Anders als oft in Medien vermittelt oder in öffentlichen Debatten dargestellt, bilden beim Thema Verkehr die Anhänger:innen der verschiedenen Parteien keine "monolithischen Blöcke". Vielmehr gibt es dort jeweils ein breites Spektrum an Einstellungen – das auch genutzt werden kann, um Lösungen für mehr Klimaschutz in der Mobilität zu erreichen.
Anders ausgedrückt: Entlang von Partei-Linien führen beim Verkehr keine klaren Grenzen zur Zustimmung oder Ablehnung politischer Maßnahmen.
Das ist ein Ergebnis einer Online-Befragung im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums, durchgeführt vom Fraunhofer-Institut ISI und dem Beratungsunternehmen M-Five im Oktober und November 2024. Bundesweit wurden dabei etwa 2.100 repräsentativ ausgewählte Personen zu ihren Einstellungen gegenüber verkehrspolitischen Maßnahmen für den Klimaschutz befragt.
Christian Scherf
leitet das Mobilitäts-Team beim Thinktank M-Five in Karlsruhe. Der Techniksoziologe forscht und berät zu neuen Mobilitätsangeboten, Datenanalyse und gesellschaftlichen Effekten des Verkehrs. Er arbeitete zuvor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.
Zu einigen Verkehrs-Maßnahmen wurde auch gefragt, inwieweit die Bürgerinnen und Bürger bereit wären, sich dafür oder dagegen zu engagieren – und auch, in welchem Maße: Durch das Unterschreiben einer Online-Petition oder das Liken oder Teilen von Informationen auf Onlineplattformen? Oder die Wahl einer politischen Partei? Den Eintritt in eine Initiative oder die Teilnahme an einer Demonstration?
Generell haben die Befragten Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr mehrheitlich neutral oder positiv bewertet. Einer großen Akzeptanz erfreuen sich dabei Maßnahmen, die den Wechsel zu Alternativen zum Fahren mit dem konventionellen Auto fördern. Zum Beispiel bewerten 62 Prozent der Befragten den Ausbau von Fahrradstraßen positiv.
Eine besonders hohe Unterstützung in der Bevölkerung genießt das Deutschlandticket. Für dessen Fortsetzung sprechen sich 78 Prozent der Befragten aus, nur sechs Prozent sind dagegen.
Zwei Drittel der Befragten stimmen auch einer angenommenen Preisreduktion des D-Tickets auf 39 Euro für Empfänger:innen von Bürgergeld zu, 17 Prozent sind dagegen. Den Preisnachlass sehen vor allem Befragte aus höheren Einkommensgruppen kritisch.
Pkw-Beschränkung in Städten polarisiert
Auch ein Zuschuss zum Kauf von Elektroautos ("Umweltbonus") findet unter den Befragten eine überdurchschnittliche Zustimmung. Das Tempolimit auf Autobahnen wird ebenfalls stabil von einer Mehrheit unterstützt.
Eine stärkere Ablehnung rufen dagegen regulative Maßnahmen wie etwa städtische Null-Emissions-Zonen oder Tempolimits innerorts hervor. Auch finanzielle Maßnahmen wie höhere Parkgebühren oder eine CO2-bezogene Pkw-Maut finden geringeren Zuspruch. Maßnahmen dieser Art haben sowohl viele Befürworterinnen als auch viele Gegner, nur wenige sind hier neutral.

So ein Befund kann ein Hinweis auf eine gesellschaftliche Polarisierung sein. Besonders Null-Emissions-Zonen polarisieren mit 42 Prozent Ablehnung und 35 Prozent Zustimmung unter den Befragten.
Eine ähnliche Spaltung zeichnet sich – trotz mehrheitlicher Zustimmung – bei einem Tempolimit auf Autobahnen ab. 35 Prozent lehnen diese Maßnahme ab und 53 Prozent befürworten sie. Bei den Befürwortenden wurde auch die Höhe des Tempolimits abgefragt: 85 Prozent wünschen sich als Grenze 130 Kilometer pro Stunde oder weniger.
Stadt-Land-Unterschied hat Gründe
Wie beliebt Formen des Engagements für oder gegen verkehrliche Maßnahmen sind, hängt überwiegend von der Mühe und dem Zeitaufwand ab. So ist das Unterschreiben von Online-Petitionen die in der Regel am meisten genannte Beteiligung über alle abgefragten verkehrspolitischen Maßnahmen hinweg. 33 Prozent der Befragten gaben beispielsweise an, sich so für Fahrradstraßen einsetzen zu wollen.
Die Wahl einer politischen Partei, die sich entsprechend der eigenen Meinung positioniert, und das Liken oder Teilen entsprechender Onlinebeiträge rangieren oftmals dicht gefolgt auf den Plätzen zwei und drei. Zum Eintritt in eine Initiative oder zur Teilnahme an einer Demonstration sind eher weniger Personen bereit.
Josephine Tröger
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe. Dort forscht sie zur Akzeptanz der Energiewende aus psychologischer Perspektive. Zurzeit befasst sie sich mit nachhaltiger Mobilität und leitet unter anderem die Studie "MobilKult".
Kaum überraschend ist unter Anhänger:innen der Grünen die Befürwortung für die meisten Klimaschutzmaßnahmen am höchsten. Ein genauer Blick zeigt allerdings: Parteipräferenz und Akzeptanz für eine politische Maßnahme sind nicht identisch. Am Ende verteilen sich Befürworter und Gegnerinnen für alle Maßnahmen über sämtliche Parteien, wenn auch mit unterschiedlichen Gewichtungen.
Menschen aus städtischen Räumen stimmen dabei insgesamt häufiger den Verkehrs-Maßnahmen zu. Hingegen sind Menschen außerhalb der Städte, wo oft eine höhere Abhängigkeit vom Auto besteht, meist skeptischer eingestellt.
Frauen stimmten stärker einem Tempolimit auf Autobahnen sowie einem Klimageld zu, während Männer strombasierte Kraftstoffe, sogenannte E‑Fuels, positiver bewerten.
Bei manchen Maßnahmen wächst mit dem Alter der Befragten die Zustimmung, so zum Beispiel zum Tempolimit auf Autobahnen. Bei anderen nimmt hingegen die Zustimmung mit dem Alter ab, etwa für eine stärkere Parkraumbepreisung.
Mit steigendem formalem Bildungsgrad nimmt oft auch die Akzeptanz für Klimamaßnahmen zu, jedoch nicht für alle. Eine finanzielle Förderung mit sozialer Komponente findet aber allgemein hohe Zustimmung, wie das kostengünstige "Social Leasing" von E‑Autos für einkommensschwache Haushalte oder ein vergünstigtes Deutschlandticket zum Bürgergeld.
Die Ergebnisse der Studie geben Hinweise darauf, wie verkehrspolitische Maßnahmen so gewählt und ausgestaltet werden können, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt wird. Sich an sozialen Kriterien zu orientieren, ist eine Möglichkeit, gezielt zu fördern und eine Polarisierung zu vermeiden.
Ein anderer Weg besteht darin, die Aktivierungspotenziale – egal ob für oder gegen einzelne Maßnahmen – stärker zu berücksichtigen und sie zu nutzen, um in einen Austausch mit der Bevölkerung zu kommen. So können Bürgerinnen und Bürger frühzeitig einbezogen werden.
Diese Ergebnisse eröffnen insgesamt Möglichkeiten, wichtige verkehrspolitische Vorhaben politisch stärker zu diskutieren und auszuhandeln.
Redaktioneller Hinweis: Die Autor:innen waren an der vorgestellten Befragung beteiligt.