Ein Dutzend türkisfarbener Datenkabel stecken in ebensolchen Buchsen, während die meisten der etwa hundert in Reihen angeordneten Buchsen unbelegt sind.
Digitalisierung heißt Energieverbrauch. (Foto: Brett Sayles/​Pexels)

Rechenzentren verbrauchen enorme Mengen Strom und produzieren viel Abwärme, die bisher zumeist ungenutzt in die Atmosphäre geblasen wird. Angesichts der aktuellen Erdgaskrise setzt sich der Digitalverband Bitkom nun dafür ein, die Abwärme viel stärker als bislang für Heizung und Warmwasser-Bereitung zu nutzen.

Nach aktuellen Bitkom-Berechnungen könnten damit bundesweit rund 350.000 Wohnungen versorgt werden. Das entspricht fast dem Bestand in einer Großstadt wie Bremen.

Für die Abwärmenutzung kommen laut der Studie vor allem mittlere und größere Rechenzentren in Betracht. Diese befinden sich hierzulande vor allem in den Regionen Hamburg, Berlin, Frankfurt am Main und München und kommen zusammen auf eine Anschlussleistung von 965 Megawatt.

Davon kann in der Praxis rund die Hälfte für die Abwärmenutzung herangezogen werden, so die Bitkom-Studie, die vom Borderstep-Institut ausgeführt wurde. Das sei ausreichend für die Beheizung von knapp 32 Millionen Quadratmetern Wohnfläche.

Bisher liegt das Potenzial vor allem aus zwei Gründen weitgehend brach: An den Standorten der Rechenzentren fehlen in der Regel Fernwärmenetze oder sie sind nicht direkt nutzbar, da die Abwärme mit rund 30 Grad meist nicht die für diese Netze nötige Temperatur hat.

Doch hier gibt es laut der Studie Lösungsmöglichkeiten. Wo kein Fernwärmenetz liegt, könne die Abwärme genutzt werden, um die umliegenden Gebäude zu versorgen – also in neu zu bauenden Nahwärmenetzen.

Und um höhere Temperaturen zu erreichen, können spezielle elektrische Wärmepumpen eingesetzt werden, die zudem Schwankungen beim Anfall von Abwärme ausgleichen können. Um diesen Markt anzuschieben, fordert Bitkom, diesen Einsatz von Wärmepumpen beim Strompreis von den Netzentgelten zu befreien.

Immer höherer Rechen- und Speicherbedarf

"Um unabhängig von russischem Gas zu werden und den Klimaschutz weiter voranzutreiben, sollten alle verfügbaren Quellen ausgeschöpft werden", betont Bitkom-Präsident Achim Berg. Das Potenzial der Rechenzentren-Abwärme dürfe nicht weiter brachliegen. Zudem könne durch eine Abwärmenutzung auch die Energiebilanz der stark wachsenden Rechenzentrums-Branche selbst deutlich verbessert werden.

Der Stromverbrauch aller deutschen Rechenzentren betrug im Jahr 2020 rund 16 Milliarden Kilowattstunden, was rund drei Prozent des gesamten Stromverbrauchs entspricht. 2010 waren es erst gut zehn Milliarden Kilowattstunden. Für die nächsten Jahre wird eine ähnlich starke Zunahme erwartet.

Rechner und Kühlungssysteme werden zwar immer effizienter, doch der Bedarf an Rechenleistung und Speicherplatz in der Cloud steigt noch schneller. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Bundesregierung heißt es denn auch: "Wir werden Rechenzentren in Deutschland auf ökologische Nachhaltigkeit und Klimaschutz ausrichten, unter anderem durch Nutzung der Abwärme."

Erste kleinere Projekte zur Abwärmenutzung gibt es bereits, etwa in Frankfurt am Main. Ein Hotel im dortigen Eurotheum-Hochhaus, in dem zwei Etagen mit einem Rechenzentrum belegt sind, wird damit beheizt.

In der Stadt gibt es aber auch das erste Großvorhaben bundesweit dazu. Im Stadtteil Gallus sollen vom kommenden Jahr an rund 1.300 neue Wohnungen zu 60 Prozent mit der Abwärme aus fünf nahegelegenen Rechenzentren versorgt werden.

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