Der Umweltausschuss des Europaparlaments hat scharfe Klimavorgaben für die Autoindustrie ins Gespräch gebracht: Bis 2030 sollen die Hersteller den CO2-Ausstoß ihrer Autos um 45 Prozent gegenüber 2021 senken. Zur Halbzeit sehen die Abgeordneten ein Zwischenziel von einem Fünftel vor.
Nach den schon gültigen EU-Vorschriften sollen Neuwagen 2021 höchstens 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Nach dem Votum des Umweltausschusses dürften es in zwölf Jahren nur noch knapp über 52 Gramm sein. Zum Vergleich: Derzeit sind es noch 118,5 Gramm – mehr als doppelt so viel.
Damit die künftigen Autos auch nicht nur im Labor klimafreundlich sind, haben die Abgeordneten die EU-Kommission zudem aufgefordert, neue Tests für den CO2-Ausstoß vorzuschreiben, wie sie es kürzlich für Stickoxide getan hat.
Die Grenzwerte gelten als Durchschnittswerte für die gesamte Neuwagenflotte eines jeden Herstellers. Sprich: Mit sehr verbrauchsarmen Fahrzeugen kann ein Autobauer seine Spritschleudern ausgleichen – auf den Schnitt kommt es an. Elektroautos und Hybridfahrzeuge dürfen ungeachtet der tatsächlichen Verhältnisse sogar als komplett emissionsfrei gerechnet werden. Durch sogenannte Supercredits gelten sie momentan sogar jeweils als anderthalb Fahrzeuge.
Mit wenigen – und wegen der Supercredits teils gar nicht existenten – E-Autos lässt sich so die ganze Flotte schönrechnen. Damit nicht nur so viele Elektroautos wie dazu hilfreich gebaut werden, will der Umweltausschuss auch eine Quote für Fahrzeuge mit sehr geringem CO2-Ausstoß einführen. Diese sollen bis 2030 mindestens 40 Prozent Marktanteil haben, heißt es in dem Beschluss.
Autolobby: "Das wäre ein markerschütternder Wandel"
Die Sozialdemokratin Miriam Dalli, die den Vorstoß erarbeitet hat, will die Autoindustrie so zur Erneuerung zwingen. "Das ist eine Chance, um der Branche neues Leben einzuhauchen, in Innovation zu investieren und damit das Wirtschaftswachstum anzukurbeln", sagte Dalli. "Wenn die Arbeiter entsprechend ausgebildet, umgeschult und weitergebildet werden, kann die Europäische Union ihren Bürgern nachhaltige und gute Jobs bieten."
Auf diese Chance würde die Branche allerdings liebend gern verzichten. Sie sträubt sich gegen die Klimaschutzpläne. "Wir sind sehr in Sorge wegen der Richtung, die der Umweltausschuss eingeschlagen hat", sagte Erik Jonnaert, Chef des europäischen Automobilherstellerverbands Acea. "Die beschlossenen sehr strengen Reduktionsvorgaben sind total unrealistisch, denn sie würden einen massiven und plötzlichen Wechsel zur Elektromobilität erfordern." Die Rahmenbedingungen für "einen solchen markerschütternden Wandel" seien noch nicht gegeben, sagte er, sparte allerdings aus, was denn dafür nötig sei. "Und die Verbraucher sind momentan einfach noch nicht bereit, komplett auf Elektroautos umzusteigen", so Jonnaert.
Der Cheflobbyist der deutschen Autobauer äußerte sich ähnlich. "Die vorgeschlagenen Ziele werden in diesem Zeitraum nicht umsetzbar sein", sagte Bernhard Mattes, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Im Weiteren variierte er seine Argumentation: Die Pläne des Umweltausschusses würden "zum Verlust vieler Arbeitsplätze in Europa führen".
Verkehrsclub: "Für die Klimaziele reicht das nicht"
Michael Müller-Görnert vom ökologisch ausgerichteten Verkehrsclub Deutschland (VCD) sieht in dem Vorstoß ein "wichtiges Signal für mehr Klimaschutz im Verkehr", das den Wechsel zu emissionsfreien Antrieben beschleunigen könne. "Allerdings sind noch ambitioniertere Vorgaben nötig, um die Klimaziele Deutschlands und der EU einzuhalten", sagte der Verkehrsexperte. Erforderlich sei eine CO2-Minderung um 60 bis 70 Prozent bis 2030.
Dass dies in eine EU-Verordnung Eingang findet, ist allerdings nicht anzunehmen. Nach welchen Regeln sich die Autobauer letztendlich richten müssen, wird auf Basis eines Vorschlags der EU-Kommission zwischen den zwei gesetzgebenden Organen der EU ausgehandelt, dem Parlament und dem Ministerrat, in dem die EU-Staaten direkt vertreten sind.
Die EU-Kommission hatte sich bislang für ein 30-Prozent-Ziel ausgesprochen. Das Parlament wird Anfang Oktober seine Position bestimmen – dem Votum des zuständigen Ausschusses muss es dabei nicht folgen, auch wenn es das oftmals tut.
Sollte die Vorlage nicht durchs Parlament gehen, ist eher mit Verwässerungen statt mit Verschärfungen zu rechnen. Und der Ministerrat ist in Umweltfragen traditionell deutlich zurückhaltender als das Parlament. Dass es nach der endgültigen Abstimmung zwischen allen Gremien bei der 45-Prozent-Minderung bleibt, ist deshalb unwahrscheinlich.