Andreas Knie (Bild: WZB)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung.

Klimareporter°: Herr Knie, die Deutsche Bahn kommt nicht aus den Schlagzeilen. Erst ruiniert sie angeblich Deutschlands Ruf als Techniknation während der Fußball-Europameisterschaft. Jetzt zeigen interne Chats, dass auch viele Beschäftigte wütend und frustriert sind über den schlechten Service, den das Unternehmen bietet. Wäre der Rücktritt des Bahnvorstands eine Lösung?

Andreas Knie: Das Problem Nummer eins ist: Die Menschen, die innerhalb und außerhalb der Bahn die Politik bestimmen, fahren fast alle mit dem eigenen Auto und haben sich längst von der Bahn als Basisverkehrsträger verabschiedet. Sie sind nicht wirklich mit den Problemen vertraut und handeln nicht im Interesse der Kunden, weil sie Bahnfahren aus eigenem Erleben kaum kennen.

Problem Nummer zwei: Man möchte die als selbstherrlich und arrogant empfundene Grundhaltung der DB AG bekämpfen – und hat sich dafür das völlig falsche Rezept ausgedacht: die Trennung von Netz und Betrieb.

Die Schiene ist aber keine Autobahn, sondern ein geschlossenes System, das dringend wieder zusammengehört. Der Glaube an die ökonomische Wettbewerbsdynamik hat die Bahn zerstört, aus der dringend notwendigen integrierten Systemführung wurde eine völlig zerfledderte Bahn, die ganz unterschiedlichen und teilweise konkurrierenden Logiken folgt.

Problem Nummer drei: Das ganze Elend wird nur durch die Menschen vor Ort mühsam zusammengehalten, die gegenüber den Kunden eine Bahn simulieren müssen, die es längst nicht mehr gibt, weil sie zerfallen und kaputt ist. Das führt verständlicherweise zu jeder Menge Frust.

Die Antriebswende ist nicht alles bei der Wende zu einem klimaverträglichen Verkehrssystem. Wenn E‑Autos aber zu Ladenhütern werden, kommt nicht einmal der Abschied von den fossilen Treibstoffen voran. Wie kann die E‑Mobilität wieder attraktiver werden?

Solange Automobile mit Verbrennungsmotoren noch besonders gefördert werden und die Nutzung von den in der Anschaffung teureren E‑Autos keine Vorteile bringt, tut sich nichts.

Den Verbrennungsmotorfahrzeugen müssen die Privilegien genommen werden, das heißt: Für Diesel- und Benzinautos gibt es keine steuerlichen Erleichterungen bei der Entfernungspauschale sowie bei der Nutzung als Dienstwagen mehr. Die Dieselsubventionierung wird ebenfalls komplett gestrichen.

Mit wenigen Federstrichen würde man so die Attraktivität von E‑Autos stärken können. Allerdings bräuchte es dafür den politischen Willen, den auch diese Koalition nicht hat.

Ein Drittel der globalen Schifffahrtskapazität dient dem Transport fossiler Energien. Spezialschiffe wie Öl- und Gastanker lassen aber sich schwer umnutzen. Sinkt die Nachfrage nach Öl und Gas, wird ein Großteil der Tanker wertlos. Ähnliches gilt für fossile Pipelines oder für Tankstellen. Wie kann die absehbare Entwertung der fossilen Transport-Infrastruktur bewältigt werden?

Die Weltwirtschaft erlebt immer wieder Brüche und Transformationen. Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass bestimmte Infrastrukturen irgendwann nicht mehr gebraucht werden.

Die Reduktion der Tankerflotte erfolgt ja auch nicht über Nacht, sondern schrittweise, und selbstverständlich lassen sich auch Tankschiffe umbauen. Bei den Pipelines wird es sicherlich mit anderen Verwendungen schwieriger, aber auch hier gibt es Vorbilder. Die Rohrpost wurde auch irgendwann einmal stillgelegt.

Der Wandel trifft alle, gut beraten sind die, die sich hierauf einstellen und nicht immer wieder versuchen, Überkommenes künstlich und mit viel Geld am Leben zu halten.

 

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Seit dieser Woche kennen wir den Text der neuen Straßenverkehrsordnung. Bislang konnten Kommunen verkehrsrechtliche Eingriffe nur dann vornehmen, wenn schon Menschen gestorben waren. Oberstes Prinzip der StVO war zudem immer, den Autoverkehr schön flüssig und möglichst ungestört zu lassen – Stichwort "Leichtigkeit". Das kann sich nun ändern.

Neben Klimaschutz und städtebaulichen Belangen kann mehr Platz fürs Fahrrad und für den Fußverkehr geschaffen werden, die Kommunen dürfen eine aktive Parkraumbewirtschaftung betreiben, bekommen sogar Fahrspuren zum Experimentieren und können erstmals proaktiv das Thema Sicherheit in die Verkehrsraumgestaltung einführen.

Die Hinweise sind noch etwas versteckt, aber einmal konsistent zusammengefasst könnten sie zu einem Neustart kommunaler Verkehrspolitik beitragen. Unter der Leitidee, einen sicheren und guten Verkehr für alle zu schaffen, können Kommunen Dinge tun, die bisher nicht erlaubt waren.

Fragen: Jörg Staude