der aktuelle Stand der Abokampagne? Wie viele Abos werden noch benötigt?

Vor Kurzem hat unser Abo-Crowdfunding die 10.000er-Marke geknackt. Wenn wir bis Ende des Jahres 17.000 zusammenbekommen, können wir 2025 starten.

Was ist der Plan B, falls es nicht klappt?

Dass wir Atmo Media wieder abwickeln und uns Jobs suchen. 

Was macht Sie optimistisch, dass es klappen wird?

Der große Zuspruch und die Unterstützung unserer Abonnentinnen und Abonnenten der ersten Stunde.

Vor Kurzem haben wir einen Aufruf gestartet, Flyer für Atmo zu verteilen und Plakate zu kleben. In kürzester Zeit haben die Leute fast 20.000 Flyer und mehr als 2.000 Plakate bei uns bestellt und wir sind mit dem Versand gar nicht mehr hinterhergekommen. So was macht uns Mut.

Ich nehme eine große Sehnsucht nach Zukunft wahr. Die Zukunft ist uns irgendwie abhandengekommen. Ich glaube, wir haben mit Atmo ein Momentum. 

Wie kann man Atmo unterstützen?

Am allerbesten mit einem Abo! Oder indem man ein Abo verschenkt. Atmo kostet 75 Euro im Jahr, also gerade mal sechs Euro im Monat.

Aber auch, indem man die Botschaft von Atmo in den eigenen Netzwerken verbreitet. Wir haben so gut wie kein Werbebudget. Und dieses Graswurzelmarketing ist für Atmo im Moment unglaublich wertvoll. Erzählt allen von uns!

Dieser Beitrag wurde nicht von der Redaktion erstellt. Er ist in Kooperation mit der Atmo Media GmbH in der Rubrik Advertorials erschienen.