Tycho Brahe
Die "Tycho Brahe" fährt ausschließlich im Batteriebetrieb. (Foto: Ehrenberg Kommunikation/​Wikimedia Commons)

Ohne Dieselqualm über die Ostsee: Seit sechs Jahren transportiert die "Viking Grace" täglich zweimal bis zu 2.800 Passagiere zwischen Stockholm und dem finnischen Turku hin und her. Und das etwas "grüner" als gewohnt: Die Maschinen des rot-weißen Fährschiffs werden nicht mit Schweröl oder Schiffsdiesel angetrieben, sondern mit Flüssigerdgas (LNG).

Bald wird der LNG-Pionier unter den Ostseefähren nicht mehr allein mit dieser Technik sein. Auf einer chinesischen Werft entsteht für die gleiche Reederei gerade ein noch größeres Schwesterschiff, das im kommenden Jahr seinen Dienst aufnehmen soll.

Und neben Flüssigerdgas soll es auch von Windkraft angetrieben werden: Es wird zwei Flettner-Rotoren erhalten. Die "Viking Grace" war schon im vergangenen Jahr mit so einem Rotorsegel nachgerüstet worden, das den Treibstoffverbrauch um bis zu zehn Prozent senken kann.

Mit LNG angetriebene Fährschiffneubauten sollen vom kommenden Jahr an auch zwischen Deutschland und Polen, Schweden, Finnland und Estland sowie zwischen dem schwedischen Festland und der Insel Gotland zum Einsatz kommen.

Mit Methanol fährt bereits die "Stena Germanica" zwischen Göteborg und Kiel, teilweise mit Batterien die "Stena Jutlandica" zwischen Schweden und Dänemark und ausschließlich mit Batterieantrieb pendeln die "Tycho Brahe" und die "Aurora" über den Öresund zwischen dem schwedischen Helsingborg und dem dänischen Helsingør.

"Wir sind stolz, dass die Reedereien so eine große Verantwortung für die Umwelt übernehmen", sagt Jari Virtanen, Vorsitzender der schwedischen Passagierreedereien-Vereinigung: Schweden sei damit führend in der Welt.

"Das Problem sind die Kosten"

Und es soll bald noch besser werden. Als Etappenziel für 2030 peilt die Branche eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 70 Prozent an. Bis 2045 will die Schifffahrt des Landes dann "netto null Treibhausgasemissionen" erreicht haben.

2045 ist auch das Jahr, das sich die Regierung in Stockholm vor zwei Jahren mit einem damals verabschiedetem Klimagesetz als Zielmarke gesetzt hatte, diese "Netto-Null" für das gesamte Land zu schaffen.

Grüner Schiffverkehr: Schweden vor Finnland

In vielen europäischen Ländern kommt der Klimaschutz gerade im Verkehrssektor kaum voran. Europaweit soll der Anteil der Ökoenergien in dem Sektor auf zehn Prozent steigen – 2017 lag er im Schnitt bei weniger als acht Prozent. Nur zwei Länder übererfüllen ihre Ziele, wie eine neue Statistik zeigt: Schweden führt mit einem Anteil von 39 Prozent mit weitem Abstand vor Finnland (19 Prozent). Beide sind auch die Länder mit den höchsten Zuwächsen.

Um die dafür erforderlichen klimapolitischen Weichen in allen gesellschaftlichen Sektoren rechtzeitig stellen zu können, wurde die Regierungsinitiative "fossilfreies Schweden" gegründet. Deren Koordinator Svante Axelsson präsentierte jetzt zusammen mit Rikard Engström, dem Chef der Branchenvereinigung Svensk Sjöfart, die Grundzüge eines "Fahrplans", wie Schwedens Schifffahrt "fossilfrei" werden soll.

Zweifelsohne "eine Herausforderung", meinen die Verfasser des Plans, aber durchaus machbar. Denn an technischen Lösungen fehle es nicht. Das Problem seien die Kosten. Die liegen für Schiffsneubauten mit neuen Antriebstechniken – jedenfalls jetzt noch – rund zehn Prozent über denen der bisher gebräuchlichen Technik. Ähnliches gilt für die Betriebskosten.

Ohne staatliche Förderung und finanzielle Entlastung für die Reedereien werde die erforderliche Umstellung nicht schnell genug erfolgen. Und man hat auch einen Vorschlag, wie die Finanzierung gesichert werden soll: durch zielgerichtete Verwendung des Aufkommens aus der Kohlendioxidsteuer und den Aufbau eines Kohlendioxidfonds.

Schweden war 1991 nicht nur eines der ersten Länder, das eine Kohlendioxidsteuer einführte, es ist auch das Land mit dem höchsten Steuersatz. Der liegt derzeit umgerechnet bei rund 120 Euro pro Tonne CO2. 2,5 Prozent der staatlichen Steuereinnahmen beruhen auf dieser Steuer. Daraus könnten Investitionen subventioniert werden, meinen Axelsson und Engström.

Der Staat könnte auch die Abgaben für Schiffe je nach Antriebstechnik staffeln und der Landstrom in den Häfen steuerfrei machen. Außerdem möchte die Schifffahrtsbranche, dass es sich für die Besteller von Transportleistungen rechnet, "grüne" Verkehrsarten zu wählen, und sie zusätzlich zur Kasse gebeten werden können, wenn sie das nicht tun.

Die schwedische Verkehrsbehörde hält es für realistisch, drei bis sieben Prozent des Straßengüterverkehrs auf Wasserwege verlagern zu können. Stockholm testet deshalb gerade auch ein Ökobonussystem, mit dem Reedereien belohnt werden, die neue Transportangebote zur Verfügung stellen oder bestehende attraktiver machen und besser auslasten.

Internationale Schifffahrt will nur 50 Prozent CO2-Reduktion bis 2050

Transporte auf dem Wasser sind energieeffizient. Global stehe die Schifffahrt für 90 Prozent aller Gütertransporte und für etwa zwei Prozent des Treibhausgasausstoßes, rechnen Axelsson und Engström vor. Allerdings steigen die CO2-Emissionen von Jahr zu Jahr an und die globale Schifffahrt hat das Problem, dass beim Tempo der Umstellung auf eine "grüne" Seefahrt zu viele wichtige Akteure auf der Bremse stehen.

Im April vergangenen Jahres konnte sich die UN-Seeschifffahrtsorganisation IMO gerade einmal darauf einigen, den Treibhausgasausstoß bis 2050 um 50 Prozent gegenüber 2008 zu senken. Was zwar für eine erste derartige Zielvorgabe als historisch und als ein Erfolg verkauft wurde – aber viel zu wenig ist. Die EU-Länder wollten zwischen 70 und 100 Prozent Reduktion.

Vorreiterländer wie Schweden oder auch Norwegen können die weltweite Klimabilanz daher nur marginal beeinflussen. Das zeigte beispielsweise auch die im Februar veröffentlichte norwegische Statistik für den Treibhausgasausstoß der Schifffahrt im vergangenen Jahr. Die wird anhand der Daten des "Automatischen Identifikationssystems der Schifffahrt" (AIS) errechnet.

Dass Norwegen immer mehr einheimische Fährlinien auf Elektro- oder LNG-Betrieb umgestellt hat, schlug sich in einem deutlichen Rückgang des CO2-Ausstoßes der innernorwegischen Schifffahrt nieder: von 4,2 auf 2,8 Millionen Tonnen in sechs Jahren.

Diesem Rückgang steht aber ein Anstieg von 6,6 auf 8,4 Millionen Tonnen für den internationalen Schiffsverkehr in den norwegischen Hoheitsgewässern gegenüber. Ein Drittel dieses Anstiegs von 1,8 Millionen Tonnen entfällt allein auf den gestiegenen Kreuzfahrt- und Passagierschiffsverkehr.

Ebenso wie die meisten Umweltorganisationen hatte sich auch Svensk Sjöfart dafür eingesetzt, dass die Schifffahrt Teil des Pariser Klimaabkommens werden sollte. "Aber leider hinkt die internationale Entwicklung hinterher", bedauert Rikard Engström.

Von den eigenen Anstrengungen will man sich deshalb aber nicht abbringen lassen: Letztendlich werde sich eine führende Rolle im Klima- und Umweltsektor nämlich positiv auf die Wettbewerbskraft auswirken, glaubt er.

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