Meisterwerk oder Milliardengrab? Am Bahnprojekt "S 21", der Verwandlung von "Stuttgart Hbf" in einen U-Bahnhof, scheiden sich die Geister seit 30 Jahren.

Denn so lange ist es her, dass die Deutsche Bahn AG, die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg die Idee zur Tieferlegung des Bahnhofs und für neue Schienentunnel als Züge-Zuführung erstmals vorstellten.

 

Nur wenige, die sich über den Wahnwitz wundern, der da für schlappe elf Milliarden Euro in den Untergrund betoniert wird, wissen, dass S 21 ursprünglich gar kein Bahn-, sondern ein Immobilienprojekt war. Die Stadt wollte das riesige Gleisvorfeld für den Bau eines neuen Wohnviertels freibekommen. Doch das steht nun auf der Kippe.

Warum? Es gibt eine neue Rechtslage, zwar schon seit Herbst letzten Jahres, war bisher aber keinem so richtig aufgefallen.

Konkret: die vom Bundestag beschlossene Änderung des "Allgemeinen Eisenbahngesetzes", betreffend den Verkauf aktuell nicht mehr benötigter Bahnflächen. Die Hürden dafür wurden höher gesetzt. Der Bund will so verhindern, dass Areale, die später vielleicht doch noch gebraucht werden, einfach verscherbelt werden.

Unbebaute Gleisflächen sind nötig

Das ist löblich, Stichwort Verkehrswende. Die Bahn und ihre Fahrgäste leiden heute unter dem jahrzehntelangen Rückbau des Schienennetzes. Viele Trassen wurden verkauft und überbaut, die man heute für Schienen-Reaktivierungen nutzen könnte.

Der Bau des von Stuttgart statt der Gleise geplanten "Rosenstein-Viertels" wackelt nun gewaltig. Und in der Schwaben-Metropole liegen die Nerven blank.

CDU-Oberbürgermeister Frank Nopper ätzte, der Bundestag habe die Gesetzesänderung im "Zustand kollektiver legislativer Verirrung" beschlossen. Und der Chef der "Bauwirtschaft Baden-Württemberg", Thomas Möller, warf den S‑21-Kritikern gar vor, sie opponierten ja nur so unbelehrbar und zäh, weil sie selbst wohl nicht von der grassierenden Wohnungsnot betroffen seien.

Joachim Wille ist Co-Chefredakteur des Online-Magazins Klimareporter°.

Ehrlich, Leute, lasst die Kirche im Dorf. Respektive den (alten) Bahnhof und seine Gleise in der Stadt. In Stuttgart gibt es mehrere andere ungenutzte Industrieareale, die bebaut werden können.

Die bisherige Bahn-Infrastruktur wird gebraucht, um die Fahrgastzahlen bundesweit und so auch im Raum Stuttgart zu verdoppeln, wie von der Bundesregierung bis 2030 geplant. S 21 mit den nur acht Gleisen im Untergrund reicht dafür nicht aus.

Zudem sind die unbebauten Gleisflächen wichtig, um die, siehe Klimawandel, zunehmende Aufheizung in Stuttgarts Zentrum zu bremsen.