Einen Musik-Liebhaber konnte man vor ein paar Jahrzehnten leicht erkennen, wenn man ihn zuhause besuchte. Eine halbe Wand im Wohnzimmer war mit einem Langspielplatten-Regal belegt, die schmalen Rücken der LP-Cover dicht an dicht gepackt.
Später, im CD-Zeitalter, sah das Ganze schon nicht mehr so imposant aus – alles geschrumpft, so wie der Durchmesser der Tonträger, der statt 30 Zentimetern nur noch zwölf Zentimeter betrug. Doch heute? CD-Regale setzen da, wo es sie überhaupt noch gibt, Staub an. Musik besorgt man sich von der Festplatte im Computer oder online über Streaming-Dienste, völlig materielos.
Musik auf Vinyl oder CD "besitzen" zu müssen ist out. Aber empfinden die heutigen Musikliebhaber das als Verlust? Offenbar nicht, wie nun sogar wissenschaftlich erforscht wurde.
"Das weit verbreitete Bedürfnis nach materiellem Besitz kann durch das Phänomen des psychologischen Besitzempfindens ersetzt werden", hat der Kölner Professor Martin Fritze zusammen mit zwei Kollegen in einer Studie herausgefunden. Das gelte nicht nur für das boomende Musik-Streaming, sondern auch für die andere weit verbreitete Variante der Sharing-Ökonomie, das Carsharing.
Wie das funktioniert? Die modernen Musik- und Auto-Nutzer empfinden den "Service" der Sharing-Dienste als praktisch vollwertigen Ersatz für den tatsächlichen Besitz an materiellen Produkten. Besonders gut klappt das, wenn sie sich als Teil einer Nutzer-Gemeinschaft empfinden und es eine enge Beziehung zum Anbieter der Services gibt – also etwa den Streaming-Dienst oder den Carsharing-Anbieter.
Joachim Wille ist Chefredakteur des Onlinemagazins Klimareporter°.
Wird damit alles gut? Ebnet, wer dergestalt das "Sein statt Haben" pflegt, den Weg in eine neue, die postmaterialistische Gesellschaft? Und schützt er dadurch Umwelt und Klima, wie die Apologeten der "Sharing-Gesellschaft" es versprechen? Das ist leider nicht gesagt.
Wer Musik streamt, setzt einen permanenten Datenstrom per Internet in Gang, und dafür braucht es bekanntermaßen Energie, die weltweit immer noch zum größten Teil aus fossilen Quellen stammt.
Und auch beim viel gelobten Carsharing kommt es stark darauf an, wie es genutzt wird. Bei den Anbietern, die ihre Leihautos ohne feste Stationen im Straßenraum anbieten und gerade bei jungen Leuten zunehmend beliebt sind, gibt es keine Umweltvorteile. Denn: Nur wenige Nutzer verzichten auf ein eigenes Auto.