Fahrrad im Straßenverkehr
Auf vielen Berliner Hauptstraßen ist Radfahren lebensgefährlich. (Foto: Brigitte Hiss/​BMU)

Am Tag der Verkehrssicherheit übt Berlin die Verkehrswende: Am gestrigen Samstag war die Berliner Allee im Stadtteil Weißensee am Nachmittag für den Autoverkehr gesperrt.

Ein Bündnis von Bürgerinitiativen aus dem Viertel demonstrierte unter dem Motto "Berliner Allee für alle" auf der Hauptverkehrsachse des Berliner Nordostens für eine Verkehrswende.

Jeden Tag schieben sich bis zu 30.000 Autos und Lastwagen durch die Hauptverkehrsstraße, die Höchstwerte für Lärm werden ständig überschritten, teilweise auch die für Stickstoffdioxid. Zwar gibt es bereits Pläne, dem Radverkehr und der Straßenbahn mehr Platz auf der Berliner Allee zu geben, aber aus Sicht der Bürgerinitiativen verschleppt die Politik die Umsetzung.

Eigentlich sollte die Bundesstraße in diesem Jahr umbaut werden, doch bislang ist das Vorhaben noch nicht einmal ausgeschrieben. Die Ausschreibung soll bis Ende des Jahres erfolgen, heißt es von der Berliner Verwaltung. Mit dem Aktionstag will das Bürgerbündnis nun den Druck auf die Politik erhöhen.

Nicht jeder freute sich jedoch über die autofreie Allee. Für Unmut bei den Berliner Verkehrsbetrieben und manchen Anwohnern sorgte, dass auch die Straßenbahn temporäres Fahrverbot hatte. Die Polizei hatte den Tramverkehr nur erlauben wollen, wenn das Protestbündnis lediglich eine Straßenseite blockiert hätte. Damit wollten sich die Verkehrswende-Aktivisten jedoch nicht zufriedengeben.

Großdemonstration gegen IAA am 14. September

Zur Eröffnung der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) am 14. September in Frankfurt am Main ruft ein Bündnis aus Umweltverbänden wie BUND und Greenpeace zum Protest auf. "Eine Parade dicker SUVs und Spritschlucker ist in Zeiten der Klimakrise völlig überholt – die IAA in ihrer jetzigen Form ist ein Relikt der Vergangenheit", sagte Kerstin Haarmann, Vorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD).
 
Für weniger Autos auf den Straßen und für das sofortige Ende des fossilen Verbrennungsmotors soll deshalb demonstriert werden. Das Aktionsbündnis fordert, dass der Verkehr 2035 klimaneutral sein muss. Geplant ist unter anderem eine Fahrrad-Sternfahrt.

Besonderer Stein des Anstoßes aus Sicht der Aktivisten: Im Jahr 2016 hatte das Verwaltungsgericht Berlin aufgrund der Klage eines Anwohners geurteilt, dass auf einem Teilstück der Straße ganztägig ein Tempo-30-Limit gelten muss. Die Pflicht zur Drosselung der Höchstgeschwindigkeit bestehe, weil ein Luftreinhalteplan dies vorsehe.

Tatsächlich hat der Berliner Senat bereits auf mehreren Hauptverkehrsstraßen Tempo 30 eingeführt, um die Luftqualität zu verbessern. Gegen das Urteil für die Berliner Allee setzte der Senat jedoch durch, dass er vor dem Oberverwaltungsgericht in Berufung gehen kann. Über die Berufung ist noch nicht entschieden.

Ebenfalls im Berliner Bezirk Pankow, nur ein paar Kilometer von der blockierten Straße entfernt, besetzte ein Aktionsbündnis am Samstag drei Stunden lang eine Seite der Fahrbahn auf der Schönhauser Allee. Die Aktivisten rollten eine provisorische Fahrspur für Radfahrer aus.

Unternehmer wollen autofreie Einkaufsstraße nicht testen

Wie erbittert der Widerstand gegen Einschränkungen beim Autoverkehr in der rot-rot-grün regierten Stadt sein kann, zeigt ein Pilotprojekt in der Friedrichstraße. Eigentlich wollte die Berliner Verkehrsverwaltung die relativ schmale Straße in den Sommermonaten an mehreren Wochenenden zur autofreien Zone erklären. Doch anliegende Gewerbetreibende und Immobilienbesitzer liefen gegen das Vorhaben Sturm.

Nach einem Treffen mit Wirtschaftsvertretern erklärte nun Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne), dass die Stadt das Vorhaben nicht gegen den Willen der Betroffenen vorantreiben wolle. Damit liegt das Projekt nun auf Eis.

Dass sich Handel und Gewerbe für den Autoverkehr starkmachen, ist jedoch nicht überall so: Zum Aktionsbündnis in Weißensee gehört auch eine Vereinigung lokaler Gewerbetreibender. Die Händler und Unternehmer waren beim Aktionstag in der Berliner Allee von Anfang an eine treibende Kraft.