Dieselabgase gelangen durch Auspuff in die Luft
Diesel killt Klima und Atemluft. Die Autoindustrie soll auf Elektroantrieb umschalten – aber nicht auf E-SUV. (Foto: Karl-Ludwig Poggemann/​Flickr)

Noch 21 Tage und 22 Stunden, dann wird "Europas wichtigste Dialog- und Networkingplattform zur Zukunft der Mobilität" eröffnet. So zeigt es jedenfalls die Uhr auf der Website der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA). Die Rede ist von einer der größten Auto-Fachmessen Welt. Die auf cool gemachte Website ist ein Versuch, das Event in Frankfurt am Main wenigstens nach außen attraktiv zu halten.

Doch ein Blick hinter die tickende Uhr zeigt ein anderes Bild: Die IAA ist mit Absagen fast aller internationalen Autohersteller konfrontiert, darunter auch der Elektropionier Renault. Als Grund für das Fortbleiben werden häufig die hohen Kosten und der geringe Nutzen genannt.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nennt jedoch eine andere Ursache: der falsche Schwerpunkt der IAA auf "Klimakiller-Fahrzeuge".

Mit SUV gibt es keine Verkehrswende

Damit meint die Umweltorganisation SUVs. Deutsche Autohersteller liefern sich einen Wettbewerb um den größten und längsten Stadtgeländewagen, meint DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch.

So übertrumpfe der neueste Mercedes-SUV mit einer Länge von 5,21 Metern den bisher größten Stadtgeländewagen von BMW. Der Mercedes passe durch seine Breite nicht mal mehr in eine Waschstraße, kritisiert Resch, außerdem seien "immer größere und durstigere Geländefahrzeuge eine Kampfansage an die Mobilitätswende".

Die DUH fordert konsequenterweise einen freiwilligen Herstellungsstopp für neue SUVs. Und das, obwohl das Kraftfahrt-Bundesamt für 2018 die bisher meisten Zulassungen bei diesen besonders klimaschädlichen Fahrzeugen registrierte.

Ein freiwilliger Ausstieg der Autohersteller ist für Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, deshalb eine eher unrealistische Forderung. "Da verdienen die Autohersteller was, das werden die nicht freiwillig machen", kommentiert er gegenüber Klimareporter°.

Quaschning fordert stattdessen wirksamere steuerliche Abgaben je nach Größe des Autos – oder zumindest eine Selbstverpflichtung der Autohersteller, dass sie auch kleinere Elektrowagen produzieren.

Zwölf-Punkte-Plan der DUH zusammengefasst

  • Die Autoindustrie muss ihre Glaubwürdigkeit wiederherstellen. Das tut sie, indem sie – neben einem SUV-Verkaufstopp – die Diesel-Akten, Messprotokolle und die verbauten Abschalteinrichtungen offenlegt. Außerdem rüstet sie die Hardware aller elf Millionen Diesel-Pkw der Abgasstufe 5 und 6 kostenfrei nach. Und zwar bis September dieses Jahres.
  • Die Bundesregierung beschließt im September, wenn das Klimakabinett tagt, einen Verbrenner-Stopp für 2025 und eine Ordnungsstrafe pro Betrugsdiesel. Außerdem werden ein Tempolimit und eine Bonus-Malus-Regelung als Anreize eingeführt, damit batteriebetriebene Fahrzeuge entwickelt werden.
  • Die Verbraucher verzichten im besten Fall ganz auf den eigenen Pkw. Und wenn das nicht geht, auf den Neukauf von Verbrennungsmotoren.

Für die DUH lässt das Elektroangebot der deutschen Autobauer stark zu wünschen übrig. Nur drei Modelle könnten zurzeit überhaupt geliefert werden: ein kompakter BMW und zwei Elektro-SUVs von Audi und Mercedes. Insgesamt habe sich das Angebot an Elektroautos in den vergangenen Jahren sogar verschlechtert. Modelle wie der Elektro-Smart könnten gar nicht mehr bestellt werden, kritisiert DUH-Chef Resch.

Die kaum verfügbaren Modelle der deutschen Autokonzerne zeigen für Resch das ökologische, aber nun auch das nicht mehr zu leugnende industriepolitische Desaster einer gescheiterten Mobilitätspolitik. Unter den 20 meistverkauften Elektroautos weltweit sei kein einziges aus deutscher Produktion.

Den Vorwurf eines zu kleinen E-Angebots weist BMW gegenüber Klimareporter° zurück. "Bei BMW ist die Elektrifizierung ein Schwerpunkt bereits seit nunmehr zehn Jahren", sagt Wieland Brúch, Sprecher für Elektromobilität. Die Modellpalette umfasse insgesamt zehn vollelektrische Fahrzeuge und Plug-in-Hybride und sei "die breiteste im Wettbewerbsumfeld".

Auf Deutschlands Straßen fahren zur Mitte dieses Jahres etwa 83.000 reine Elektro-Autos. Das sind zwar 30.000 mehr als im Vorjahr, aber trotzdem nur 0,2 Prozent aller in Deutschland zugelassenen Pkws. Das ursprüngliche Ziel der Bundesregierung – eine Million E-Autos bis 2020 – ist längst aufgegeben worden. 

Verbrennerstopp ab 2025

Die Regierung müsse den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor für 2025 beschließen, fordert die DUH. Die Autohersteller könnten dann Elektrofahrzeuge bauen, sodass die 800.000 Auto-Arbeitsplätze weiterhin gesichert seien, argumentiert die DUH.

Allerdings brauche auch die E-Auto-Branche klare Standards, präzisiert Vizechefin Barbara Metz die Forderungen der DUH. Denn auch Elektroautos müssten effizient sein.

Bisher erkenne die Bundesregierung allerdings nicht einmal die Dringlichkeit zu handeln, um den "Klima-Kollaps" zu verhindern, kritisiert Metz und zielt damit vor allem auf Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). "Der Versuch, die Busspuren in unseren Städten mit Pkws und E-Scootern zu verstopfen, ist ein Beispiel für seinen fortgesetzten Boykott der Verkehrswende."

Die Umwelthilfe sorgt sich auch um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Autoindustrie – was sie zu einem eher ungewöhnlichen Vorschlag bringt: ein Tempolimit. Das sei nötig, damit die hiesige Autoindustrie wettbewerbsfähige Fahrassistenzsysteme entwickeln könne, sagt DUH-Chef Resch.

Um seinen Punkt zu erklären, blickt Resch auf Schweizer Autobahnen. Im Nachbarland sei der Geschwindigkeitsunterschied zwischen den langsamsten und den schnellsten Fahrzeugen sehr gering. "Wenn Sie nur Unterschiede von etwa 30 Stundenkilometern haben, können Sie mit vorhandener Technik und vernünftigen Preisen Systeme entwickeln."

Die deutsche Autoindustrie sei allerdings nicht in der Lage, die Assistenzsysteme auch für deutsche Autobahnen zu entwickeln, meint Resch. Denn hier sei die Branche nur mit hohen Geschwindigkeiten beschäftigt sowie damit, "sehr teure Systeme zu bauen, die außerhalb von Deutschland keiner braucht".

Mit ihren vorgeschlagenen Maßnahmen hält die DUH es für möglich, den Niedergang der deutschen Autobranche zu stoppen. Für Energieprofessor Quaschning stellt sich die Lage für Deutschlands Autobauer jedoch etwas dramatischer dar. Der Umstieg auf E-Mobilität sei schließlich die einzige Chance für hiesige Autohersteller, den Anschluss an die globale Konkurrenz nicht zu verlieren.

Ohne die Umstellung "werden die ausländischen Hersteller sowieso das Rennen machen", meint Quaschning. Schließlich sei der Wechsel zur E-Mobilität bis 2025 schon allein wegen der Klimaziele nötig. Trotzdem seien die Klimaziele im Verkehr nicht allein mit dem Umsteigen auf E-Autos zu erreichen.

"Wir haben eine gute Milliarde Autos auf der Welt", rechnet Quaschning vor. "Wenn wir unseren Lebensstil allen aufzwingen würden, dann bräuchten wir vier Milliarden Autos – und dafür gibt es gar nicht die Rohstoffe." Für Deutschland heiße das, die Zahl der Autos mindestens zu halbieren, macht Quaschning klar. Die verbleibenden Fahrzeuge sollten dann elektrisch sein.

Verbrennerfasten für Verbraucher

Damit die deutsche Autoindustrie zukunftsfähig wird, stellt die Deutsche Umwelthilfe neben SUV- und Verbrenner-Stopp weitere Forderungen. Die Autobranche müsse ihre Glaubwürdigkeit wiederherstellen, indem sie beispielsweise kostenlose Hardware-Nachrüstungen für Diesel-Pkw der Abgasstufe 5 und 6 durchführt.

Die Bundesregierung soll nach den Vorstellungen der DUH außerdem Ordnungsstrafen für "Betrugsdiesel" verhängen und die Kfz-Steuer so umgestalten, dass Anreize zu einem klimafreundlicheren Verhalten entstehen. Und auch die Verbraucher können etwas tun: "Verbrenner-Fasten". Es geht darum, keine neuen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr zu kaufen, erläutert die DUH ihre Forderung.

Anders als andere Umweltorganisationen setzt die DUH mit ihrem Plan weitgehend auf Freiwilligkeit und Anreizpolitik. Für Volker Quaschning ist das eine neue Taktik, um auf die Argumente der Verkehrswende-Gegner zu reagieren: "Ich glaube, die DUH dreht jetzt einfach mal den Spieß um und sagt: Wenn wir keine E-Autos fördern, kommen die trotzdem – aber aus dem Ausland, und dann verlieren wir auch die Arbeitsplätze."

So könnten mit der Elektromobilität zwei Ziele erreicht werden: Klimaschutz und die Sicherung der Arbeitsplätze, analysiert der Energieexperte die DUH-Forderungen.

Der Beitrag wurde um 11:45 Uhr um die nach Veröffentlichung eingetroffene Stellungnahme von BMW ergänzt.

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