Porträtaufnahme von Andreas Knie.
Andreas Knie. (Foto: Sebastian Knoth)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung. Sein Steckenpferd ist das Verkehrswesen von morgen.

Klimareporter°: Herr Knie, der neue Präsident Joe Biden führt die USA zurück in den Weltklimavertrag und will Billionen Dollar für einen Saubere-Energien-Plan ausgeben. Klimapolitisch wird er teilweise wie ein Heilsbringer behandelt. Teilen Sie den Optimismus?

Andreas Knie: Wir freuen uns alle über den neuen Präsidenten und den von ihm eingeschlagenen Weg zurück zur Vernunft. Aber auch die neue Administration wird die USA nicht in ihren Grundstrukturen verändern.

Das Land setzt weiterhin auf große, spritschluckende Autos, die hierzulande eine Lkw-Zulassung bräuchten. Es gibt keinen nennenswerten öffentlichen Nahverkehr, und solange es immer noch keine Schienenschnellverbindung zwischen Los Angeles und San Francisco gibt, kann die USA uns nicht als Vorbild dienen.

Das Land ist wunderschön, aber die Gesellschaft verschwendet so viel Energie, wie es kein anderer Staat tut.

Die Datenflut, die künftige autonom fahrende Autos erzeugen, droht deren Energieverbrauch in die Höhe zu treiben. Auch das Internet hat einen Auspuff, warnt der Thinktank Agora Energiewende jetzt in einer Studie. Sollten deswegen das Gewicht oder die Leistung autonomer E-Autos begrenzt werden?

Die Studie hat die Auswirkungen einer neuen Technik im Auto untersucht. Es zeigt sich: Es genügen weder neue Antriebe noch Automatisierungsgrade – wir brauchen ein anderes Verständnis von Autos.

Wir müssen weg vom privaten Eigentum und hin zu autonomen Flotten als Teil eines neuen vernetzen Verkehrs. Das Private löst sich sozusagen im Öffentlichen auf.

Der Ausbau der Erneuerbaren wird immer mehr eine Sache der Stromkonzerne, Banken und Fonds. Deren Engagement sei an sich erfreulich, heißt es bei der Branchen-Agentur AEE, eine Energiewende ohne echte Beteiligung komme aber in der Bevölkerung schlecht an. Ist die Zeit der sogenannten Bürgerenergie abgelaufen?

Die Politik im Wirtschaftsministerium hat unter allen bisherigen Regierungskoalitionen klar auf die großen Konzerne als Energieerzeuger, Lieferanten und Infrastrukturbesitzer gesetzt. Bei der Vermarktung können auch mal Kleinere mitmischen.

Der Staat hat sich für Versorgungssicherheit unter der Regie großer Unternehmen entschieden. Er garantiert hohe und vor allen Dingen stetige Profite und erhält dafür Verlässlichkeit und keine ungeliebte Volatilität. Das geht natürlich zulasten der erneuerbaren Energien und des Klimaschutzes.

Die wilden Zeiten, in denen Bürger über die Konstruktion des EEG als Player im Energiemarkt eine treibende Rolle spielten, sind vorbei. Wir sind in Deutschland ein Land der korporatistischen Daseinsvorsorge. Der Staat bestimmt die Regeln, garantiert die Renditen für die Großen und sorgt in erster Linie für Sicherheit – auf Kosten von Innovationen.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und neu gewählte CDU-Vorsitzende Armin Laschet gilt als Lobbyist der fossilen Stromerzeugung und sein Bundesland ist bei der Energiewende gewiss kein Vorreiter. Weniger wird darüber gesprochen, welche Vorstellungen Laschet von künftiger Mobilität hat. Ist darüber etwas bekannt?

Armin Laschet kommt aus Aachen und kennt die dortige Hochschule als Kaderschmiede neuer Technologien bestens. Er ist aber auch ein Mann des Kompromisses.

Laschet möchte gerne Fahrzeuge mit batterieelektrischen Antrieben sowie Autos mit Wasserstoffantrieben fördern. Er ist auch für den Ausbau der Radwege und will den öffentlichen Verkehr stärken.

Er möchte aber den Menschen ihr geliebtes Diesel- und Benzinfahrzeug nicht madig machen, und wenn die Wege halt zu weit werden mit dem Auto, ist er für die Erhöhung der Pendlerpauschale. Laschet wird auch für den Ausbau von Straßen sein.

Er setzt sich für die Kohle ein, ist aber auch für die Erneuerbaren. Laschet ist wie alle: überall ein bisschen was machen, helfen, unterstützen, nett sein. Dabei verliert man gerne mal das Große und Ganze aus dem Blick und die eigentliche Aufgabe des politischen Geschäfts: nämlich zu gestalten und Prioritäten zu setzen – auch dann, wenn es wehtut!

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Die Bundestagsanhörung zur zukünftigen Finanzierung des öffentlichen Verkehrs hängt einem doch noch sehr in den Knochen, denn die Branche schielt nur auf den Rettungsschirm. Die Einnahmeausfälle sollen kompensiert werden, ändern möchte sich die Branche aber nicht.

Sie möchte keine Daten bereitstellen und sich auch nicht vernetzen, und vor allen Dingen möchte sie das Monopol über den Ticketverkauf behalten und tut sich schwer mit Änderungen beispielsweise in dem unseligen Tarifdschungel. Sie möchte so bleiben, wie sie ist, und das bitte auskömmlich aus Steuermitteln finanziert.

Das kann kein Pfad in die Zukunft sein. Ein ÖPNV-Gipfel muss her und die Frage geklärt werden: Welchen öffentlichen Verkehr brauchen wir eigentlich und für wen?

Fragen: Jörg Staude