Andreas Knie (Bild: WZB)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung.

Klimareporter°: Herr Knie, um die Nachfrage nach E‑Autos in Deutschland wieder anzukurbeln, fordert der Verband Transport and Environment Deutschland von der schwarz-roten Koalition die Einführung eines Social Leasing nach französischem Vorbild. Kranken die deutschen Fördermaßnahmen daran, dass sie sich hauptsächlich an Besserverdiener:innen richten?

Andreas Knie: Grundsätzlich ist die Autoförderung in Deutschland immer für die Besserverdienenden.

Die Dienstwagenbesteuerung ist für hohe Einkommen und teure Autos richtig attraktiv. Die Entfernungspauschale kommt nur dann richtig zur Geltung, wenn das zu versteuernde Einkommen hoch ist.

Das hat Wirkung gezeigt. Wir haben in Deutschland einen Bestand von rund 70 Millionen Kraftfahrzeugen, davon sind allein 50 Millionen Pkws.

Gleichzeitig sind in Deutschland nur 54 Millionen Menschen berechtigt, ein Fahrzeug zu steuern. Also: Wie viele Fahrzeuge wollen wir eigentlich noch haben?

Ein Social Leasing ist daher der falsche Ansatz. Hilfreich wäre es, alle diese Privilegien für Verbrennerfahrzeuge einzustellen und nur noch Autos finanziell zu unterstützen, die einen vollelektrischen Antrieb haben. Über Nacht würden sich die Strukturen der Zulassung dann ändern.

Apropos Elektroauto: Tesla befindet sich weiter im Sturzflug. In Europa sind die Tesla-Verkäufe im April um mehr als die Hälfte im Vergleich zum Vorjahresmonat eingebrochen. Eine schlechte Nachricht für die Verkehrswende – oder eine Chance für Autohersteller, die nicht von einem Rechtsradikalen geleitet werden?

Ohne Tesla hätten wir nicht den hohen aktuellen Stand der Elektromobilität. Tesla hat die gesamte Branche auf eine neue Stufe gestellt und gerade den etablierten Unternehmen gezeigt, dass ihre vermeintliche Kompetenz so gar nicht existiert.

Zudem muss man die Person Elon Musk von dem Auto trennen können – auch wenn es schwerfällt. Denn wenn diese Logik gelten würde, könnte man auch keine deutschen Autos kaufen. Volkswagen ist mit dem geraubten Geld der Gewerkschaften von den Nazis gegründet worden.

Ex-VW-Chef Martin Winterkorn steht vor Gericht, Audi-Chef Rupert Stadler ist bereits verurteilt. Die Gerichte haben allen deutschen Herstellern attestiert, in einem bandenmäßigen Betrug systemisch manipuliert und die Folgen jahrzehntelang auf Kosten der Verbraucher verschleiert zu haben.

Gerade für Deutschland gilt daher, in Sachen Tesla nicht so vorschnell die Moralkeule zu schwingen.

Flixtrain investiert Milliarden in 65 neue Schnellzüge. Steigt damit der Druck auf die Deutsche Bahn und letztlich auf die Politik, den Ausbau der Schiene voranzutreiben?

Um allein das bestehende Schienennetz von 33.000 Kilometern Länge auf den aktuellen technischen Stand zu bringen, brauchen wir rund 100 Milliarden Euro. Die haben wir nicht.

Wir müssen uns ehrlich machen: Wenn weiterhin das Auto im Fokus der Politik bleibt und die Schiene eher am Rand und auch nur als Alibi behandelt wird, gibt es nur zwei Wege der Modernisierung. Entweder schrumpfen wir die Bahn auf ein Maß, das wir uns leisten können, oder wir holen massiv privates Geld ins Land und beteiligen Investoren am Schienennetz. Auch die neue Koalition eiert in dieser Frage immer nur herum.

Viele Großspeicherprojekte stehen in Deutschland in den Startlöchern. Wie viele Großspeicher unser Stromsystem brauchen wird, hängt auch davon ab, wie gut es gelingt, Elektroautos als dezentrale Speicher einzubinden. Sind wir da auf dem richtigen Weg?

Durch die massive Senkung der Kosten für batterieelektrische Speicher werden gleichsam über Nacht neue Geschäftsmodelle möglich. Parallel sinken auch die Preise für die Antriebsbatterien und ermöglichen flächendeckende, dezentrale, schlaue Netze.

Aber leider blockieren die Fahrzeughersteller immer noch den Zugriff auf die Batterien, und in guter deutscher Tradition beschäftigen wir uns erstmal mit Normierungs- und Standardisierungsfragen, bevor wir über lohnenswerte Geschäfte nachdenken.

Gleichzeitig fördert unsere überkomplexe Rechtssituation auf dem Strommarkt die Hürden für neue Unternehmen. Anreize, in das bidirektionale Laden mit kleinen Quartiersspeichern einzusteigen, existieren daher nicht. Insofern werden wir in Deutschland auch hier in Kürze von anderen Ländern überholt werden.

 

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Jetzt ist es amtlich: Wir fahren weniger Auto. Die Zahl der Wege geht genauso zurück wie die mit dem Auto zurückgelegten Entfernungen. Füße und Fahrrad haben mächtig aufgeholt. Das sind jedenfalls die Ergebnisse der gleichsam amtlichen Verkehrserhebungen "Mobilität in Deutschland" und "System repräsentativer Verkehrserhebungen", kurz MiD und SrV.

Aber was passiert? Nichts! Es werden fleißig weiter Straßen gebaut, Autobahnen sind im Bau und neue werden geplant. Noch immer gilt das alte Motto "Kraftfahrt tut not" aus dem Jahr 1934 – und der Slogan, der für ganz Deutschland galt: Was fehlt, sind Straßen!

Wir bauen eine Infrastruktur für eine Gesellschaft, die es nicht mehr gibt, mit Geld, das wir gar nicht haben. Wir verschulden uns für den Weg zurück in die Vergangenheit. So wenig Zukunft war noch nie.

Fragen: David Zauner