Problemfall E‑Auto? (Karikatur: Gerhard Mester; Copyright: SFV/​Mester)

Die deutschen Pkw-Hersteller leiden unter der geringen Auslastung vieler Werke. Ihre Autoverkäufe sind zurückgegangen, nicht nur in Europa, sondern auch in China. Dort werden zunehmend E‑Fahrzeuge aus heimischer Fertigung gekauft, die gute Qualität haben und im Vergleich zu europäischen Modellen oft günstiger sind.

Für Oberklasse-Fahrzeuge von Mercedes, BMW und der VW-Tochter Audi ist das noch ein geringeres Problem als für die VW-Kernmarke Volkswagen. Dieser Hersteller hat bisher kein günstiges elektrisches Massen-Fahrzeug auf dem Markt, das alten Klassikern wie dem Käfer oder dem Golf vergleichbar wäre. Die erschwinglichen E‑Modelle Cupra Raval der VW-Tochter Seat aus Spanien und der deutsche ID 2 sollen erst in den nächsten Jahren kommen.

Während in der EU die Nachfrage nach E‑Autos im ersten Halbjahr 2024 um 9,4 Prozent wuchs, sank diese zur gleichen Zeit in Deutschland um 16,4 Prozent, verglichen mit dem Zeitraum des Vorjahres.

Nur neun statt 15 Millionen E‑Autos bis 2030

Der ohnehin stockenden Verkehrswende droht der Rückschritt: Jeden Tag müssten um die 5.500 E‑Autos neu zugelassen werden, damit das Ziel der Bundesregierung von 15 Millionen E‑Autos bis 2030 erreicht wird. Aktuell gehen der Thinktank Agora Verkehrswende sowie die Berater der Boston Consulting Group von lediglich neun Millionen E‑Autos aus. Dies wird sich massiv auf die Erfüllung der Klimaziele Deutschland auswirken.

Der Autogipfel müsse ein klares Zeichen für den Umstieg auf E‑Mobilität setzen, forderte am Montag Simone Peter. "Jetzt ist der Markthochlauf der E‑Mobilität anzukurbeln und mit ihm die heimischen erneuerbaren Energien", erklärte die Präsidentin des Erneuerbaren-Verbandes BEE. Damit würde auch das Stromsystem stabilisiert, denn mit bidirektionalem Laden ließen sich Speicher in zwei Richtungen nutzen.

Bisher hat die Bundesregierung versucht, mit einem Gesetzespaket aus Wachstumsinitiative und Steuerfortentwicklungsgesetz mehr für die E‑Mobilität zu tun und so die strauchelnde Autobranche zu stützen.

Geplant ist es, die geltende ermäßigte Dienstwagenbesteuerung für E‑Luxusautos auf einen Bruttolistenpreis von bis zu 95.000 Euro auszuweiten. Problem hierbei ist: Deutschland fährt europaweit bereits die größten und schwersten Dienstwagen, die als Gebrauchtwagen für untere und mittlere Einkommensbezieher aber nicht erschwinglich sein werden.

Die beabsichtigte Förderung des Luxussegments wird deshalb nicht für einen wirtschaftlichen Markthochlauf von E‑Autos sorgen.

Idee der "Abwrackprämie" wiederbelebt

Der besonders betroffene VW-Konzern schlug zum Gipfel vor, einen neuen Kaufzuschuss für Elektrofahrzeuge einzuführen – ähnlich dem, der Ende 2023 abgeschafft worden war. Käufer könnten zum Beispiel 4.000 Euro vom Staat und 2.000 Euro vom Hersteller erhalten, wenn sie ein E‑Fahrzeug erwerben. Der BMW-Konzern lehnte den Zuschuss als "Strohfeuer" ab.

Parallel dazu regten Wirtschaftspolitiker der SPD an, bis zu 6.000 Euro aus staatlichen Kassen zu zahlen, wenn mit dem Kauf eines neuen E‑Autos der bisher gefahrene Benziner oder Diesel abgemeldet wird, eine Neuauflage der sogenannten Abwrackprämie.

Für den kriselnden VW-Konzern würden solche Zuschüsse wenigstens als Übergangslösung wirken, bis preiswerte Modelle auf dem Markt sind. Damit das funktioniert, müssten die Zuschüsse aber verlässlich über einige Jahre fließen.

Um im Einklang mit internationalen Handelsregeln zu stehen, müssten die Zuschüsse allerdings allen Anbietern zugutekommen, auch Importeuren aus China. Zudem kosteten derartige Subventionen wahrscheinlich Milliarden Euro pro Jahr, wobei der Bundeshaushalt für kommendes Jahr ohnehin noch große Löcher aufweist.

Vielleicht können aber als eine Art Brücke die zehn Milliarden Euro dienen, die die Bundesregierung vorläufig spart, weil die Intel-Chipfabrik bei Magdeburg erstmal nicht gebaut wird.

Verbesserte Abschreibung für E‑Dienstwagen

Ohnehin hat die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP vereinbart, eine zusätzliche Förderung für elektrische Firmenfahrzeuge und Dienstwagen in Gestalt neuer Abschreibungen einzuführen. Die Anschaffung der Stromer ließe sich dann zum Beispiel vermehrt von der Gewinnsteuer absetzen, was den Absatz ebenfalls ankurbeln soll. VW schlägt außerdem eine zusätzliche Abschreibung für geleaste E‑Dienstwagen vor.

Diese Lösung fiele wohl deutlich billiger aus als neue Kaufzuschüsse. Die FDP scheint einverstanden, das Konzept damit realistisch.

Nachteilig hier: Die Förderung richtet sich an Unternehmen und deren Angestellte, die in der Regel teure Dienstwagen fahren. Privathaushalte mit Durchschnittseinkommen profitierten eher nicht.

Zu allem Überfluss sehen sich die Hersteller ab 2025 weiter sinkenden Kohlendioxid-Grenzwerten gegenüber, die die vorrangig noch fossil betriebenen Fahrzeugflotten der europäischen Hersteller einhalten müssen.

VW plädiert für eine Verschiebung der niedrigeren Grenzwerte. Daimler und der Automobilverband VDA unterstützen das teilweise. Die Union fordert zudem, den EU-Beschluss aufzuheben, dass ab 2035 im Prinzip keine neuen Benzin- und Dieselfahrzeuge mehr zugelassen werden.

Hersteller wollen Klima-Grenzwerte hinausschieben

Vorteil einer Verschiebung wäre: Die hiesigen Hersteller erhielten eine Atempause. Auch würden ihre Kosten für die Umstellung auf den elektrischen Antrieb sinken oder die Strafzahlungen würden geringer ausfallen oder ganz wegfallen.

Allerdings nähme auch der Druck in Richtung der weltweit stattfindenden Wende zur Elektromobilität ab. Vermutlich wird die deutsche und europäische Autoindustrie jedoch nur dann überleben, wenn sie schnell auf die Herstellung konkurrenzfähiger Kohlendioxid-freier Fahrzeuge einschwenkt.

Sollte sich die Bundespolitik zu keiner substanziellen Hilfe aufraffen können, müssten die Unternehmen allein handeln. Besonders bei VW hat das Tradition. Mit Arbeitszeitverkürzungen und Lohnsenkungen könnte der Konzern im Kompromiss mit der Gewerkschaft die Kosten senken und auf diese Art ein paar Jahre überbrücken.

 

Konkrete Beschlüsse brachte der "Autogipfel" genannte Austausch an diesem Montag nicht. "Es war der Anfang einer größeren Gesprächsrunde", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Anschluss an das Online-Treffen.

Einig sei sich die Runde gewesen, dass langfristige Planbarkeit das Wichtigste sei, so Habeck. Man könne es so zusammenfassen: "Lieber keine Maßnahmen als Schnellschüsse."

Maßnahmen, über die bei dem Treffen gesprochen wurden, sollen nun in den Regierungsfraktionen diskutiert werden.

Der Beitrag wurde um 18:00 Uhr aktualisiert (Statement Habeck).