Geparkte Flugzeuge von Lufthansa und Tuifly am Flughafen Hannover-Langenhagen.
Coronabedingt geparkte Flugzeuge auf dem Flughafen Hannover-Langenhagen. (Foto: H. Körber/​Wikimedia Commons)

Für frühere Generationen waren Flughäfen Orte für Träume der breiten Massen. Das Fliegen selbst war nur erreichbar für Eliten – für den großen Rest gab es damals die "Aussichtstribünen".

Inzwischen hat sich das total gewandelt. Nun sind die Flugleistungen, wie andere Luxusgüter auch, "demokratisiert" worden. Doch, trotz Massenwaren-Charakter, gilt: Flughafengebäude sind in den Industriestaaten, gerade in Deutschland, großzügig, quasi als Tempel, gestaltet.

Dies unter einer Einschränkung, die für Deutschland spezifisch ist: ... es sei denn, sie sind noch nicht hinreichend aus den Eierschalen umgewandelter Militärflughäfen herausgeschlüpft. Deutschland, der ehemalige Frontstaat, weist eine beispiellose Dichte vom Militär aufgelassener Flughäfen auf.

Nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation 1990 war die Vision, die vielen Regionalflughäfen würden eines Tages ihr Auskommen mit der Deckung eines zivilen Bedarfs an Flugleistungen finden. Arbeitsplätze in abgelegenen Regionen zu erhalten und schaffen war das Motiv.

Was zu Zeiten der ersten Bundesverkehrsminister Seebohm (CDU) und Leber (SPD) die Vision vom Autobahnnetz mit maximal 30 Kilometern Entfernung von jedem Haus zum nächsten Autobahnanschluss war, war nach 1990 die Vision: Jeder Region ihren zivilen Flughafen! Um die Überlebensperspektive dieses Versprechens zu sichern, wurde viel Geld in die Hand genommen.

Diese Großzügigkeit musste gerechtfertigt werden, schließlich wurde die Erschließungs-Infrastruktur juristisch privilegiert durchgesetzt. Das erforderte Prognosen, die einen entsprechenden Bedarf auswiesen. Also war man gehalten, das Blaue vom Himmel zu prognostizieren.

Porträtaufnahme von Hans-Jochen Luhmann.
Foto: Wuppertal Institut

Jochen Luhmann

studierte Mathematik, Volks­wirtschafts­lehre und Philosophie und promovierte in Gebäude­energie­ökonomie. Er war zehn Jahre als Chef­ökonom eines Ingenieur­unternehmens und 20 Jahre am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie tätig. Er ist Heraus­geber der Zeit­schrift Gaia und Vorstands­mitglied der Vereinigung Deutscher Wissen­schaftler.

Die etablierten Großflughäfen blieben dieser Konkurrenz gegenüber nicht untätig. Sie investierten in ihr eigenes Wachstum, um den Regionalflughäfen Wasser abzugraben. Ein allseits subventioniertes Wettrennen, das Verlierer schaffen musste.

Die Coronakrise hat es geschafft, diese Blütenträume endlich platzen zu lassen. Doch bei den Airports werden die nun fällige Bereinigung und das Thema "CO2-neutrale Flughäfen" weiter im blinden Fleck gehalten. Dass der Flughafen München seine Ausbaupläne für eine dritte Startbahn vom bayerischen Ministerpräsidenten zu Grabe getragen bekam, ist eine Schwalbe, die noch keinen Frühling anzeigt.

Die doppelte Leerstelle

Vor einer Woche, am 6. November, hatte der Bundesverkehrsminister zum Corona-Luftfahrtgipfel nach Berlin geladen. Vertreten waren Bund und Länder, die Branchen der Luftfahrt sowie Verbände und Gewerkschaften. Die Behandlung der Flughäfen bei diesem Gipfel ist bemerkenswert.

Die "Gemeinsame Erklärung" der Teilnehmer stellt die Aufgabe, die sich für die offenkundig überbesetzte Flughafenlandschaft in Deutschland stellt, unter den schönrednerischen Titel "Die Zukunft des dezentralen Flughafen- und Flugsicherungssystems". Trotz des pandemiebedingten Verkehrsrückgangs seien die Airports weiterhin in Gänze geöffnet zu halten. Die Vorhaltekosten der Flughäfen für die Betriebsbereitschaft seien wesentlich vom Staat zu tragen.

In den Worten des Ergebnispapiers "bedarf es zusätzlicher gemeinsamer Anstrengungen von Bund und Ländern, um die wirtschaftliche Grundlage der Flughäfen mittelfristig zu sichern. Bund und Länder ... werden in den nächsten beiden Wochen in Gesprächen nach finanziellen Lösungen für die Flughäfen suchen, an denen sich Bund und Länder jeweils in gleichem Umfang beteiligen".

Finanzielle Großzügigkeit, um dem anstehenden Konflikt aus dem Weg zu gehen – nur so kann man die innere Logik dieses Versprechens charakterisieren.

Die Wahrheit ist: Es gibt zu viele Flughäfen in Deutschland, es existiert eine deutliche Überkapazität. Diese im Rahmen der Corona-Hilfen zu verringern wäre günstiger, als dem Motto zu folgen: "Erst durchfüttern und anschließend dichtmachen."

Das Stichwort "Klima" fällt im Hinblick auf Flughäfen nicht. "CO2-Neutralität", wozu sich immerhin sechs der großen deutschen Verkehrsflughäfen für 2050 verpflichtet haben, kommt nicht vor. Zum Vergleich: In Europa gibt es inzwischen 63 Flughäfen, die CO2-Neutralität bereits erreicht haben.

Stattdessen meint der Verkehrsminister, man müsse lediglich "das Vertrauen in die ökologische Verantwortung des Luftverkehrs stärken". In Wahrheit gilt: Das Vertrauen ist nur durch wirkliche Schritte zur Klimaneutralität, unter Einschluss der Flughäfen, zu stärken. "Vergisst" man die, wird Vertrauen beschädigt.

Das Klimakonzept der Bundesregierung, das beim Gipfel unter dem Titel "Innovationsprämie Luftfahrt" vorgestellt wurde, hat ein Volumen von einer Milliarde Euro. Es bietet allein Anreize zur beschleunigten Flottenmodernisierung, richtet sich somit allein an die Airlines.

Die Flughäfen gehen leer aus. Ihre Dekarbonisierung durch eine Innovationsprämie zu beschleunigen ist kein Thema – da wird eine Corona-Pause eingelegt.

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