Andreas Knie. (Foto: InnoZ)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Kuratoriums erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung. Sein Steckenpferd ist das Verkehrswesen von morgen.

Klimareporter°: Herr Knie, die Region Berlin-Brandenburg ist ob der angekündigten Milliarden-Investition von Tesla in heller Aufregung. Versprochen sind Tausende neuer Arbeitsplätze in der E-Mobilität. Warum kommt Tesla nach Brandenburg, und ist die Investition ein Beitrag zur Verkehrswende?

Andreas Knie: Allein die Ankündigung, dass Tesla in Brandenburg produzieren und eventuell in Berlin ein Design- und Entwicklungszentrum gründen will, hat die Region schon in neue Schwingungen versetzt. Brandenburgs Ministerpräsident hat sich als Förderer der erneuerbaren Energien und zur nachhaltigen Mobilität sozusagen als Staatsziel für sein Land bekannt. Bislang hat er die deutsche Energieversorgungssicherheit in der Lausitz mit Braunkohle sichern wollen.

Wunderbar, könnte man sagen, und das wird nur leicht eingetrübt, wenn man daran denkt, was alles hätte passieren können und mit wie viel Schwung wir schon längst unterwegs wären, wenn wir vor zehn Jahren mit den heimischen Autobauern und Energiefirmen diesen Weg eingeschlagen hätten.

Es ist wieder einmal Kalifornien, das mit Apple, Google, Amazon und Uber zeigt, was wir Europäer eigentlich wollen, aber uns nicht trauen, selbst zu machen. Tesla ist nur ein weiteres Beispiel für mutiges Handeln. Wir dagegen glauben, dass Innovationen als gerichtsfester und von der Compliance genehmigter Tatbestand in einer Umlaufmappe irgendwann fertig zur Unterschrift auf unserem Schreibtisch liegen.

Beim Klimapaket der Bundesregierung werden immer mehr ziemlich fragwürdige Details bekannt, so soll ein Teil der Einnahmen aus der CO2-Steuer für defizitäre Regionalflughäfen verwendet werden. Ist das Wirtschaftsförderung oder einfach nur makaber?

Regionalflughäfen gelten bis heute als Treiber von Ansiedlungen und als wichtiges Instrument für den Strukturwandel. Dumm ist nur, dass dieses Denken aus den Tiefen der 1950er Jahre stammt und sich schon seit mehreren Jahren als Sackgasse entpuppt: Hahn, Münster/Osnabrück, Paderborn, Erfurt, Kassel, Burbach/Siegerland, die Liste "toter", aber sehr teurer Flughafenruinen ist lang.

Die Welt hat sich geändert, entscheidend sind zukünftig sehr leistungsstarke Drehkreuze, in Deutschland vermutlich nur noch in Frankfurt am Main und in München. Berlin und Hamburg werden Regionalflughäfen. Mehr braucht man dann für den kommerziellen Linienflugbetrieb nicht mehr.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Das Bündnis für moderne Mobilität als größte Enttäuschung. Es ist ein Manifest des Haderns und Zögerns, des Festhalten am Althergebrachten. Der Bundesverkehrsminister hatte die Länder und Kommunen zu einem Gipfel geladen, um endlich die Verkehrswende einzuleiten. Im Ergebnis bleibt alles, wie es ist.

Wir bekommen ein bisschen mehr Geld für Regio- und Nahverkehr, wir debattieren, ob das Anwohnerparkticket mit maximal 30 Euro pro Jahr nicht etwas zu billig ist, wir verteuern das Billigfliegen um einige Cent und senken die Bahnpreise um wenige Euro.

Getreu dem Motto, wer Revolutionen machen möchte, darf nicht den König fragen, will ja keiner wirklich eine Änderung. Uns geht's doch gut und Busse und Bahnen reichen doch als mögliche Alternativen. Dass wir im Nahverkehr mit Fahrkartenschalter, Tarifwaben, Streifenkarten und Linienverkehren noch im frühen 20. Jahrhundert stecken, fällt nicht auf, weil die Chefs der Betriebe alle mit dem Auto unterwegs sind.

Und dieses Auto? Dem lassen wir schön alle Privilegien, und das Traurige ist, das fällt uns gar nicht mehr auf. Oder welches Naturgesetz bestimmt, dass wir private Autos einfach auf öffentlichen Flächen abstellen können?

Fragen: Jörg Staude

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