Flugzeug vor blauem Himmel mit Kondensstreifen
Es wird wieder geflogen – wie bisher mit fossilem Kerosin. (Foto: Roy Buri/Pixabay)

Klimaneutral Fliegen – das ist die Vision, mit der die Airlines angesichts der zu erwartenden Restriktionen beim CO2-Ausstoß ihre Geschäftsmodelle retten wollen. Nach derzeitigem Technik-Stand ist das bei Passagierjets längerfristig in großem Stil nur mit "E-Kerosin" möglich, das mit erneuerbarem Strom hergestellt wird. Batterien für einen Elektroantrieb haben eine zu geringe Energiedichte und wären daher zu schwer.

In Deutschland ist nun die weltweit erste Pilotanlage zur Produktion von "CO2-neutralem Kerosin" eingeweiht worden. Der Treibstoff ist jedoch noch viel teurer als fossiles Kerosin – die Erzeugungskosten liegen bei über fünf Euro pro Liter.

Die neue Anlage steht in Werlte im Emsland. Produziert wird der Treibstoff aus Wasser mit Ökostrom von Windrädern aus dem Umland, um per Elektrolyse Wasserstoff zu erhalten, sowie mit Kohlendioxid, das aus der Umgebungsluft sowie aus dem Abgas einer Biogasanlage gewonnen wird. Damit gilt das Kerosin als CO2-neutral – was allerdings noch nicht klimaneutral bedeutet.

Konzipiert wurde das Projekt von dem Berliner Dienstleiter Atmosfair, der die CO2-Kompensation von Flügen anbietet. Erster Kunde für den Ökosprit ist die Lufthansa.

Den Regelbetrieb der Pilotanlage plant Atmosfair nach eigenen Angaben für das erste Quartal des kommenden Jahres. Pro Tag sollen in Werlte dann acht Barrel mit Rohkerosin produziert werden.

Tanklaster bringen das Vorprodukt zu einer Raffinerie in Heide nördlich von Hamburg, die das synthetische Rohöl zum fertigem Treibstoff, genannt "Jet A1", veredelt und an den Flughafen Hamburg liefert. Die Anlage läuft laut dem Unternehmen derzeit erst in Teilen, das Zusammenspiel aller Komponenten benötige noch Abstimmungen.

"Kerosin der Zukunft"

Studien gehen bisher von einem Kostenniveau für E-Kraftstoffe von rund fünf Euro pro Liter aus. In der Werlter Pilotanlage liegt es laut Atmosfair "noch weit" darüber. Der Preis für herkömmliches Kerosin liegt unter 50 Cent pro Liter.

"Bei Anlagen dieser Größe, die zudem nicht auf mehrere Jahrzehnte Betrieb ausgelegt sind, sind die Kosten noch sehr hoch," erläuterte Geschäftsführer Dietrich Brockhagen. Vor allem die hohen Stromkosten in Deutschland seien ein Problem für diese Anwendung.

In südlichen Ländern mit dank Sonneneinstrahlung billiger Solarenergie und mit fortschreitender Technologie seien bereits Erzeugungskosten von unter fünf Euro möglich. "Aber wir wollten den ersten Schritt in Deutschland gehen, um hier die Technologie zu probieren und Erfahrungen zu sammeln", so der Atmosfair-Chef.

Das E-Kerosin aus dem Regelbetrieb will Atmosfair über seine Website auch anderen Airlines anbieten, die damit die verpflichtende Beimischungsquote von 0,5 Prozent des grünen Treibstoffs zum fossilen Kerosin erfüllen können.

Laut dem neuen Klimaschutzgesetz ist diese Beimischung ab 2026 Pflicht. "Wir zeigen, dass wir dafür nicht noch fünf Jahre warten müssen und dass Kunden bereit sind, den Aufpreis zu bezahlen", sagte Brockhagen.

Lufthansa-Vorständin Christina Foerster bezeichnete die mit Ökostrom produzierten synthetischen Kraftstoffe als "das Kerosin der Zukunft", das einen CO2-neutralen Luftverkehr ermöglichen werde. Die Reisebüro-Kooperationsallianz Quality Travel Alliance (QTA) kündigte an, die Produktion des E-Kerosins in Form von freiwilligen "Klimaschutzpaketen" zu fördern. Zu QTA gehören unter anderem Tui und Neckermann.

Gütesiegel soll Nachhaltigkeit garantieren

Bisher haben die Airlines vor allem auf die Entwicklung von Agro-Kerosin aus Biomasse gesetzt, das auf Basis hydrierter Pflanzenöle wie Raps-, Palm- oder Jatrophaöl, aus Algen, agrarischen Reststoffen oder Lebensmittelabfällen hergestellt wird. Die ökologische Nachhaltigkeit ist hier jedoch häufig umstritten.

Um sicherzustellen, dass das E-Kerosin nachhaltig produziert wird, hat Atmosfair zusammen mit dem Umweltbundesamt (UBA) ein "Fairfuel"-Gütesiegel für den neuen Treibstoff entwickelt. UBA-Experte Harry Lehmann erläuterte: "Wie grün ist der Strom wirklich? Wie nachhaltig ist das CO2, das zum Einsatz kommt? Das sind entscheidende Fragen für die Umweltintegrität und den Klimanutzen von E-Kerosin."

Das Siegel soll gewährleisten, dass das synthetische Kerosin nicht über Umwege doch mit fossilen Quellen oder etwa einer CO2-Abscheidung aus dem Abgas von Kohlekraftwerken hergestellt wird. Zudem dürfe der hohe Stromaufwand für die E-Kerosin-Herstellung nicht auf Kosten der Energiewende gehen.

Diese "Klimaintegrität" erzeugt Atmosfair zufolge kaum Mehrkosten, wie die Anlage in Werlte zeige. Bei geplanten Folgeanlagen in Entwicklungsländern will das Unternehmen zudem darauf achten, "dass sie auch der Bevölkerung zugutekommen, etwa durch zusätzlichen Strom zu sozialverträglichen Preisen für das Umland".

Eröffnet wurde das Projekt im Emsland im Beisein der amtierenden Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), die auch die Eröffnungsrede hielt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) übermittelten Grußworte per Videoaufzeichnung.

Anzeige