Drei Arbeiter mit Helm schrauben ein Polarpaneel in luftiger Höhe an, im Hintergrund eine kapverdische Stadt.
Solarenergie hat in Afrika ein riesiges Potenzial, aber noch keine große Lobby. (Foto: UNIDO)

Klimagipfel in Glasgow, Anfang November 2021: 19 Länder, darunter Großbritannien und die USA, einigen sich darauf, die Finanzierung der fossilen Energien im Ausland zu beenden. Ende 2022 soll damit Schluss damit sein, Projekten Geld zu geben, die Kohle, Öl oder Gas nutzen.

Einige Glasgower Novembertage später tritt auch Deutschland der Initiative bei – in der damals noch amtierenden Groko hat es ein wenig Hickhack gegeben – und heimst selbst für die überfällige Einsicht noch Lob ein.

An das Geldhahn-zu-Versprechen erinnert am Montag die ugandische Klimaaktivistin Vanessa Nakate bei einem Medientermin. Auf dem Glasgower Gipfel hätten sechs G7‑Länder die Verpflichtung unterschrieben, so Nakate, seit letztem Monat sei auch Japan als siebentes Land mit an Bord.

Was aber passiere? Deutschland biete sich nun in Senegal für Investitionen in die Erdgas-Infrastruktur an, kritisiert Nakate.

Bei seiner kürzlichen Afrikakreise bot Bundeskanzler Olaf Scholz dem westafrikanischen Land eine Zusammenarbeit bei der Gasförderung an. Ab Herbst 2023 will Senegal flüssiges Erdgas exportieren, auch nach Deutschland.

Für Nakate ist das deutsche Angebot eine "falsche" und "egoistische" Entscheidung. "Investitionen in fossile Brennstoffe sind nicht das, was die Menschen in Afrika brauchen", sagt sie. Die Förderung fossiler Brennstoffe in afrikanischen Ländern führe dort zu Menschenrechtsverletzungen, Gewalt und Armut.

Europa und Afrika, betont die Aktivistin, bräuchten beide massive Investitionen in die erneuerbaren Energien. Diese seien nicht nur klimaneutral, sondern auch billiger und zuverlässiger als Erdgas.

Derzeit gingen nur zwei Prozent der weltweiten Erneuerbaren-Investitionen nach Afrika, rechnet Nakate vor. Der Kontinent verfüge aber über fast 40 Prozent des weltweiten Erneuerbaren-Potenzials. Ihr Schluss: Afrikanische Länder brauchen private und öffentliche Investitionen aus dem globalen Norden für ihre Energiewende.

Afrika soll nicht die Fehler Europas machen

Bestätigt wird Nakates Sicht durch den ebenfalls am Montag veröffentlichten Africa Energy Outlook 2022 der Internationalen Energieagentur IEA. Laut dem Bericht beherbergt Afrika zwar 60 Prozent der weltweit besten Solarressourcen, verfügt aber bisher nur über ein Prozent der globalen Photovoltaik-Kapazität.

In vielen Teilen Afrikas ist Solarenergie bereits die billigste Energiequelle, stellt der Report fest. Bei nachhaltigem Ausbau könnten über 80 Prozent der bis 2030 neu installierten Stromerzeugung Afrikas auf Erneuerbaren beruhen, darunter Sonne, Wind, Wasserkraft und Erdwärme.

"Afrika hat von der auf fossilen Brennstoffen basierenden Wirtschaft am wenigsten profitiert und die größten Nachteile erlitten, wie die aktuelle Energiekrise zeigt", betonte IEA-Chef Fatih Birol. Laut dem Report gibt es in Afrika heute sogar 25 Millionen mehr Menschen ohne Strom als vor der Pandemie.

Oberste Priorität müsse deswegen haben, allen Afrikanern moderne und erschwingliche Energie zur Verfügung zu stellen, forderte der IEA-Chef. Dies sei möglich bei jährlichen Investitionen von 25 Milliarden US-Dollar bis Ende des Jahrzehnts. Die Summe entspreche dem Betrag, der für den Bau eines einzigen neuen LNG-Terminals benötigt wird.

Und wenn in Afrika schon Erdgas gefördert wird, dann sollte der Brennstoff nach Ansicht der IEA für die Industrialisierung des Kontinents reserviert bleiben. Die in Afrika vorhandenen Ressourcen könnten bis 2030 zusätzlich rund 90 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr liefern. Das sei von großer Bedeutung für die einheimische Düngemittel-, Stahl- und Zementindustrie sowie die Meerwasserentsalzung.

Die gesamten CO2-Emissionen aus der Nutzung dieser Gasressourcen würden sich dabei laut dem Report in den kommenden 30 Jahren auf etwa zehn Milliarden Tonnen belaufen. Auch dann läge der Anteil Afrikas an den weltweiten Emissionen seit Beginn der Industrialisierung lediglich bei 3,5 Prozent.

Wohlhabende Staaten in der Pflicht

Für Andreas Kuhlmann, Chef der bundeseigenen Deutschen Energieagentur (Dena), zeigt der neue African Energy Outlook, wie erschreckend langsam die Energiewende in Afrika vorankommt. "In allen Ländern Afrikas zusammen stehen heute insgesamt so viele Onshore-Wind- und Solaranlagen, wie Deutschland sie bald in einem einzigen Jahr installieren will", sagte Kuhlmann. Für ihn ist die Eine-Million-Megawatt-Solarvision für den Kontinent, die auch in deutschen Debatten immer wieder aufgerufen werde, eine "Schimäre".

Seiner Ansicht nach muss die Staatengemeinschaft Afrika deutlich stärker beim Aufbau einer nachhaltigen Energiewirtschaft unterstützen. Zurzeit konzentriere sich das Engagement europäischer Länder und der Weltgemeinschaft stärker auf die sehr begehrten fossilen Energieträger, beobachtet auch der Dena-Chef. "Das ist eine sehr bedenkliche Situation. Wenn wir die Pariser Klimaziele ernsthaft erreichen wollen, dann müssen wir einen spektakulären disruptiven Wandel der globalen Energiewirtschaft organisieren."

Dass die Finanzierung fossiler Projekte im Ausland aller Wahrscheinlichkeit nach nicht beendet, sondern noch angeheizt wird, stellt für Klimaaktivistin Nakate nicht das einzige Versagen der G7 dar. Sie erinnert auch an die Zusagen der Industriestaaten, ärmeren Länder bei der Bewältigung von Verlusten und Schäden durch den Klimawandel zu helfen.

"Afrika ist für wenige Prozent der globalen historischen CO2-Emissionen verantwortlich – wegen einer furchtbaren Dürre sind derzeit allein am Horn von Afrika 18 Millionen Menschen auf der Flucht", umreißt Nakate die unverändert ungerechte Lage. In vielen Regionen übersteige das Tempo der Klimakrise die Möglichkeiten zur Anpassung.

Von den leeren Versprechungen der Staats- und Regierungschefs zum Umgang mit den Klimaschäden habe man genug, erklärt Nakate. Die G7‑Staaten müssten dafür sorgen, dass beim kommenden Klimagipfel in Sharm el-Sheikh zum Ausgleich für die Schäden und Verluste "Geld auf den Tisch" gelegt wird. Und Deutschland müsse seinen derzeitigen G7‑Vorsitz nutzen, um dafür einen Weg aufzuzeigen.

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