Im Kino von Moulins, einem Städtchen im zentralfranzösischen Département Allier, läuft die Neuverfilmung des Bestsellers "Der Graf von Monte Christo", im Foyer reihen sich schon die Gläser für den Wein aus der Region aneinander. Aber im salle 1 kommen Ende September etwa 150 Leute nicht für ein Filmerlebnis zusammen.
An dem Abend in Moulins präsentiert die CNDP, die "Nationale Kommission für öffentliche Debatten" das Ergebnis der lokalen Diskussionen über eines der größten Lithiumprojekte Europas.
Auf 172 Seiten hat die Kommission die Meinungen der Anwohner zusammengefasst, die zuvor auf Infoveranstaltungen, in Workshops und Schulen monatelang über den geplanten Abbau von Lithium in der Region debattiert haben. Der Bericht enthält auch mehr als zwei Dutzend Forderungen zu dem Bergbauvorhaben. Die hinter dem Projekt stehenden Unternehmen und die Regierung in Paris müssen darauf bis Ende des Jahres reagieren.
"Der Staat hat seine Entscheidung ja schon getroffen. Egal, was wir sagen, sie wollen es trotzdem machen", kritisiert Bruno, ein Anwohner, in dessen Umgebung eine Umwandlungsanlage zur Lithiumgewinnung geplant wird. Seinen Nachnamen will er lieber nicht nennen.
"Wir brauchen Lithium für den grünen Wandel"
In das Département im Herzen Frankreichs setzt Präsident Emmanuel Macron seine Hoffnung auf einen Lithium-Boom. Denn der kritische Rohstoff, der in den Batterien von Elektroautos verbaut wird, ist ein wichtiger Pfeiler für die Antriebswende weg vom Verbrennungsmotor.
Und weil die französische Bergbaukonzern Imerys etwa eine Milliarde Euro für das Projekt vor Ort einplant, erträumen sich manche von der Investition nicht weniger als eine relance minière – die Wiederbelebung des Bergbaus.
Gleichzeitig könnte Frankreich damit auch zu den europäischen Zielen beitragen, bei kritischen Rohstoffen unabhängiger von Importen zu werden. Im vergangenen Jahr schätzte die EU-Kommission, dass die Mitgliedsstaaten vor allem für E‑Autos und Energiespeicher bis 2030 zwölfmal mehr Lithium-Batterien benötigen. Bis dahin soll zumindest ein Teil der kritischen Rohstoffe aus dem europäischen Abbau stammen.
Der Tagebau Beauvoir, in der lange Zeit Kaolin für Porzellan und Fliesen abgebaut wurde, weist laut der französischen Bergbaubehörde die größten Lithium-Vorkommen des Landes auf. Schon 2028 will Imerys nach eigenen Angaben so viel von dem Rohstoff fördern, dass es für die Batterien von mehr als 660.000 Elektroautos reicht. Und das jedes Jahr.
Mit der Investition verspricht der weltweit tätige Bergbaukonzern auch Arbeitsplätze für den grünen Umbau in einer Region, in der viele den Kaolingruben nachtrauern. Die Hoffnung ist deshalb oft größer als die Skepsis.
"Wir sind nicht komplett gegen den Abbau", stellt Anne Babian-Lhermet, eine lokale Abgeordnete für die grüne Partei Les Écologistes, im Gespräch klar. "Wir haben immer gesagt, dass wir Lithium brauchen, um den ökologischen Wandel zu schaffen."
Die Zustimmung für das Projekt sei aber an klare Bedingungen geknüpft.
Denn die Bedenken sind vielfältig und in der Debatte im Kino fordern die Anwohner Studien zu allen möglichen Aspekten – von den Auswirkungen auf den Tourismus über die Gefahr von Erschütterungen bis zur Frage, wie die zum Teil gesundheitsschädlichen Abfälle, die täglich tonnenweise anfallen würden, sicher gelagert werden.
Sorge um das Wasser
Die größte Umweltsorge in der Region gilt jedoch dem Wasser. Um die Materialien durch Rohre zu transportieren und sie zu verarbeiten, veranschlagt Imerys einen Wasserverbrauch von 1,2 Millionen Kubikmetern pro Jahr, von denen ein großer Teil aus den lokalen Flüssen stammen soll.
In der landwirtschaftlich geprägten Region gilt das als besonders kritisch – und Anwohner fürchten, dass das Wasser mit steigenden Temperaturen ohnehin knapper wird. Auch sorgen sich viele, dass bei den Prozessen Chemikalien ins Trinkwasser gelangen könnten.
Auf Anfrage heißt es von Imerys nur sehr allgemein: "Das gemeinsame Ziel aller ist klar: die Herausforderungen des ökologischen Wandels von morgen auf verantwortungsvollste und vorbildlichste Weise zu bewältigen."
Der Bergbaukonzern sichert zu, die Empfehlungen des Berichts genau in Augenschein nehmen. Zwar muss das Unternehmen darauf innerhalb von drei Monaten reagieren, folgen muss Imerys den Empfehlungen aber nicht unbedingt.
Den Anwohnern ist bewusst: Das Projekt wird sie weit über die 25 Jahre hinaus beschäftigen, in denen das Lithium abgebaut werden soll. Viele wünschen sich deshalb von der Regierung mehr Klarheit und Sicherheit und dass sie sich um die möglichen Nachwirkungen kümmert. Doch aus Paris kommen andere Signale.
Mitten in der Diskussionen überraschte die Zentralregierung im Juli die Region, als sie die geplante Investition zum "Projekt von großem nationalen Interesse" erklärte. Damit sollen Vorhaben schneller durchgewunken werden, die aus Sicht der Gesetzgeber entweder die grüne Transformation vorantreiben oder die nationale Souveränität stärken.
Für Vertrauen sorgt das vor Ort nicht. Am Ende der Veranstaltung im Kino steht ein halbes Dutzend älterer Menschen vor dem Saal und verteilt Flyer eines lokalen Zusammenschlusses aus kapitalismuskritischen Umweltgruppen, einer Gewerkschaft und der linkspopulistischen Partei France insoumise. Überschrieben ist sie in Rot: "Wir wollen diese Mine nicht – weder hier noch anderswo!"
Geht es nach ihnen, folgt die Fortsetzung also noch.