Stau auf einer Autobahn
Um den Antrieb wird heftig gestritten, ansonsten soll sich wenig ändern beim Verkehr in Deutschland. (Bild: Gerhard Gellinger/​Pixabay)

Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Wer sich mit dem Klima beschäftigt, kann über das Bonmot kaum noch schmunzeln. Derzeit ist der Klimawandel auf der Überholspur.

Aber auch andere Prozesse beschleunigen sich. Wind- und Solarenergie wachsen exponentiell, Stromspeicher boomen und auch E‑Autos, jedenfalls in China. Im Reich der Mitte trägt das inzwischen zu einer Stagnation der CO2-Emissionen bei. 

Derartige "Sprungentwicklungen" scheinen das Bundesumweltministerium nicht zu beeindrucken. Kürzlich legte es einen Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) vor.

Die Quote verlangt von den Mineralöl-Unternehmen, die in Deutschland fossile Kraftstoffe verkaufen, die CO2-Jahresemissionen aus der Verbrennung ihrer Kraftstoffe um einen bestimmten Prozentsatz zu mindern. In diesem Jahr liegt dieser bei 10,6 Prozent.

Den Anteil lässt das Ministerium im Gesetzentwurf ziemlich linear in die Zukunft steigen – von zwölf Prozent 2026 auf 53 Prozent 2040. Dann müssten die Unternehmen – fünf Jahre bevor Deutschland klimaneutral sein will – für die Hälfte ihrer fossilen Kraftstoffverkäufe nachweisen, dass sie deren Emissionen irgendwie einsparen: durch den Einsatz von sogenannten Biokraftstoffen aller Art oder von Wasserstoff oder E‑Fuels oder von Strom in E‑Fahrzeugen.

Braucht es 2040 noch eine THG-Quote?

Zunächst fragt sich aber: Wird so eine Quote 2040 überhaupt noch gebraucht? Wie viele fossile Kraftstoffe werden in 15 Jahren in Deutschland noch eingesetzt?

Die jüngste Verkehrsprognose des Bundesverkehrsministeriums geht davon aus, dass 2040 nur noch knapp 30 Prozent des deutschen Pkw-Bestands mit Diesel oder Benzin fahren. Verglichen mit heute soll die Gesamtzahl der Autos noch zunehmen, die einzelne Fahrleistung bleibt aber in etwa gleich.

Ob das so kommt, ist weitgehend unklar. 2027 soll der europäische Emissionshandel für Gebäude und Verkehr in Kraft treten. Wie hoch dann der CO2-Preis auf fossile Kraftstoffe sein wird und wie sich das auf deren Verbrauch auswirkt, weiß niemand genau. Auch die Wirkung des noch geltenden EU-Verbrennerverbots ab 2035 ist derzeit nicht zu prognostizieren.

Zudem ist der Weg der CO2-Reduktion über die THG-Quote nicht sehr klimaeffizient. Um die angestrebten 53 Prozent Minderung zu erreichen, muss der Anteil der erneuerbaren Energien im Verkehr auf 77 Prozent steigen, gibt das Umweltministerium in der Vorlage an.

Betrug mit "fortschrittlichen Biokraftstoffen" soll gestoppt werden

Der deutliche höhere Prozentsatz zeigt, dass viele Erfüllungsoptionen der THG-Quote wie Biokraftstoffe nicht klimaneutral sind, sondern selbst CO2-Emissionen verursachen. Die müssen dann zusätzlich eingespart werden – mit noch mehr Quotenerfüllern.

Trotz der Probleme hält die Erneuerbaren-Branche das Beibehalten der THG-Quote auf lange Sicht für erforderlich. Das Verbrennerverbot sei wichtig, es brauche aber alle Anstrengungen, um im Verkehrsbereich überhaupt etwas zu erreichen, betont Sandra Rostek vom Hauptstadtbüro Bioenergie.

Wichtig sind der Branche vor allem die kurzfristigen Wirkungen des Gesetzentwurfs. So soll der Einsatz sogenannter fortschrittlicher Biokraftstoffe nicht mehr doppelt auf die THG-Quote angerechnet werden.

Zum einen gibt es Zweifel, ob es wirklich nachhaltig ist, Biomasse wie Stroh, Gülle oder Algen in Kraftstoffe umzuwandeln. Zum anderen entfällt mit der Doppelanrechnung auch der wichtigste Anreiz, solche Kraftstoffe aus besonders zweifelhaften Quellen wie Palmöl zu gewinnen und damit den Markt in Europa zu überschwemmen.

Ohne Vor-Ort-Kontrollen keine Anrechnung auf die Quote

Um hier letzte Schlupflöcher zu stopfen, schließt der Gesetzentwurf Biokraftstoffe aus Sojaöl sowie aus Nebenprodukten der Palmölproduktion ab 2026 aus der THG-Quote generell aus.

Das Ministerium macht sich auch die Forderung der Branche nach Vor-Ort-Kontrollen zu eigen. Biokraftstoffe, Wasserstoff oder E‑Fuels, bei deren Produktion Vor-Ort-Kontrollen durch EU-Behörden nicht möglich sind, werden von allen Quoten und Unterquoten ausgeschlossen, stellt die Gesetzvorlage klar.

Die Initiative Klimabetrug Stoppen, ein Netzwerk von Bioenergie- und Wasserstofferzeugern, von E‑Mobility-Anbietern und THG-Quoten-Händlern, begrüßte den Gesetzentwurf denn auch grundsätzlich. Die Einführung von Vor-Ort-Kontrollen sei "ein hart erkämpfter Sieg für Transparenz und die Integrität des THG-Quotenhandels", sagte Sprecher Stefan Schreiber. "Betrügern muss konsequent das Handwerk gelegt werden, um das Vertrauen in unsere Klimaschutzinstrumente zu stärken."

Nach dem Willen des Ministeriums soll künftig auch der Einsatz sogenannter Energiepflanzen wie Mais oder Weizen weiter sinken, er wird aber nicht verboten. Künftig soll die THG-Quote auch für alle Verkehrsbereiche gelten, wo fossile Kraftstoffe zum Einsatz kommen, jedenfalls zu Land und Wasser. Ausgenommen bleibt der Luftverkehr, hier verweist der Gesetzentwurf auf europäische Regeln.

Einsatz von Strom wird am stärksten unterstützt

Weiterhin am stärksten über die THG-Quote gefördert wird der Einsatz von Strom im Verkehr. Seine Nutzung wird bis 2031 dreifach auf die Quote angerechnet. Erst ab 2035 soll eine einfache Anrechnung gelten.

Die Förderung von E‑Fuels und grünem Wasserstoff hält der Gesetzentwurf dagegen eher kurz. Die beiden Optionen werden im Branchensprech inzwischen unter dem Begriff RFNBO geführt. Das steht für "Renewable Fuels of Non-Biological Origin", erneuerbare Kraftstoffe nicht-biologischen Ursprungs.

Für RFNBO schlägt das Ministerium ab 2026 eine Unterquote von 0,1 Prozent vor. 2040 sollen es dann zwölf Prozent sein.

Ob das im Vergleich zum Direkteinsatz von Strom ausreicht, um die viel teureren RFNBOs auf dem Markt zu etablieren, bezweifelt der Branchenverband En2x. Die Einschränkung möglicher Rohstoffoptionen aus der Sorge vor möglichem Betrug führe nicht zu verlässlicheren Zertifizierungssystemen, teilt der Lobbyverband der deutschen Mineralölwirtschaft mit. Standortnachteile würden so erhalten bleiben – mit der absehbaren Folge, dass Investitionen in Raffinerien eher in Nachbarländern erfolgen würden.

 

Für die Arbeit am Gesetzentwurf ist noch viel Zeit. Erst für den kommenden Oktober ist ein Kabinettsbeschluss geplant und für Mitte Dezember die Verabschiedung im Bundestag. Dann könnten die neuen Regeln ab Anfang 2026 gelten.

Da scharren die Bioenergie-Verbände mit den Füßen. Solange es keine Vor-Ort-Kontrollen gebe, könne weiterhin gefälschte Ware gekauft und in Verkehr gebracht werden, sagen sie.

Diese Prognose zu stellen, ist allerdings nicht schwierig.

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