Nextbike-Leihfahrräder
Sharing-Bikes dürfen nicht überall stehen, wo private Fahrräder stehen dürfen, kritisiert Anke Borcherding. (Foto: Alper Çuğun/​Flickr)

Neulich schallte Paul McCartneys "Hope of Deliverance" durch meine Küche. Draußen grauer Himmel, graue Straße. Paul hofft auf die Befreiung aus der Dunkelheit, informierten mich die Lautsprecher. Draußen viele Autos, auch viel Schwarz und Grau. Paul ist da etwas auf der Spur.

Die Stadt Berlin ist leider noch nicht so weit. Ausgerechnet für Anbieter von Sharing-Fahrzeugen sollen die Kosten steigen. Im nächsten Jahr will Berlin bei ihnen erstmals Sondernutzungsgebühren erheben.

Für jedes Auto und jeden Motorroller, die stationslos angeboten werden, sollen dann 60 Euro im Jahr anfallen. Für jeden E-Scooter und jedes Leihrad in der Innenstadt fordert der Senat von den Anbietern 42 Euro pro Jahr, außerhalb des Berliner S-Bahn-Rings sollen es immer noch 18 Euro sein.

So hat es der Tagesspiegel gerade aus einem Schreiben der Senatsverwaltung an die Anbieter zitiert. Es sind noch Pläne der alten rot-rot-grünen Stadtregierung, allerdings gibt es ja Kontinuität, denn die neue besteht wieder aus denselben Parteien.

Es besteht Einigkeit unter (Fach-)Menschen, dass zur Umsetzung der Verkehrswende bestimmte Maßnahmen ergriffen werden müssen. Das doppelte Leitmotiv ist dabei: Reduzierung und Stärkung.

Zuerst Reduzierung: den privaten Autoverkehr verringern, den Flächenverbrauch durch Parken einschränken, Straßen für Autos zu Radwegen umbauen, die Umweltbelastungen durch den Verkehr senken.

Klar ist auch: Um das Reduzierungsziel erreichen zu können, sind schnelle Alternativen zum alles dominierenden Auto nötig. Zum Beispiel den öffentlichen Verkehr modernisieren, ausbauen, vernetzen, zugänglich und attraktiv für alle machen.

Das kostet und dauert. Neue U-Bahn-Projekte – Berlin plant aktuell fünf – sind weder schnell noch umweltverträglich. Es ist fraglich, ob sie überhaupt sinnvoll sind. Was haben wir stattdessen an flexiblen, nachhaltig verträglichen Angeboten und Verkehrsmitteln?

Zuerst natürlich das Fahrrad. Da passiert in manchen Berliner Bezirken etwas mit der Einrichtung geschützter Radwege, in anderen leider nicht so viel.

Und dann haben wir die Sharing-Angebote verschiedener Verkehrsmittel, die eine Alternative zum privaten Pkw und eine Ergänzung zum öffentlichen Verkehr sein können. Aber: Sharing muss man wollen und fördern. Da ist das Land gefordert.

Car- und Bikesharing sind öffentlicher Verkehr

Carsharer kämpfen seit Jahren um die Gleichbehandlung mit privaten Pkw. Dass es die nicht gibt, zeigt sich zum Beispiel bei den Parkgebühren: Wo welche anfallen, zahlen geteilte Autos den vollen Preis. Für sein privates Auto kann man zumindest in der eigenen Gegend eine Anwohner-Vignette beantragen. Damit belegt man in Berlin bisher für nicht mal einen Euro pro Monat den öffentlichen Raum mit seinem privaten Fahrzeug. Die neue Stadtregierung will das zwar auf zehn Euro erhöhen, aber auch das ist natürlich eine läppische Summe.

Sharing, besonders das flexible One-way-Carsharing, lebt davon, dass die Fahrzeuge in Bewegung sind und unkompliziert abgestellt werden können und dass sich die Kosten für das Parken im betriebswirtschaftlichen Rahmen halten. Multicity, ein flexibles elektrisches Carsharing, ist in Berlin vor ein paar Jahren eingegangen, auch wegen der enormen Gebühren für das Parken.

Porträtaufnahme von Anke Borcherding.
Foto: David Außerhofer

Anke Borcherding

ist neben ihrer Tätigkeit im Projekt­management für nachhaltige Mobilität an der FU Berlin Gastautorin der Forschungs­gruppe Digitale Mobilität am WZB. Sie beschäftigt sich theoretisch und vor allem praktisch mit Mobilitäts­projekten und ist in Stadt und Land immer nur mit den Öffentlichen, dem Rad und manchmal einem Carsharing-Auto unterwegs. Dieser Beitrag erschien ebenfalls im WZB-Blog der Forschungs­gruppe Digitale Mobilität.

Wir haben in Berlin ungefähr 3.000 Carsharing-Autos. Sie sind zwar nicht im eigentumsrechtlichen, aber im praktischen Sinne ein Teil des öffentlichen Verkehrs. Dagegen stehen rund 1,2 Millionen private Pkw, die nur für sehr wenige Personen nutzbar sind. Meistens sitzt nur eine Person drin. Einfach mitfahren darf hier niemand.

Private Pkw werden von uns allen subventioniert durch die Bereitstellung von öffentlichem Raum für Straßen und Parkplätze, niedrige Parkgebühren, Dienstwagenprivileg, Straßenbau und -erhaltung. Die Liste ist noch viel länger. Wir zahlen alle, dürfen aber nicht mitfahren. Es darf sich jeder ein Auto zulegen oder auch zwei oder zehn. Da gibt es keine Grenze.

Beim Carsharing und Bikesharing dürfen alle mitfahren. Diese Anbieter werden aber ganz anders reguliert. Da soll die Anzahl der Fahrzeuge begrenzt werden, Parken ist viel teurer, sogar für Räder. Private Räder dürfen überall stehen, öffentliche Räder nicht.

Und statt an den Kern des Problems heranzugehen, wird an den Rändern dilettiert. Nichts anderes ist der Plan, die Gebühren fürs Sharing zu erheben. Da stimmen doch die Verhältnisse nicht.

Es gibt eine große Hoffnung auf Veränderung durch die neue grüne Verkehrsverwaltung in Berlin. Hoffnung auf die Befreiung, sang Paul McCartney. Was ist nun der Plan der neuen grünen Verkehrssenatorin für den verkehrspolitischen Befreiungsschlag? Den Sharern das Licht abdrehen? Hoffentlich nicht.

Vielleicht kann wieder Paul helfen. Der wusste schon 1965, dass man allein im privaten Auto nicht glücklich wird. "Baby, you can drive my car", weise Worte.

Digitale Mobilität – das Antiblockiersystem

Wie kommen wir in Zukunft von A nach B? Fest steht: Es geht nur radikal anders als bisher. Aber wie? Die Gruppe "Digitale Mobilität – das Antiblockiersystem" entwickelt Ideen für die Mobilität von morgen. Hier schreiben Wissenschaftler:innen und Expert:innen über Wege in ein neues Verkehrssystem, das flüssig, bequem, gerecht und klimafreundlich ist – jenseits von Allgemeinplätzen und Floskeln. Das Dossier erscheint in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).

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