Verkehr auf der Autobahn
Bislang ist der Anteil der Erneuerbaren im Verkehr ziemlich gering – die EU will das ändern, ohne konkrete Ideen dafür zu haben. (Foto: Julita Pasja/​Pixabay)

Der Verkehrssektor soll in Europa künftig stärker zum Erreichen der Klimaziele beitragen. Bis 2030 sollen mindestens 14 Prozent der Kraftstoffe aus erneuerbaren Quellen stammen. Darauf hatten sich das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten bei der Reform der Erneuerbare-Energien-Richtlinie in der vergangenen Woche verständigt.

Vor allem die Elektromobilität und Kraftstoffe aus Abfällen und Reststoffen sollen die Verkehrswende einläuten und für sinkende Emissionen sorgen. Agrokraftstoffen auf der Basis von Nahrungsmittelpflanzen will die EU dagegen einen Riegel vorschieben: Der Anteil wird in den einzelnen EU-Ländern auf das Niveau von 2020 (mit einem Aufschlag von einem Prozent) begrenzt, wobei er die Obergrenze von sieben Prozent des Energieverbrauchs im Verkehr nicht übersteigen darf.

Entsprechend wenig angetan von dem EU-Beschluss sind die Produzenten von Agrokraftstoffen. Der Absatz von Biodiesel und Bioethanol aus Agrarrohstoffen werde sich bis 2030 halbieren, warnt der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB). Weil einzelne Kraftstoffe und Technologien wie die Elektromobilität sowie erneuerbare Energien im Flug- und Schiffsverkehr mehrfach auf das 14-Prozent-Ziel angerechnet werden dürfen, würden die Agrokraftstoffe aus der Nutzung gedrängt.

"Taschenspielertrick" mit E-Autos

"Die überzogene Mehrfachanrechnung für Elektromobilität ist ein Taschenspielertrick, um die vermeintlich hohen Ziele für erneuerbare Energien zu erreichen", sagt VDB-Geschäftsführer Elmar Baumann. Das werde dann nur auf dem Papier gelingen, weil der Anteil fossiler Kraftstoffe fast unverändert bleibe. Nach Ansicht des Branchenverbandes braucht die EU auch weiterhin pflanzenbasierte Kraftstoffe in großem Umfang, um die Klimaziele zu erreichen und den Verkehr umweltfreundlicher zu gestalten.

Künftig sollen die Agrokraftstoffe vermehrt aus Reststoffen und Ernteabfällen raffiniert werden. Ihr Anteil am Einsatz erneuerbarer Energien im Verkehr soll im Jahr 2025 mindestens ein Prozent betragen und bis 2030 auf 3,5 Prozent wachsen. Das Ganze hat aber einen Haken: Derzeit gibt es kaum Unternehmen, die Kraftstoffe aus Ernteresten oder Abfällen herstellen.

Bislang werden Agrodiesel und -ethanol häufig aus angebauten Pflanzen oder einzelnen Bestandteilen davon gewonnen. Jahrelang tobte die Diskussion um "Teller oder Tank", die erst endete, als die EU sich vor drei Jahren darauf einigte, den Anteil der Ökoenergie aus Nahrungsmittelpflanzen im Verkehrssektor auf sieben Prozent zu deckeln.

Auch die Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (Ufop) ist mit der jetzigen Reform der Erneuerbare-Energien-Richtlinie, die für die Jahre 2021 bis 2030 gelten soll, unzufrieden. Künftig sollen die "erneuerbaren" Agrokraftstoffe aus Abfall- und Reststoffen sowie die Elektromobilität im Straßen- und Schienenverkehr jeweils mit einem bestimmten Faktor zwischen 1,5 und vier hochgerechnet werden – ohne tatsächlichen Effekt für den Treibhausgasausstoß im Verkehr, wie die Ufop moniert.

Ein schwaches Ziel wird schöngerechnet

Der Kritik schließt sich auch Laura Buffet vom europäischen Dachverband Transport and Environment (T&E) an. "In Wirklichkeit werden die Anteile von modernen Biokraftstoffen und Ökostrom aufgrund der Mehrfachanrechnung niedriger sein", sagt Buffet. Allerdings kann Buffet auch die Enttäuschung der Agrokraftstoff-Branche nicht verstehen. "Mit dem Beschluss geht die EU auf dem bereits eingeschlagenen Weg weiter voran", betont die T&E-Expertin gegenüber Klimareporter°. 2015 hatte die EU den Anteil der Agrokraftstoffe aus Pflanzen gedeckelt.

Trotz des Beschlusses war im vergangenen Jahr Agrodiesel aus Pflanzenöl mit einem Marktanteil von drei Vierteln der am häufigsten eingesetzte und billigste Agrokraftstoff auf dem europäischen Markt. Zwar gelten die Agrokraftstoffe im Vergleich zu fossilem Sprit als klimafreundlicher, aber Untersuchungen haben gezeigt, dass durch indirekte Landnutzungsänderungen, fachsprachlich ILUC, die Gesamtemissionen von Agrokraftstoffen ähnlich hoch oder sogar höher sein können als bei fossilen Brennstoffen. Zudem treibe die Produktion von Agrobenzin und -diesel die Abholzung von Regenwald an.

Weiterhin verpflichtet der EU-Beschluss die Mitgliedsstaaten dazu, dass der Verbrauch von Agrosprit aus Palmöl nicht den Verbrauch von 2019 übersteigen darf. Bis 2030 soll die Menge dann schrittweise auf null sinken. Für Laura Buffet von T&E viel zu spät. "Es ist eine Schande, dass die Europäer noch zwölf Jahre lang Palmöl verbrennen dürfen", klagt Buffet. Von allen Agrodiesel-Sorten hat Palmöldiesel die höchsten Treibhausgasemissionen, weil die Plantagen-Expansion in Südostasien, Lateinamerika und Afrika die Entwaldung und Entwässerung vorantreibt.

Sonderlich ehrgeizig ist das 2030er Erneuerbaren-Ziel im Verkehrssektor ohnehin nicht. Für 2020 hatte sich die EU einen Mindestanteil von zehn Prozent Erneuerbaren im Verkehr vorgenommen. Bis 2030 ist damit lediglich ein Wachstum um vier Prozentpunkte vorgesehen – bei weiter steigendem Verkehrsaufkommen gerade auf der Straße. 2016 kamen die Erneuerbaren EU-weit auf einen Anteil von 7,1 Prozent im Verkehrssektor.

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