Deutschland verfügt über das dichteste Autobahnnetz Europas. Trotzdem will der Bund 850 Kilometer neue Autobahnen bauen und die Bundesstraßen um 2.000 Kilometer erweitern, während gleichzeitig Geld für die Erneuerung der auf Verschleiß gefahrenen vorhandenen Verkehrswege und den Ausbau der Bahn fehlt.

Angesichts der aktuellen Beratungen über Einsparungen im Bundeshaushalt 2025 verlangt ein breites Bündnis jetzt, Prioritäten zu setzen. Das Bundesverkehrsministerium von Volker Wissing (FDP) soll Neubauprojekte im Umfang von 20 Milliarden Euro streichen und das Geld in die Straßensanierung und den Ausbau der Schiene investieren, fordern die Gewerkschaft Verdi, der Autoclub ACE, der Umweltverband BUND und die zivilgesellschaftliche Klima-Allianz.

Das Bündnis wirft der Ampel-Bundesregierung vor, mit der Weiterverfolgung des "Bundesverkehrswegeplans 2030", in dem die Ausbaupläne für Autobahnen und Bundesstraßen stehen, Steuergeld für in Wahrheit unwirtschaftliche Projekte zu verschleudern.

Budget wird laut Studie um 40 Prozent überzogen

Laut einer aktuellen Analyse des Thinktanks Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) beruhen die positiven Wirtschaftlichkeitsprognosen in dem bereits 2016 verabschiedeten Plan auf veralteten Kostenannahmen. Massive Kostensteigerungen im Verkehrswegebau seither hätten dazu geführt, dass das Gesamtvolumen der geplanten Projekte die dafür zur Verfügung stehenden Mittel um mindestens 40 Prozent übersteige.

 

Darunter litten auch die ohnehin belasteten Länder und Kommunen, die die teuren Planungen finanziell mittragen müssten, heißt es in der FÖS-Analyse. Der Thinktank ist von dem Bündnis mit der Untersuchung beauftragt worden.

Laut FÖS sieht der Bundesverkehrswegeplan insgesamt 133 Milliarden Euro für Straßenprojekte vor, während nur 112 Milliarden Euro für die Schiene bereitgestellt werden. Dies steht im Widerspruch zum Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP, in dem es heißt, die Bundesregierung werde "erheblich mehr in die Schiene als in die Straße investieren".

Außerdem, so die Kurzstudie, seien mit der bisherigen Ampel-Politik weder die Klimaziele im Verkehrssektor noch die von der Ampel geplante massive Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene zu erreichen, darunter die Verdoppelung der Fahrgastzahlen bei der Bahn bis 2030.

Das Bündnis kritisiert, Wissing führe die autozentrierte Politik seiner CSU-Vorgänger fort, statt eine moderne Mobilitätspolitik einzuleiten. Angesichts der angespannten Haushaltslage appellierten die Verbände an den Minister, "die Verschwendung von Steuermitteln" durch den Bau unwirtschaftlicher Straßenprojekte zu stoppen und auf die angekündigten Kürzungen bei der Schiene zu verzichten.

"Das können wir uns schlicht nicht leisten"

Stefan Heimlich, Vorsitzender des Auto Club Europa (ACE), sagte dazu: "Alle Infrastrukturprojekte umzusetzen können wir uns schlicht nicht leisten, dafür fehlen uns Geld und Personal." Wissing müsse die Sanierung von Brücken und Straßen sowie den Schienenausbau priorisieren.

Verdi-Vize Christine Behle ergänzte, der Bundesverkehrswegeplan beruhe auf über zehn Jahre alten Annahmen und müsse dringend überarbeitet werden. Daniel Eggstein von der Klima-Allianz Deutschland forderte von Wissing, "seine Politik den neuen Realitäten – Klimakrise und Haushaltsloch – anzupassen und endlich eine nachhaltige Verkehrspolitik umzusetzen".

BUND-Chef Olaf Bandt unterstrich das: "Während Minister Wissing öffentlich kundtut, es sei nicht genug Geld für die Sanierung der 11.000 maroden Brücken an Autobahnen und Bundesstraßen da, werden weiter teure und naturzerstörerische Autobahnen geplant." Mit Blick auf die Haushaltslage dürfe nicht bei der Schiene gespart werden.

 

Gestützt wird die Kritik an den Straßenbauplänen von einer weiteren, jüngst vom europäischen NGO-Dachverband Transport and Environment (T&E) und der Umweltorganisation Greenpeace vorgelegten Analyse. Danach sind zwei von drei geplanten Autobahnen und Bundesstraßen unwirtschaftlich.

Neben den gestiegenen Baukosten schlage zu Buche, dass die CO2-Kosten des Autoverkehrs vom Bundesverkehrsministerium bei Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans mit 145 Euro pro Tonne angesetzt wurden, während das Umweltbundesamt inzwischen von Langfristschäden in Höhe von 791 Euro pro Tonne ausgeht.

Zudem werde der durch den Straßenbau induzierte Verkehrsanstieg stark unterschätzt, wodurch die daraus resultierenden Kosten vor allem durch steigende CO2-Emissionen unterbelichtet seien.