Andreas Knie. (Foto: InnoZ)

Immer wieder sonntags: Unsere Herausgeber erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung. Sein Steckenpferd ist das Verkehrswesen von morgen.

Klimareporter°: Herr Knie, laut dem "Bundesländer-Index Verkehr und Mobilität" ist Berlin im Verkehr Vorreiter, was den Klimaschutz angeht. Ist der Titel gerechtfertigt?

Andreas Knie: Berlin liegt gar nicht vorne. Im Gesamtergebnis von Flächenverbrauch, Verkehrssicherheit, Klimaschutz und Lärmminderung belegt Berlin lediglich Platz vier und ist sogar gegenüber der letzten Erhebung um zwei Plätze abgerutscht. Zudem kann man Flächenländer und Stadtstaaten nicht vergleichen, die Bedingungen sind gerade für den Verkehr völlig unterschiedlich.

Berlin könnte aufgrund seiner historischen Situation noch viel mehr tun. Berlin hat immer noch eine klare Stadtkante, wenig Zersiedlung und immer noch einen öffentlichen Nahverkehr, der wohl in keiner anderen Stadt so zu finden ist. Berlin könnte die erste Stadt der Welt werden, in der man kein privates Verkehrsmittel braucht, alles ist digital vernetzt, elektrisch betrieben und sozial ausgewogen organisiert: leise, sauber und nachhaltig.

Die Klimakosten des Wirtschaftens müssen in das Steuer- und Abgabensystem integriert werden, das ist das Ergebnis einer Untersuchung für das Umweltbundesamt. Ko-Autor Nils aus dem Moore vom RWI Essen schlägt unter anderem vor, den Verkehr in den Emissionshandel einzubeziehen. Bisher gab es Stimmen dafür und dagegen. Was sagen Sie?

Ob wir im Klimaschutz wirklich vorankommen und tatsächlich den Klimawandel ernsthaft bekämpfen können, entscheidet sich allein im Verkehr. Alle Sektoren haben ihre Hausaufgaben gemacht und konnten gegenüber dem Referenzjahr 1990 den CO2-Ausstoß wirkungsvoll reduzieren: Landwirtschaft minus 18 Prozent, private Haushalte minus 31 Prozent und die Industrie sogar minus 35 Prozent.

Beim Verkehr sind die Treibhausgase sogar um vier Prozent gegenüber 1990 gestiegen. Wir brauchen daher dringend Anreize, den CO2-Ausstoß auch im Verkehr zu vermindern. Die Einbeziehung des Verkehrssektors in den CO2-Emissionshandel ist mehr als überfällig.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Der wohl kalkulierte Wutausbruch von Verkehrsminister Scheuer auf einer Veranstaltung des Verbandes der Automobilindustrie: Scheuer zeigte sich enttäuscht vom Verhalten der Autobosse und gab der Industrie mit auf den Weg, noch jede Menge moralische Wiedergutmachung vor sich zu haben.

Da fragt man sich natürlich: In welcher Welt lebt denn unser Verkehrsminister? Die Autoindustrie tut nur das, wozu sie vom Gesetzgeber gezwungen wird. Die Abgase gehen nicht von alleine runter, die Verkehrssicherheit steigt nicht automatisch an und der Verbrauch wird auch nicht einfach niedriger.

Die Geschichte der Autoindustrie ist die Geschichte der Regulierung. Der technische Fortschritt musste den Herstellern abgerungen werden. Auch der Übergang zu elektrischen Antrieben wird nur funktionieren, wenn die Verbrennerfahrzeuge endlich verboten werden.

Die Hersteller reagieren nur auf solche drakonischen Maßnahmen. Hier passiert nichts von alleine. Wer auf die Moral oder gar ethisches Handeln bei Autobossen als Quelle für Veränderungen setzt, der wird immer wieder enttäuscht. Nur dumm, dass dies ausgerechnet der für die Regulierung zuständige Minister ist.

Fragen: Friederike Meier

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