Hier sind viele Klimaanlagen an einem Wohnhaus in China zu sehen
Klimaanlagen – wie diese in China – verbrauchen nicht nur viel Energie. Sie nutzten als Kühlmittel früher auch ozonzerstörende FCKWs, die jetzt nicht mehr hergestellt werden dürfen. (Foto: Sławomir Kowalewski/​Pixabay)

Eins von tausend Milliarden klingt nach wenig. Dieses Verhältnis entspricht drei Sekunden von 100.000 Jahren. Doch hier geht es um einen Stoff, der die Ozonschicht zerstört.

In den Jahren 2002 bis 2012 ist die Konzentration von Freon 11 (auch Trichlorfluormethan oder CFC-11) in der Atmosphäre jedes Jahr um zwei Moleküle pro eine Billion "Luftteilchen" gesunken. Doch seit 2012 hat sich diese Rate halbiert – auf eine Abnahme um nur noch ein Molekül pro Jahr.

"Ich mache das seit 27 Jahren und das ist das Überraschendste, das ich je gesehen habe. Ich war schockiert", sagt Stephen Montzka von der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), einer Forschungseinrichtung der US-Regierung. Der Grund für Montzkas Erstaunen ist simpel: Seit dem Jahr 2007 wird weltweit kein Freon 11 mehr hergestellt.

Folglich müsste die Konzentration dieses Stoffes in der Atmosphäre nun kontinuierlich sinken. Dass sich die Abnahmerate plötzlich verändert hat, lässt aber nur einen Schluss zu: neue Emissionen.

"Es scheint, jemand hält sich nicht ans Montreal-Protokoll", sagt Susan Strahan von der Nasa. Das Montreal-Protokoll aus dem Jahr 1987 gilt als das erfolgreichste Umweltabkommen der Welt: Es verbietet die Produktion von ozonzerstörenden Substanzen und schützt damit auch das Klima.

Freon 11 hat eine 4.750-mal stärkere Treibhauswirkung als CO2. Ein Verstoß gegen das Montreal-Protokoll gilt als Umweltverbrechen. Daher verwundert es nicht, dass sich Montzka als "Detektiv der Atmosphäre" versteht.

"Wir versuchen zu verstehen, was passiert und warum", sagte Montzka der britischen Zeitung Daily Express. In einem ersten Schritt berechnete er, um wie viel die Emissionen von Freon 11 zugenommen haben. Das Resultat: 13.000 Tonnen pro Jahr.

"Es sieht so aus, als ob jemand das neu produziert", sagt Montzka. Für Strahan wird der Fall dadurch noch mysteriöser: "Ich weiß nicht, warum jemand Freon 11 braucht. Es gibt viele Ersatzstoffe. Das macht wirklich keinen Sinn."

Schluderei mit Alt-Kühlgeräten?

Doch wer ist dieser "jemand"?

Um diese Frage zu beantworten, verglich Montzka die Freon-11-Konzentration auf der Nord- und der Südhalbkugel der Erde. Wegen der Emissionen in der Vergangenheit ist die Konzentration im Norden noch immer höher, aber der Unterschied zum Süden ging jahrelang zurück.

Seit 2012 ist der Unterschied aber wieder gewachsen, um rund die Hälfte. Mit Hilfe von Computermodellen der Atmosphäre versuchte Motzka dann die Emissionsquelle genauer einzugrenzen und kam zum Schluss, dass diese in Ostasien liegen muss.

Mit seiner Studie im Wissenschaftsmagazin Nature habe Montzka den Jagdtrieb von Wissenschaftlern angestachelt, sagt Paul Newman, Ko-Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses für das Montreal-Protokoll: "Sie schauen ihre Daten an und forschen nach. 'Vielleicht habe ich ein paar gute Freon-11-Messwerte?'"

Wenn das nicht hilft, blieben nur neue Messungen: "Die Leute werden ihre Instrumente herausholen und lokale Messungen machen, um die Quellen zu finden", sagte Newman der Internetpublikation The Outline. Außerdem setzt er auf die verdächtigten Länder: "Behörden in Ostasien werden sich ihre Chemiefirmen sehr genau anschauen."

Es gibt allerdings einen weiteren Verdächtigen, wie eine neue Studie aus dem Wissenschaftsmagazin Environmental Science and Technology zeigt: Das Missmanagement von ausgesonderten Klimaanlagen und Kühlschränken in China.

Gemäß Montreal-Protokoll müssen ozonschädliche Kühlmittel gesammelt und vernichtet werden. Doch dies wird oft nicht getan. Die Autoren gehen daher davon aus, dass die Emissionen beim Abwracken der Geräte noch bis zum Jahr 2025 ansteigen werden und erst dann sinken.

Aus Sicht von Montzka sind diese Emissionen aber zu gering: "Die beste Schätzung der Freon-11-Emissionen aus dieser Aktivität ist eine Menge, die keine merkliche Rolle bei dem Emissionsanstieg spielt, über den wir berichtet haben."

Noch ist der Fall also ungelöst. Dennoch bestehe kein Grund zur Panik, sagt Montzka. Wissenschaftler erwarten, dass die Ozonschicht zwischen den Jahren 2050 und 2070 wieder den Zustand von 1980 erreicht. "Wenn die erhöhten Emissionen schnell verschwinden, dann ist ihr Einfluss auf den Zeitpunkt der Erholung der Ozonschicht gering", so Montzka.

"Wenn sie nicht verschwinden, könnte es eine zehnjährige Verzögerung geben. Und falls sie ansteigen, ist die Verzögerung sogar noch länger.“

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