Diesel
Diesel: Nicht gesund und auch nicht klimafreundlich. (Foto: Santeri Viinamäki/​Wikimedia Commons)

"Der Diesel schützt das Klima." Das war und ist das Mantra der Autoindustrie, und unter anderem deswegen gibt es bis heute das Steuerprivileg für den Kraftstoff. Der Liter Diesel wird um 18,4 Cent niedriger besteuert als Benzin. Tatsächlich aber sind Diesel-Pkw keine Klimaschützer im Vergleich mit Benzinern.

Das zeigt eine neue Studie, die die realen Emissionswerte der Autos zugrunde legt, nicht die auf dem Prüfstand gemessenen, und außerdem die Klimawirkung der mit dem Abgas ausgestoßenen Rußpartikel einrechnet.

Der Kostenvorteil beim Tanken und die niedrigeren Spritverbrauchswerte haben die Diesel-Flotte in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten in Europa stark anwachsen lassen. So stieg der Diesel-Anteil bei den Neuzulassungen in den 15 Staaten, die seit 1995 zur EU gehören und den Großteil des europäischen Automarktes ausmachen, in den zwei Jahrzehnten bis 2015 von knapp 23 auf 52 Prozent an.

In Deutschland, dem Diesel-Vorreiterland, hat inzwischen fast jeder dritte Pkw auf der Straße einen Selbstzünder-Motor unter der Haube. Zuletzt sind die Zulassungszahlen wegen Dieselgate allerdings stark gesunken.

Die Folgen des Diesel-Booms haben Wissenschaftler des Potsdamer Nachhaltigkeitsinstituts IASS, der Hochschule Trier und der Verkehrsforschungsorganisation ICCT nun detailliert berechnet. Sie gingen dabei von den tatsächlichen Emissionswerten der Pkw aus, wie sie von ICCT-Experten ermittelt wurden.

Dabei zeigte sich, dass die Differenz zwischen dem "Normverbrauch" und dem tatsächlichen Spritdurst inzwischen auf rund 42 Prozent angestiegen ist. Entsprechend liegen auch die CO2-Emissionen höher – das trifft allerdings Benziner und Diesel gleichermaßen. Auf jeden Fall ergibt sich damit aber ein realistischeres Bild als in bisherigen Untersuchungen.

Klimafaktor Ruß

Rußpartikel aus Diesel-Pkw oder anderen Verbrennungsvorgängen wirken mehrfach auf das Klima.

Den größten Einfluss hat Ruß aufgrund seiner dunklen Farbe. Vor allem in der Arktis lagert sich Ruß nach einem Ferntransport durch die Atmosphäre auf den ursprünglich hellen Schnee- und Eisflächen ab, wodurch er deren Rückstrahlungsvermögen (Albedo) verändert und so eine frühere und intensivere Schneeschmelze bewirkt. Zwei Drittel der Rußpartikel auf den Eisflächen der Arktis stammen aus Europa.

Hinzu kommt: Die Rußpartikel absorbieren in der Luft Sonnenstrahlen und erwärmen so direkt die Umgebungsluft. Zudem verstärkt Ruß die Wolkenbildung und behindert dadurch den atmosphärischen Austausch.

Die Forscher beseitigen mit ihrer Studie aber auch den blinden Fleck in der bisherigen Debatte über Diesel und Klima – nämlich die Ruß-Emissionen der Selbstzünder. Die Rußpartikel, die beim Verbrennen von Diesel entstehen, sind zwar in erster Linie als Luftschadstoff bekannt, sie verstärken aber auch den Treibhauseffekt in der Atmosphäre – vor allem aufgrund ihrer dunklen Farbe (Ruß heißt auf Englisch "black carbon").

Der Ruß-Ausstoß führte noch in den 1990er und 2000er Jahren dazu, dass Diesel-Pkw trotz ihrer niedrigeren CO2-Werte unter dem Strich sogar deutlich klimaschädlicher waren als Benziner (siehe Grafik unten). Erst als dann die Diesel mit Partikelfiltern ausgerüstet wurden, die einen Großteil der Rußpartikel beseitigen, besserte sich dies. Seit 2001 ist die Klimawirksamkeit von Benzinern und Dieseln nach dieser Berechnung ähnlich hoch.

"Die Ruß-Emissionen machen den positiven Effekt der niedrigeren CO2-Emissionen für das Klima zunichte", sagt Studien-Koautorin Joana Leitão vom IASS. Heute seien zwar alle neueren Diesel-Pkw mit Partikelfiltern ausgerüstet, bestätigt sie Klimareporter°, allerdings beseitigten diese den Ruß eben nicht komplett. Zudem sei nicht gewährleistet, dass diese Autos über ihr gesamtes Fahrzeugleben mit funktionierenden Filtern fahren.

Forscher: Hybrid-Pkw statt Diesel fördern

"Die Klimafreundlichkeit des Diesels ist ein Mythos, denn die Treibhaus-Wirkung von Dieseln und Benzinern unterscheidet sich nicht signifikant", sagt Leitão. Die Ergebnisse der Untersuchung bezeichnet sie als "weiteren Beleg dafür, dass es umweltpolitisch keinen Grund gibt, den Diesel steuer- und abgabenrechtlich zu bevorteilen". Dem Bund entgehen laut Umweltbundesamt durch die niedrigere Diesel-Besteuerung rund 7,8 Milliarden Euro pro Jahr, wovon gut 3,5 Milliarden auf die Pkw-Nutzung entfallen.

Kurvendiagramm: Reale Emissionen neu zugelassener Pkw in Europa 1995 bis 2015, in Gramm CO₂-Äquivalent pro Kilometer.
Reale Treibhausgasemissionen neu zugelassener Pkw in Europa in Gramm CO2-Äquivalent pro Kilometer. (Grafik: aus der Studie)

Laut den Forschern wäre es für das Klima besser gewesen, wenn die EU-Länder ähnlich wie Japan Hybrid-Pkw (Benzin- plus E-Motor) und zusätzlich Erdgas-Autos statt der Dieselautos gefördert hätten. Dann wäre der Anteil der Diesel-Neufahrzeuge bis 2015 auf unter zwölf Prozent gesunken, der von Hybrid- und Erdgas-Fahrzeugen hingegen auf 39 respektive vier Prozent gestiegen. Die treibhauswirksamen Emissionen lägen dann immerhin um 3,4 Prozent niedriger als in der Realität.

Fazit der Experten: Um die aus Klimaschutz-Gründen notwendigen radikalen Emissionsminderungen zu erreichen, muss künftig entweder der Gesamtbestand der Autos reduziert werden oder es müssen die Emissionswerte stark abgesenkt werden. Und zwar die realen, nicht die auf dem Papier.

Anzeige