Was haben Heinz Rühmann, Herbert von Karajan und Franz Josef Strauß gemeinsam? Sie hatten alle eine Fluglizenz. Rühmann lernte die Fliegerei bei Eduard von Schleich, einem "Jagdfliegerass" aus dem Ersten Weltkrieg, der sich später der SS zur Verfügung stellte. In dem als harmlose Komödie getarnten NS-Propagandafilm "Quax der Bruchpilot" flog Rühmann selbst, auch die waghalsigen Kunstflugeinlagen.
Auch dem Privatpiloten Franz Josef Strauß wurde, wie in der Politik, eine gewisse Waghalsigkeit nachgesagt. Einmal landete er seine Maschine mit fast leerem Tank auf dem eigentlich wegen Schneetreibens geschlossenen Moskauer Flughafen Scheremetjewo. Mit an Bord war die gesamte CSU-Führung. Wenn "FJS" eine Bruchlandung hingelegt hätte, wäre die Geschichte anders verlaufen und Andreas Scheuer heute womöglich nicht Verkehrsminister.
Rühmann, Strauß und vielleicht sogar Karajan nehme ich noch ab, dass sie eine echte Leidenschaft fürs Fliegen empfanden. Im Gegensatz zu Leuten wie einer gewissen Jessica Mah, Softwareunternehmerin aus Kalifornien, die der Süddeutschen Zeitung zufolge mit 29 Jahren den Flugschein machte und jetzt im Privatjet zu ihren Meetings düst oder zu ihren bevorzugten Urlaubszielen: Las Vegas, Lake Tahoe und eine Pazifikinsel namens Santa Catalina.
"Wenn ich allein im Flugzeug sitze, dann denke ich: Ich habe es geschafft. Ich bin noch keine 30 Jahre alt und fliege meinen eigenen Jet. Ich bin also keine Versagerin", wird die Jungunternehmerin zitiert. Mein Haus, mein Auto, mein Boot? Das war einmal. Heute heißt es: Mein Luxusapartment, mein Flieger, mein E-Scooter. Und dabei ist das Zeitalter der Lufttaxis noch gar nicht angebrochen.
Bei Managern, die es geschafft zu haben meinten, war bislang der regelmäßig absolvierte Marathonlauf Ausweis von Härte und Erfolg. Jetzt ist der selbst geflogene Privatjet das ultimative Statussymbol.
Ganz billig ist der Spaß nicht und über Klimafreundlichkeit lässt sich streiten, auch wenn viele der neuen Jetsetter, dem grünen Trend entsprechend, kein Auto besitzen und oft nicht mal einen Führerschein. "Es ist schon ein bisschen verrückt, dreimal in einem Monat nach Las Vegas zu fliegen – es ist aber auch so ziemlich der einzige Luxus, den ich mir gönne."
Wieder nichts mit nachhaltiger Mobilität
Derweil drängen sich Normalos wie wir weiter auf den überfüllten Straßen. Und gefühlt jede Woche kommt ein neues Verkehrsmittel dazu, zuletzt die E-Scooter. Als der Hype einsetzte und Herr Scheuer die Roller überfallartig genehmigte, um nicht noch mehr Stimmen ökologisch bewegter Großstädter an die Grünen zu verlieren, schwante mir schon, dass es wieder nichts wird mit der nachhaltigen Mobilität.
Und, sieh da: Der Bund Naturschutz in München hat in einer Befragung herausgefunden, dass die Roller für die meisten Leute nur Spaßgefährte sind und null beitragen zur Mobilitätswende. Dafür spricht auch, dass immer mehr Rollerfahrer in stark alkoholisiertem Zustand von der Polizei aus dem Verkehr gezogen werden.
- Zunächst sind die Scooter nicht besonders langlebig, fanden die Umweltschützer heraus. Sie müssten teilweise schon nach ein paar Monaten ersetzt werden.
- Die meisten Roller werden mit Dieselautos zum Laden eingesammelt und hernach wieder ausgefahren, ein umweltfreundliches Flottenmanagement gibt es bislang nur ansatzweise.
- Die Mehrzahl der Nutzer fährt mit ihnen zur Gaudi durch die Gegend und nicht, um etwa umweltfreundlich(er) zum Arbeitsplatz oder in die Schule zu kommen. Man kann sogar davon ausgehen, dass viele, die früher zu Fuß gegangen wären, jetzt e-rollern und den Ressourcenverbrauch weiter anheizen.
So war es ja bislang mit fast allen Öko-Versprechungen des Internet- und Handyzeitalters. Das Internet, so hieß es einmal, würde das Leben entmaterialisieren und den Ressourcenverbrauch dramatisch senken. Pustekuchen. So viel wie heute wurde noch nie gekauft, zurückgegeben und durch die Gegend gekarrt, weswegen das Aufkommen an Verpackungsmüll immer neue Rekorde erreicht.
Fürs Gewissen den E-Zweitwagen
Auch das stationsungebundene Carsharing, von dem man sich vor Aufkommen der Roller die Lösung der innerstädtischen Verkehrsprobleme erhoffte, ist nicht viel mehr als Werbung für die Autohersteller und Einstiegsdroge für junge Leute, die sich, wenn sie einen gutbezahlten Job und eine Familie haben, wie eh und je ein Auto leisten.
Und dass es mit der ach so gepriesenen und von der Bundesregierung mit Millionenbeträgen geförderten Elektromobilität anders läuft, bezweifle ich. Die Menschen werden sich, wenn überhaupt, ein E-Auto für die Stadt zulegen, wo man ja den Mobilitätswendern zufolge gar nicht mehr fahren soll. Und für Überlandfahrten gönnt man sich, solange es irgendwie geht, ein "richtiges" Auto mit Verbrennungsmotor.
Georg Etscheit
lebt als Autor und Journalist in München – und regt sich leidenschaftlich gern über die kleinen und großen Stressmomente des Alltags auf.
Die, die es sich leisten können, werden sich also nicht ein, sondern zwei oder noch mehr Fahrzeuge zulegen, eins fürs gute Gewissen, ein anderes zum Fahren, ein drittes zum Angeben. Nebst E-Bike und Lastenfahrrad.
Vielleicht kommt Rettung ja wieder in Gestalt von Elon Musk. Der Tesla-Unternehmer hat angekündigt, er werde in ein paar Jahren ein elektrisches Flugzeug vorstellen. Auf ein Neues!