"Mit dem heutigen Tag geht es richtig los", kommentierte Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) den schwarz-roten Haushaltsbeschluss letzte Woche. "Wir beenden den Sanierungsstau in der Verkehrsinfrastruktur."

Das wäre auch bitter nötig, wie einstürzende Brücken, ein marodes Schienennetz und die verschleppte Verkehrswende zweifelsfrei belegen.

 

Stolze 166 Milliarden Euro kann Schnieder bis 2029 in die Verkehrsinfrastruktur investieren. Der Großteil davon stammt aus dem neu geschaffenen "Sondervermögen Infrastruktur", wird also über Schulden finanziert.

Gegenüber den vier Jahren Ampelregierung wachsen die Verkehrsinvestitionen damit laut Ministerium um etwa 60 Prozent.

Auch die geplante Aufteilung der 166 Milliarden wirkt auf den ersten Blick überraschend progressiv. Besonders die Bahninfrastruktur profitiert mit 107 Milliarden Euro von der Finanzspritze. 52 Milliarden kommen der Straße und sieben Milliarden den Wasserstraßen zugute.

Den Fokus legt Schnieder dabei nach eigener Aussage vor allem auf drei Baustellen: Das Schienennetz und die marode Brückeninfrastruktur sollen saniert und die Bahn digitalisiert werden.

Das hört sich auch klimapolitisch gut an, greift aber laut einer vergangenen Woche veröffentlichten Analyse des europäischen Verkehrsdachverbands Transport & Environment (T&E) zu kurz. Für den Aus- und Neubau von Autobahnen sehe die Planung des Verkehrsministeriums allein für dieses Jahr immer noch die viel zu hohe Summe von 1,9 Milliarden Euro vor, kritisiert T&E.

"Wir haben keinen Cent für Neubau übrig"

Dazu kommen erstmals weitere 900 Millionen aus dem Verteidigungshaushalt. Insgesamt greift das Verteidigungsministerium dem Verkehrsminister über die nächsten Jahre mit rund acht Milliarden Euro unter die Arme – für Straßen und Schienen, die als verteidigungsrelevant gelten.

Damit steigen die Ausgaben für den Autobahn-Neubau laut T&E gegenüber dem Vorjahr an. Investitionen in den Straßenerhalt würden hingegen im Wesentlichen stagnieren.

Über 1.300 Kilometer Bahnstrecken sind chronisch überlastet, 76 Prozent mehr als 2018. (Bild: Karin Mata/Pixabay)

"Fälle wie der Einsturz der Dresdner Carolabrücke oder die plötzlich bröckelnde Berliner A100-Brücke sind anscheinend nicht Weckruf genug für die Bundesregierung", sagte T&E-Analyst Benedikt Heyl.

Von den knapp 4.500 maroden Autobahnbrücken könnte mit den vorgelegten Plänen gerade mal jede fünfte saniert werden. Die 1.500 Brücken entlang der Bundesstraßen blieben ebenso unbeachtet wie viele weitere Brücken in den Kommunen.

Bei der Anzahl sanierungsbedürftiger Brücken gehen die Meinungen ohnehin auseinander. Vergangenes Jahr errechnete der Umweltverband BUND, dass nicht 4.500, sondern über 8.000 Autobahnbrücken saniert oder ersetzt werden müssten.

Auch für Heyl sprechen die Zahlen eine klare Sprache. Deutschlands Infrastruktur sei so marode, dass "wir keinen Cent für Neubau übrig haben".

Investitionsquote de facto nicht erfüllt 

Einige Etatposten lagert das Verkehrsministerium in das Sondervermögen aus. Dazu gehören alle Mittel, die der Bund in den Erhalt des Schienennetzes steckt, ebenso die Digitalisierung der Schiene.

Blendet man das Sondervermögen aus, schrumpft der Verkehrsetat im Vergleich zum Haushaltsentwurf der Ampel für 2025 deshalb von knapp 47 Milliarden auf gut 38 Milliarden.

Tatsächlich verfehlt der Verkehrsetat damit de facto auch das wichtige Kriterium der Zusätzlichkeit: Nur dann, wenn die Investitionen aus dem Infrastruktur-Sondervermögen zusätzlich sind, werden sie von der Schuldenbremse ausgenommen.

Das Kriterium gilt als erfüllt, wenn mindestens zehn Prozent der Investitionen vom Kernhaushalt abgedeckt werden. Durch die ausgelagerten Investitionen liegt die Investitionsquote aber nur bei 9,8 Prozent.

Zum Glück für das Verkehrsministerium ist das Regelwerk nicht ganz so streng und rundet auf ganze Prozentpunkte auf.

Ein weiterer Finanztopf ist der Klima- und Transformationsfonds (KTF). Hier schrumpfen die Investitionen im Vergleich zum Vorjahr von 4,2 Milliarden auf 3,5 Milliarden Euro.

Damit soll vorwiegend die Tank- und Ladeinfrastruktur für alternative Kraftstoffe und Elektroautos ausgebaut werden. Ein Förderprogramm zur Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen fällt hingegen weg.

Auch einen sozial gerechten Ausgleich des Emissionshandels suche man vergeblich, kritisiert T&E. Und statt die Kaufprämie für E‑Autos nach Einkommen zu staffeln, schaffe das Verkehrsministerium sie kurzerhand ganz ab.

"Wir müssen uns an noch mehr Baustellen gewöhnen" 

Die Mehrinvestitionen in die Schiene werden hingegen von vielen Umweltorganisationen begrüßt, auch von T&E. Allerdings müsse der Bund dieses Investitionsniveau für die nächsten zehn Jahre aufrechterhalten.

Auch die acht großen Eisenbahnverbände in Deutschland loben den Haushaltsentwurf. Das könne aber nur der Anfang sein, teilen sie in einer gemeinsamen Stellungnahme mit.

Die bestehende Schieneninfrastruktur zu erhalten, reiche allein nicht aus, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege. Dies müsse zwar Priorität haben, aber der Neu- und Ausbau müsse "parallel mitlaufen".

Für eine verlässliche und langfristige Finanzierung schlagen die Eisenbahnverbände einen Eisenbahninfrastrukturfonds vor. Mindestens 320 Milliarden Euro seien für das Schienennetz innerhalb der nächsten zwölf Jahre nötig.

 

Eine langfristige Planung fordert auch die Deutsche Bahn. Diese hatte außerdem angekündigt, in diesem Jahr rund 100 Bahnhöfe zu modernisieren. Wegeleitung und Zuginformationen sollen in diesen sogenannten "Zukunftsbahnhöfen" verbessert und Barrieren abgebaut werden.

Trotz der Rekordsummen für sein Ressort bremst Schnieder die Erwartungen. Jetzt stehe erstmal die Erhaltung im Vordergrund. "Wir alle werden uns an noch mehr Baustellen gewöhnen müssen, um die Verkehrsinfrastruktur auf Vordermann zu bringen."

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