Touristische Gruppe rollt auf Segways hintereinander den Gehweg entlang, alle mit identischen Helmen und mit Badges um den Hals.
Stört den Fußverkehr, sieht doof aus und ist teuer – trotzdem oder deswegen haben Segways zwanzig Jahre lang die Spalten der Magazine gefüllt. (Foto: Peter Griffin/​Public Domain Pictures)

Ich weiß nicht recht, ob es gut oder schlecht ist, dass die US-Firma Segway gerade die Produktion ihrer "human transporter" eingestellt hat. Die Süddeutsche Zeitung jedenfalls bejubelte das Aus für den legendär erfolglosen Stehroller in ihrem Feuilleton und begründete dies mit der angeblich miserablen äußeren Anmutung dieser Fortbewegungsart, die vor fast zwanzig Jahren als revolutionärer Durchbruch elektrifizierter Mikromobilität gefeiert wurde.

In der Tat wirkten die waghalsigen Menschen, die sich einem Segway anvertrauten, immer etwas wunderlich, in ihrer leicht nach vorne gebeugten Haltung. Vor allem dann, wenn sie im surrenden Pulk auftraten, wie im Englischen Garten in München, wo ein Touristikunternehmen bis heute Segway-Touren anbietet.

Im Normalbetrieb auf den Straßen sah man die Einachs-Roller so gut wie nie, was wohl weniger am offenkundigen Doof-Faktor der Segway-Mobilität lag, sondern am hohen Preis der Gefährte und der vergleichsweise komplexen Bedienung mittels Verlagerung des eigenen Körpergewichts.

Doch vielleicht tut man dem einst innovativen Hightech-Mobil ja unrecht, wenn man sich vor Augen führt, dass erwachsene Menschen auch auf herkömmlichen Rollern, werden sie nun im Tret- oder Elektromodus betrieben, irgendwie würdelos aussehen. Ein Roller ist etwas für Kinder, bestenfalls noch für vergnügungssüchtige Teenager mit Lenker in der einen, Bierpulle in der anderen Hand.

Aber Mama und Papa, Oma und Opa sollten sich lieber einem handelsüblichen Fahrrad anvertrauen. Macht einfach eine bessere Figur. Auch alt gediente Skateboard-Veteranen mit ergrautem Vollbart und umgedrehtem Basecap wirken auf den Brettern eher peinlich, was gleichermaßen für jung gebliebene Senioren in quietschbunter Radlkostümierung gilt.

Ob das Ende des Segways etwas mit der Coronakrise zu tun hat, ist unklar. Jedenfalls nutzen derzeit viele Unternehmen die Pandemie, um sich ihrer Altlasten zu entledigen, allen voran Karstadt-Kaufhof, für dessen Eigner, den österreichischen Immobilien-"Wunderwuzzi" René Benko das Virus ein Himmelsgeschenk gewesen sein dürfte.

Aber auch ökologisch gesinnte Kommunen nutzen die Situation, um Maßnahmen durchzupauken, die man in normalen Zeiten glatt vergessen könnte. Dazu zählen die überfallartig aufmarkierten "Pop-up"-Fahrradwege auf viel befahrenen Straßen wie der Elisenstraße in München oder die massive Erweiterung von Freischankflächen auf Kosten von Parkplätzen mittels grob zusammengezimmerter, in den Straßenraum hineinragender Holz-Terrassen.

Immer weniger Parkplätze

Vielleicht meinen die verantwortlichen Politiker, die Leute würden jetzt widerstandslos alles schlucken, was man ihnen vorsetzt, wenn man nur das Zauberwort "Corona" ausspricht, und sie seien ja nun Schlangestehen und ewiges Warten gewohnt. Da könnten sie auf der Suche nach den immer spärlicheren Parkplätzen auch ein Stündchen erfolglos durch die Nachbarschaft kurven.

Ich finde das ungerecht, weil ich zu jenen, ja vorbildlichen, Zeitgenossen gehöre, die ihr Auto aus Prinzip so gut wie nie in der Stadt benutzen, höchstens einmal alle Vierteljahr, um beim Großhändler zwei Pakete Umweltpapier abzuholen. Die Kisten sind so schwer, dass das Fahrrad darunter zusammenbrechen würde. Und ein motorgestütztes Lastenrad, dessen Preis an den eines Segways durchaus heranreicht, würde sich für mich nicht lohnen.

Wie sich auch ein Carsharing-Auto für mich nicht rentieren würde, weil ich fast nur am Wochenende ins Auto steige, dann aber meist längere Strecken zurücklege, etwa zur Schwiegermutter auf dem Land, der Kofferraum immer vollgerümpelt mit schmutziger Wäsche, umzutopfenden Blumen, Hund und anderem Gedöns –  weswegen auch die Bahn von vornherein ausscheidet.

Foto: Monika Höfler

Georg Etscheit

lebt als Autor und Journalist in München – und regt sich leidenschaftlich gern über die kleinen und großen Stressmomente des Alltags auf.

Wobei die Suche nach einem fahrbereiten Untersatz von Stattauto oder anderen Carsharing-Anbietern am Wochenende fast so schwer ist wie die eines Parkplatzes in vertretbarer Nähe zur eigenen Behausung.

Über der sonntagabendlichen Heimfahrt schwebt dann immer das Damoklesschwert der vergeblichen Parkplatzsuche. Irgendwann wird man sich überlegen müssen, ob man nicht ganz rauszieht. Geld für einen E-Golf plus elektrifiziertem Dauerparkplatz in der Einwohnertiefgarage habe ich jedenfalls nicht, im Gegensatz zu vielen der hier lebenden Angehörigen der Schwabinger Ökobourgeoisie.

Mir ist schleierhaft, warum Elektroautos von Umweltschützern überhaupt als Lösung unserer Mobilitätsprobleme gepriesen werden. Sie machen wegen überschaubarer Batteriereichweiten bislang eigentlich nur im Stadtverkehr Sinn. Und in der Stadt soll man doch nicht mehr Auto fahren! Das kann verstehen, wer will.

Bleibt zu hoffen, dass die Segway-Pleite kein Menetekel ist für die Zukunft der Elektromobilität. Wobei man in einem schicken Tesla-Coupé immerhin eine bessere Figur macht als auf dem Stehroller – solange man nicht saft- und kraftlos am Straßenrand liegengeblieben ist und auf den Abschleppdienst wartet.

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