Die EU will eine breite Beteiligung am Energiesystem ermöglichen und dafür kleine Akteure sowie dezentrales Erzeugen und Verbrauchen stärken. (Bild: Melitas/​Shutterstock)

Während beim Energy Sharing ausdrücklich die gemeinschaftliche, regionale Erzeugung und Nutzung von Energie über das Verteilnetz im Vordergrund steht, beziehen sich Modelle wie Mieterstrom, auch in Quartieren, sowie die gemeinsame Eigenversorgung in Deutschland auf die Nutzung von Strom aus einer Erzeugungsanlage, die im Besitz eines Dritten ist, hinter einem gemeinsamen Netzanschluss. Konkrete Möglichkeiten für gemeinschaftlichen Energieverbrauch in Deutschland sind daher bislang begrenzt und erfolgen ohne Nutzung der Verteilnetze.

Auf diese Lücke sind die drei Ampel-Fraktionen immerhin in ihrem Koalitionsvertrag eingegangen – mit dem eindeutigen Bekenntnis, Energy Sharing stärken zu wollen. Mit dem Entschließungsantrag zum Erneuerbare-Energien-Gesetz vom 5. Juli 2022 erteilt das Parlament zusätzlich den Prüfauftrag an die Bundesregierung, unnötige Hemmnisse festzustellen und dann Vorschläge für die Einführung von Energy Sharing zu erarbeiten.

Doch bislang hat die Ampelregierung das nicht getan. Sonst könnten Bürger:innen einer Region bereits heute laut Artikel 22 der RED-II-Richtlinie der EU Strom aus Erneuerbaren-Anlagen vor Ort gemeinschaftlich nutzen und Überschüsse vermarkten.

Wie das Konzept des Energy Sharing nun am sinnvollsten vom EU-Recht in deutsches Recht umgesetzt werden kann, beschreibt ein gemeinsames Verbände‑Papier unter Federführung des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE), des Bündnisses Bürgerenergie (BBEn) und des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes (DGRV).

Zusammen mit weiteren Partnern – unter ihnen auch die Ökoenergiegenossenschaft Green Planet Energy – schlagen sie ein Modell zur gemeinschaftlichen Nutzung von Ökostrom vor und befassen sich auch mit den rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Grundlagen sowie den technischen Voraussetzungen.

Politische, technische und wirtschaftliche Vorteile

"Um die angestrebten Klimaschutzziele für Deutschland zu erreichen, muss die neue Bundesregierung sehr schnell sehr viel auf den Weg bringen", sagt Ariane August, Referentin für Energiepolitik bei Green Planet Energy. "Dafür braucht es weiterhin Akzeptanz in der Bevölkerung. Und die erreicht man am besten durch authentische Beteiligungsangebote für Bürger:innen an der Energiewende – und durch damit einhergehende finanzielle Vorteile auf der individuellen Stromabrechnung, insbesondere durch Energy Sharing."

Schematische Darstellung von Energy Sharing in einer kleinen Kommune.
Mit Energy Sharing wird ein Marktrahmen für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften geschaffen. (Bild: Annika Huskamp/​BBEn)

Die sogenannten Energy Communities bringen insgesamt mehrere Vorteile mit sich. Neben höherer Akzeptanz für regional erzeugte, erneuerbare Energie und wirtschaftlichen Vorteilen durch Partizipation an der Energiewende können Stromnetze durch passgenaue Bilanzierung des lokalen Angebots und der Nachfrage entlastet werden.

Daneben wird auch der wirtschaftliche Weiterbetrieb von Post-EEG-Anlagen sowie der Zubau neuer Anlagen ohne Förderung angereizt – und nicht zuletzt geht die Stärkung der regionalen Wertschöpfung damit einher. Diese Vielzahl an Anreizen soll und kann letztlich dazu beitragen, den zusätzlichen Ausbau erneuerbarer Energien insgesamt zu beschleunigen und damit das Erreichen der Klimaziele sicherstellen.

Wie wichtig die Partizipation der Bürger:innen bei der Energiewende ist, hatte die Europäische Union früh erkannt und in ihrer Gesetzgebung berücksichtigt. Die Neufassung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II ermöglicht es Konsument:innen, zugleich auch Produzent:innen zu werden, die Ökostrom nicht nur herstellen und nutzen, sondern bei Bedarf auch handeln und verkaufen.

Deutschland mit Umsetzung seit zwei Jahren im Verzug

Deutschland hätte diese Richtlinie nach den EU-Regeln schon bis Mitte 2021 umsetzen müssen. Um die Idee vom Energy Sharing trotzdem voranzubringen, haben die Autor:innen des Verbändepapiers eine Reihe von Vorschlägen in die Öffentlichkeit gebracht.

Beispielsweise könnten Energiegemeinschaften für die in ihren gemeinschaftlich betriebenen Anlagen erzeugten Kilowattstunden Anspruch auf die a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Optionale_Marktprämie""""Marktprämie und für die zeitgleich zur Erzeugung verbrauchten Kilowattstunden eine Energy-Sharing-Prämie erhalten. Das würde den Anreiz erhöhen, regional erzeugten Ökostrom zeitlich angepasst zu nutzen.

Die Zustimmung der Bürger:innen erreicht man am besten durch ehrliche Beteiligungsangebote, sagt Ariane August von Green Planet Energy. (Bild: Christine Lutz/​GPE)

Als "Region" soll laut Verbände-Vorschlag ein Radius von 50 Kilometern um die jeweilige Anlage gelten, etwa eine Dach- oder Freiflächensolaranlage oder ein Windpark. Möglichst viele Menschen sollen teilhaben können, egal, ob sie in der Stadt oder auf dem Land leben.

Wenn die eigene Stromerzeugung nicht ausreicht, um den Bedarf zu decken, beziehen die Energie-Gemeinschaften Strom aus dem öffentlichen Netz und beteiligen sich auch weiterhin an den Netzkosten. Das würde auch das gern vorgeschobene Argument entkräften, regionale Stromerzeugung und -nutzung führe dazu, dass immer weniger Stromkunden die Netzkosten über die Netzentgelte auf ihrer Stromrechnung tragen müssten.

"Das Bundeswirtschaftsministerium hat allen Ankündigungen zum Trotz bislang jedoch noch kein eigenes Konzept für Energy Sharing vorgelegt. Dabei wäre es eine große Chance für die Energiewende", sagt Ariane August: "Die gemeinschaftliche Nutzung von Ökostrom sichert nicht nur die gesellschaftliche Akzeptanz an der Energiewende, sondern führt auch dazu, Erzeugung und Verbrauch besser aneinander anzupassen. Damit hätten wir mehr Flexibilität im Netz, was im zukünftigen Stromsystem dringend geboten ist."

IÖW-Studie sieht gewaltiges Potenzial

Das Bündnis Bürgerenergie hatte bereits im Jahr 2021 ein Konzept für Energy Sharing ausgearbeitet, nach dem sich gemeinschaftlich Strom erzeugen und im Verteilnetz nutzen lässt. Das hätte zugleich den Vorteil, dass diese Netze durch die Nutzung von Elektroautos und Wärmepumpen flexibilisiert werden.

Dadurch müssten auch weniger Ökostrom-Anlagen abgeschaltet und entschädigt werden, wie das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) 2022 anhand von Simulationen in einer Potenzialanalyse zeigte.

Dieser positive Effekt, der ja die Kosten für alle Stromkunden senkt, würde mit dem zunehmenden Einsatz von E‑Autos und Wärmepumpen noch steigen. Auch für die gesamte Wirtschaft wäre diese Entwicklung positiv: So rechnet das IÖW sogar mit einem Boom beim Ausbau der Erneuerbaren, wenn Energiegemeinschaften endlich zum Zuge kommen könnten.

Wenn deren Mitglieder mindestens zwölf Prozent der Investitionskosten tragen, seien Investitionen von insgesamt mehr als sechs bis knapp 13 Milliarden Euro denkbar, rechnet das Institut vor. Und dann könnten über 90 Prozent aller Haushalte in Deutschland mit gemeinschaftlich erzeugtem Ökostrom versorgt werden – ein großartiges Potenzial und ein Etappensprung für die dezentrale Energiewende.

Die politische Blockade von Energy Sharing muss deshalb endlich beseitigt werden.

Dieser Beitrag wurde nicht von der Redaktion erstellt. Er ist in Kooperation mit der Green Planet Energy e.G. in der Rubrik Advertorials erschienen.