Ein Fahrradgepäckträger mit dem Sticker
So würde es die IEA natürlich niemals ausdrücken. Sie sieht aber die Groß-Pkw als großes Klimaproblem. (Foto: Friederike Meier)

"FCK SUV", "SUV uncool", "Dieses Auto gehört nicht in die Stadt" – mit solchen Slogans und Sprüchen machten Anfang September Öko-Aktivisten mobil gegen die Automesse IAA in Frankfurt am Main. Das Sport Utility Vehicle, diese trendige Mischung aus Limousine und Geländewagen, mutierte dabei zur Zielscheibe des Protests gegen die Autogesellschaft.

Neuerdings können die SUV-Gegner sich auf einen unerwarteten Kronzeugen berufen, die Internationale Energieagentur IEA. Die Organisation kommt in einer neuen Studie zu dem Ergebnis, dass der Verkaufsboom dieser Geländewagen für die Straße alle Fortschritte bei der Emissionsreduzierung im Autoverkehr zunichtemacht.

Die SUV tragen so stärker zum Wachstum der globalen CO2-Emissionen bei als zum Beispiel der Flug- oder der Lkw-Verkehr sowie die Schwerindustrie.

40 Prozent der Neuwagen sind inzwischen SUV

Die Sport-Geländewagen boomen weltweit. Rund 200 Millionen dieser bis zu 2,5 Tonnen schweren, hoch motorisierten Fahrzeuge gibt es inzwischen, rund sechsmal so viele wie 2010. Global sind 40 Prozent der Neuwagen inzwischen SUV, vor zehn Jahren waren es erst 20 Prozent. In den USA, dem weltweit zweitgrößten Automarkt, sind es sogar fast 50 Prozent.

Sehr beliebt sind die großen Pkw auch im größten Markt China, wo sie als Symbol für Wohlhabenheit und Status gelten. Europa liegt mit 33 Prozent etwas unter dem weltweiten Schnitt. In Deutschland machen die SUV und die "echten" Geländewagen zusammen derzeit gut 30 Prozent der Zulassungen aus, sie haben damit das lange Zeit absatzstärkste Segment der Kompaktwagen überholt.

Der Trend zu den Pseudo-Geländewagen frisst laut den IEA-Fachleuten die CO2-Einsparungen mehr als auf, die bei der restlichen Autoflotte durch sparsamere Motoren, andere Effizienzgewinne und den Umstieg auf E-Autos erzielt werden. Die Ursache: Ein SUV verbraucht den Angaben zufolge im Schnitt rund ein Viertel mehr Sprit als ein mittelgroßer normaler Pkw.

Die Energieagentur rechnet vor: Die effizienteren Normal-Pkw haben die globale tägliche Erdöl-Nachfrage seit 2010 durch mehr Effizienz um zwei Millionen Barrel vermindert, die E-Autos um knapp 100.000 Barrel. Die SUV-Flotte aber brachte einen Nachfrage-Anstieg um 3,3 Millionen Barrel.

Unter dem Strich bleibt ein Plus von 1,2 Millionen Barrel am Tag. Wird dieser Trend nicht gestoppt, steigt der Ölverbrauch bei den Pkw bis 2040 um weitere zwei Millionen Barrel, so die IEA-Analyse.

Die SUV-Mode stammt ursprünglich aus den USA und schwappte Ende der 1990er Jahre auch nach Europa und Deutschland, den größten Automarkt in der EU. Heute sind alle namhaften Autobauer in dieser Sparte vertreten. Die großen Autos sind deswegen beliebt, weil sie den Insassen mehr Platz, Sicherheit und durch die hohe Bauform eine bessere Sicht im Verkehr bieten – allerdings zulasten der anderen Verkehrsteilnehmer.

Die SUV verstärkten den generellen Trend zu mehr Gewicht und höherer PS-Zahl bei den Pkw – und der verhindert neben dem Lkw-Transportboom bereits seit Jahrzehnten, dass der Straßenverkehr die von der Bundesregierung beschlossenen Klimaziele einhält.

SUV verhindern Einhaltung der Flotten-Klimaziele

Die SUV sprengen dabei die bisherigen Dimensionen. Zwar legten auch die "normalen" Autos bei Gewicht, Abmessungen und PS-Zahl stark zu – so brachte der Kompaktwagen VW Golf in der ersten Generation von 1974 rund 850 Kilogramm auf die Waage, beim aktuellen Golf 7 sind es im Schnitt 1.400 Kilo.

Die SUV aber liegen weit darüber, deutsche Top-Modelle bringen rund 2,3 bis 2,5 Tonnen auf die Straße. Der Trend zum SUV führte dazu, dass sich die Fahrzeugdaten auch im letzten Jahrzehnt deutlich nach oben entwickelt haben. Das Gewicht der Neuwagen in Deutschland stieg laut Kraftfahrt-Bundesamt von 2009 bis 2018 im Durchschnitt von rund 1,3 auf 1,5 Tonnen, die Motorleistung von 87 auf über 112 Kilowatt und die Höchstgeschwindigkeit von 186 auf 200 Stundenkilometer.

Diese Entwicklung führt dazu, dass die deutschen Autobauer, aber auch der Großteil der europäischen Konkurrenz, das ab 2020 beziehungsweise 2021 geltende CO2-Ziel der EU beim Flottenverbrauch von 95 Gramm pro Kilometer nicht werden einhalten werden können und mit saftigen Strafzahlungen rechnen müssen.

Bleibt es beim heutigen Modell- und Verkaufsmix, muss die gesamte europäische Autoindustrie laut einer Auswertung des britischen Marktbeobachters Evercore ISI im Jahr 2021 insgesamt rund 32 Milliarden Euro Strafe zahlen. Der VW-Konzern müsste 3,8 Milliarden Euro berappen, BMW und Daimler jeweils 2,7 Milliarden.

Dabei rechnet die EU Elektroautos sogar als Nullemissions-Fahrzeuge ein, obwohl der Strom für die Batterien und das Fahren zum großen Teil noch in fossilen Kraftwerken erzeugt wird.

Die IEA-Experten glauben trotz eines Rückgangs im globalen Automarkt um zuletzt zwei Prozent nicht, dass sich damit ein Ende des Zeitalters des Verbrennungsmotors andeutet. Gerade der Trend zu den SUV erschwere den Übergang zur E-Mobilität, da diese Groß-Pkw schwieriger zu elektrifizieren seien und dies die Entwicklung einer sauberen Pkw-Flotte verlangsamen könne.

Die ohnehin schweren Autos müssen, um als reine E-Variante die gewohnten Fahrleistungen und annehmbare Reichweiten zu bringen, sehr große – und wieder sehr schwere – Batterien haben. Beim Audi E-Tron zum Beispiel wiegt die Lithium-Ionen-Batterie rund 700 Kilo, allein also fast so viel wie ein einfacher Smart-Zweisitzer mit seinen 890 Kilo.

Neuer World Energy Outlook im November

Laut IEA wollen die Autohersteller weltweit bis 2025 über 350 E-Auto-Modelle auf den Markt bringen, die meisten davon im Kleinwagen- und Mittelklasse-Segment. Im Jahr 2030, so die Energieexperten, werden trotzdem nur rund sieben Prozent der weltweiten Autoflotte elektrisch unterwegs sein.

Die Energieagentur will im nächsten Monat ihren jährlichen "World Energy Outlook" veröffentlichen. Der Ausblick gilt als Bibel der traditionellen Energiewirtschaft. Darin werde man einen Schwerpunkt auf den SUV-Boom als "unterschätzten Bereich der Energiedebatte" legen, kündigen die Autoren der aktuellen Studie an.

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