Bayerns Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer. (Foto: Andreas Heddergott/​StMWi)

Herr Pschierer, bisher kann Bayern seinen Strombedarf annähernd selbst decken. Das beinhaltet allerdings noch fast 40 Prozent Atomstrom. Wie soll es weitergehen, wenn 2022 die letzten Meiler abgeschaltet werden?

Franz Josef Pschierer: Zunächst einmal: Die Stromversorgung in Bayern ist gesichert. Wir kommen bei der Energiewende gut voran. Die Staatsregierung hat sich in ihrem Energieprogramm 2015 zum Ziel gesetzt, die wegfallende Stromproduktion aus Kernenergie vorrangig durch einen weiteren Ausbau erneuerbarer Energien zu kompensieren.

Eine verbleibende Lücke muss durch "grünen" Strom insbesondere aus Nord- und Ostdeutschland geschlossen werden. Dafür sind beispielsweise die Erdkabel-HGÜ-Verbindungen Suedlink sowie Suedostlink vorgesehen, die jedoch frühestens 2025 in Betrieb gehen.

Die Netzbetreiber haben jedoch umfassende Vorkehrungen getroffen, um auch in der Zeit zwischen dem Abschalten der Kernkraftwerke und der Fertigstellung des erforderlichen Netzausbaus eine sichere Versorgung aller Verbraucher zu gewährleisten, etwa durch den sogenannten Redispatch. Dafür werden vor Ort konventionelle Kraftwerke außerhalb des Strommarktes hochgefahren, falls die bestehenden Leitungen nicht in der Lage sind, die Nachfrage zu decken.

Ähnlich wird auch verfahren, wenn durch Unwetter oder andere Ereignisse Stromleitungen beschädigt werden. Allerdings entstehen durch den Redispatch erhebliche Kosten. Deswegen sind die HGÜ-Leitungen für den Erfolg der Energiewende unverzichtbar.

Stichwort Netzausbau: Was ist in Bayern erforderlich, um das Netz auf die Erneuerbaren vorzubereiten?

Fest steht, die Energiewende stellt das bisherige System vor große Herausforderungen. Bislang war es vereinfacht dargestellt so, dass der Strom von einigen wenigen Erzeugern zu den Verbrauchern geliefert wurde. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien wird die Stromerzeugung aber zunehmend dezentral.

Außerdem nimmt die Zahl der Verbraucher zu, etwa durch mehr Elektroautos oder Wärmepumpen. Das kann man sich in etwa so vorstellen wie die Adern in unserem Körper. Dieses Leistungssystem muss ja den kleinen Finger ebenso versorgen, wie den großen Zeh. Neben einem Ausbau des Übertragungsnetzes ist daher auch eine Ertüchtigung des Verteilnetzes notwendig.

Damit ist es aber nicht getan. Die Netze müssen auch intelligenter werden. Deswegen spielt die Digitalisierung hier eine große Rolle. "Smart Grids" bieten viel Potenzial, den Stromverbrauch gezielt zu steuern und gegebenenfalls bestimmte Verbraucher bei Spitzenlasten vom Netz zu nehmen.

Der Zuwachs an Windenergie in Bayern ist seit Einführung der 10-H-Regel abgeflacht. Bis 2025 sollen aber 70 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen. Wie wollen Sie das Ziel schaffen?

Auch nach Einführung der 10-H-Regelung ist der Windenergieausbau in Bayern vorangekommen. Der Rekordzubau fand 2014 und 2015 statt. Aber auch 2016 und 2017 verzeichneten wir einen guten Zubau von 602 Megawatt beziehungsweise 217 Anlagen. Mit gut 1.100 Windenergieanlagen liegen wir im Vergleich der deutschen Binnenländer immer noch auf einem Spitzenplatz.

In den nächsten Jahren wird der Zubau zwar nicht mehr diese hohe Geschwindigkeit aufweisen. Ich bin aber sicher, dass wir unser Ausbauziel dennoch erreichen werden. Für die Windenergie ist bis 2025 ein Anteil von fünf bis sechs Prozent an der Bruttostromerzeugung vorgesehen. 2016 hatten wir schon knapp vier Prozent geschafft – von nur 0,7 Prozent im Jahr 2010.

Wichtiger für unser Erneuerbaren-Ziel sind indes Wasserkraft, Photovoltaik und Bioenergie. Sie werden den größten Teil beisteuern.

Bayern erlaubt seit 2017 auch Solaranlagen auf landwirtschaftlich benachteiligten Acker- und Grünflächen. Wie wirkt sich das aus?

Die bayerische Freiflächenverordnung ist ein großer Erfolg für den Ausbau der Solarenergie in Bayern. Mit ihr haben wir es ermöglicht, dass grundsätzlich auch solche Photovoltaikanlagen an den Ausschreibungen teilnehmen können, die sich auf Acker- und Grünlandflächen in sogenannten benachteiligten Gebieten befinden. Die Folge ist, dass seit dem Inkrafttreten der Verordnung von insgesamt 76 Zuschlägen ganze 40 Zuschläge nach Bayern gingen.

Seit Einführung des Ausschreibungsmodells im EEG 2017 haben nur wenige Windenergie-Projekte aus Bayern einen Zuschlag bekommen. Wo sehen Sie die Gründe?

Süddeutschland ist im Vergleich zu küstennahen Bundesländern windschwach. Die Umgestaltung des EEG im Jahr 2017 weg von Festvergütungen und hin zu Ausschreibungen bedeutete, dass Norddeutschland und Süddeutschland in direkte Konkurrenz miteinander treten. Und da sind wir naturbedingt im Nachteil.

Bund und Länder arbeiten jedoch daran, einen Ausgleich zu schaffen. Der Koalitionsvertrag für die neue Bundesregierung sieht eine bessere regionale Steuerung des Ausbaus der erneuerbaren Energien vor. Durch eine Mindestquote bei den Ausschreibungen können gezielt Anlagen südlich des Netzengpasses privilegiert werden.

Wichtig ist es nun, diese Vorgabe zügig umzusetzen. In der Folge wird es dann auch für Bayern einfacher werden, sich im Rahmen der Ausschreibungen gegenüber anderen Bundesländern durchzusetzen.

In Bayern wird die Tiefengeothermie bereits genutzt. Wie schätzen Sie das Potenzial dieser Technologie für Wärme- und Stromerzeugung ein?

In Bayern gibt es zahlreiche günstige Standorte zur Nutzung von Geothermie, oberflächennah ebenso wie in tiefen Bereichen. Deswegen spielt die geothermale Energiegewinnung in unseren Überlegungen auch eine wichtige Rolle. In Deutschland sind wir führend bei der Nutzung der Tiefengeothermie. Die Stromerzeugung aus Erdwärme hat sich zwischen 2012 und 2016 verfünfzehnfacht, die Wärmeerzeugung seit 2011 nahezu verdoppelt.

Die weitere Entwicklung hängt von vielen Faktoren ab. Ursprüngliche Schätzungen nach geologischen Kriterien ergaben ein Potenzial von etwa 300 Megawatt elektrischer Leistung und zusätzlich bis zu 1.800 Megawatt thermischer Leistung. Allerdings haben sich gerade die sehr tiefen Bohrungen von über 4.000 Metern als technisch sehr anspruchsvoll erwiesen.

Zudem steigt mit der Tiefe auch das Risiko, nicht oder nur unzureichend fündig zu werden. Mit der Geothermie-Allianz Bayern fördern wir deswegen wissenschaftliche Ansätze zur Betriebsoptimierung, der Erweiterung des wirtschaftlichen und technischen Potenzials und der Reduktion des Fündigkeitsrisikos von Bohrungen.

Zudem gibt es in Bayern ein bundesweit einzigartiges Förderprogramm von Fernwärmenetzen für Tiefengeothermie, in Ergänzung zur KfW-Förderung des Bundes. Es bleibt unser Ziel, das erhebliche Potenzial der Tiefengeothermie weiter bestmöglich zu nutzen.

Redaktioneller Hinweis: Das Interview wurde zuerst auf dem von der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) betreuten Portal "Föderal Erneuerbar" veröffentlicht.

Dieser Beitrag wurde nicht von der Redaktion erstellt. Er ist in Kooperation mit der Agentur für Erneuerbare Energien in einer Reihe mit 16 Länder-Interviews zur Energiewende in der Rubrik Advertorials erschienen.

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