Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig. (Foto: SMWA)

Herr Dulig, Sachsen sieht sich als Energieland. Doch der "alte" Exportschlager Braunkohle kommt zunehmend aus der Mode. Wo steht Sachsen in den nächsten zwanzig bis dreißig Jahren?

Martin Dulig: Mit dem heutigen Energieträgermix – und angesichts des bevorstehenden Ausstiegs aus der Kernenergie – steigen die Anforderungen ans Stromsystem vor allem beim Thema Versorgungssicherheit. Hier wird die Braunkohleverstromung auf absehbare Zeit noch eine wichtige Rolle spielen müssen – und zwar so lange, wie die erneuerbaren Energien Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit nicht in gleichem Maße gewährleisten können wie die konventionellen.

Der Ausstiegspfad aus der Braunkohleverstromung ist im europäischen Rahmen durch das Emissionshandelssystem und zudem durch die Rahmenbetriebspläne der Tagebaubetreiber längst vorgezeichnet. Das Ziel der Reise – Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern und ein hoher Anteil an erneuerbaren Energien – ist klar. Wann genau wir es erreichen, allerdings noch nicht. Entscheidende Wegmarken sind der Fortschritt des Netzausbaus und der Speicherkapazitäten.

Sachsen will keinen schnellen Kohleausstieg. Ministerpräsident Michael Kretschmer spricht von einem Ende der Braunkohleverstromung 2040 oder später. Die Bundesregierung will aber noch in diesem Jahr eine Strukturwandelkommission einrichten, die den Kohleausstieg vorbereiten soll. Wie geht das zusammen?

Die Braunkohle als eine nach wie vor tragende Säule im Energiemix und die Einrichtung einer Strukturwandelkommission passen sehr gut zusammen. Strukturwandel ist ein langfristiger Prozess, der sorgfältig vorbereitet sein muss. Die Braunkohleindustrie ist für ganze Regionen in Sachsen strukturprägend. Sie perspektivisch zu ersetzen wird äußerst anspruchsvoll und nur mit gemeinsamer Anstrengung von Bund und Land gelingen.

Unabdingbar sind ein Zusammenspiel aller beteiligten Akteure vor Ort und die frühzeitige Einbindung der betroffenen Menschen. Ein überhasteter Ausstieg aus der Braunkohle würde einen solchen beteiligungsorientierten Prozess konterkarieren. Ich warne daher eindringlich davor, in einen Wettbewerb um das früheste Ausstiegsdatum einzutreten.

Sachsen orientiert sich an den Energiezielen des Bundes. Diese sehen einen Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch von 40 bis 45 Prozent bis 2025 vor. Das ist nach jetzigem Stand kaum noch erreichbar. Woran liegt das?

Sachsen unterstützt die Energiewende, die Orientierung an den Zielen des Bundes hat weiterhin Bestand. Jedoch sind sie nicht eins zu eins auf den Freistaat übertragbar.

Derzeit sind die Flächen in den Vorrang- und Eignungsgebieten nahezu ausgeschöpft. Dies wird sich mit dem Abschluss der Fortschreibung der Regionalpläne ändern. Wir überarbeiten gerade unser Energie- und Klimaprogramm. Dabei verfolgen wir einen an den tatsächlichen Gegebenheiten orientierten Ansatz.

Zunächst untersuchen wir, welche Potenziale wir für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Sachsen haben. Auf Grundlage dieser Ergebnisse ermitteln wir – im breiten Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden und den Akteuren der Energiewirtschaft – welche Ausbauziele wir realistisch erreichen können. Das halte ich für vernünftiger, als sich überambitionierte Ziele zu setzen, die nicht erreicht werden.

Für das Erreichen des Zwei-Grad-Ziels sind die Ausbauziele der Erneuerbaren zu schwach. Braucht es ambitioniertere Ziele?

Das Erreichen der Klimaziele auf den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschränken, ist zu kurz gedacht. Genauso sollte der "Efficiency first"-Ansatz verstärkt in den Vordergrund gerückt werden, den auch die Bundesregierung zum Leitsatz der Energiewende erklärt hat.

Leider sind die Anreize für Effizienzmaßnahmen sowohl für die Industrie als auch für die privaten Haushalte in vielerlei Hinsicht noch zu gering. Sachsen hat hier sehr früh angesetzt und mit der bereits im Jahr 2007 gegründeten Sächsischen Energieagentur (SAENA) eine Einrichtung geschaffen, die private und gewerbliche Endverbraucher zu den Themen Energieeffizienz und Energiesparen informiert und sie auch bei der Umsetzung konkreter Maßnahmen berät.

Die Windenergie hat theoretisch ein großes Potenzial in Sachsen. Bislang ist der Ausbau der Windkraft gering. Soll er künftig beschleunigt werden?

Unsere 2017 vorgestellte Windpotenzialstudie hat gezeigt, dass ab einer bestimmten Nabenhöhe an nahezu allen Stellen eine gute Windhöffigkeit vorliegt. Bei der Ausweisung von Flächen muss zwischen Siedlungsabstand, Artenschutz und dem Schutz des Landschaftsbildes abgewogen werden. Deshalb wird das "Repowering" immer wichtiger: leistungsstarke, aber auch höhere Anlagen ersetzen alte, ineffiziente Anlagen.

Viele ausgewiesenen Gebiete liegen jedoch relativ nah an der Wohnbebauung. Bei 100 Meter hohen Anlagen war dies in der Regel kein Problem. Wenn die neuen Anlagen nun aber doppelt so hoch sind, dann regt sich an vielen Stellen Protest. Dieser Konflikt muss gelöst werden.

Wir beobachten – übrigens nicht nur in Sachsen – trotz einer hohen Zustimmung zur Energiewende, in letzter Zeit verstärkt Widerstand in der Bevölkerung gegen einzelne Windkraftvorhaben. Auch hier sind Transparenz und Dialogbereitschaft gefragt – von allen Seiten.

In Sachsen gibt es seit 2009 eine Modellregion Elektromobilität – mit Fördergeldern in Millionenhöhe. Warum ist die Infrastruktur dafür trotzdem nicht signifikant besser geworden?

Die Ladeinfrastruktur in Sachsen wird kontinuierlich ausgebaut, es engagieren sich neben Tank&Rast auch regionale Energieversorger, Automobilunternehmen und weitere Investoren. Das Bundesförderprogramm wird von diversen Antragstellern für sächsische Ladepunkte genutzt, beim zweiten Aufruf geht die Zahl der beantragten über die förderbaren Ladepunkte sogar hinaus.

Um bei der Standortwahl für Ladeinfrastruktur zu unterstützen, hat die Sächsische Energieagentur bei der TU Dresden eine Studie in Auftrag gegeben. Sie steht allen potenziellen Investoren zur Verfügung. Bei Vernetzungstreffen bringt die Agentur zudem immer wieder Grundstücksbesitzer und Investoren in Kontakt.

Energieforschung ist stark in Sachsen. Welche Lösungen aus Sachsen können zum Gelingen der Energiewende beitragen?

Sachsen ist traditionell Energieforschungsland. Mit einer hohen Dichte an Technischen Universitäten, Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und forschenden Unternehmen wird dabei eine breite Palette an Themen in der Energieforschung bearbeitet. Einer unserer wichtigsten Grundsätze dabei ist die Technologieoffenheit.

In Sachsen forschen viele Wissenschaftler an für die Energiewende wichtigen Zukunftsthemen, beispielsweise an der Speicherung von Energie, der intelligenten Mobilität oder an der Effizienzsteigerung. Mit dem "Masterplan Energieforschung in Sachsen", den wir im Sommer verabschieden wollen, sollen diese Kompetenzen weiterentwickelt und die Energieforschung weiter gestärkt werden.

Redaktioneller Hinweis: Das Interview wurde zuerst auf dem von der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) betreuten Portal "Föderal Erneuerbar" veröffentlicht.

Dieser Beitrag wurde nicht von der Redaktion erstellt. Er ist in Kooperation mit der Agentur für Erneuerbare Energien in einer Reihe mit 16 Länder-Interviews zur Energiewende in der Rubrik Advertorials erschienen.

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