Elektroautos könnten künftig weit mehr sein als nur ein Verkehrsmittel. Sie könnten ein wichtiger Baustein der Energiewende im Strombereich werden.
Das Stichwort lautet "bidirektionales Laden": Dabei dienen die Batterien der Fahrzeuge nicht nur als Speicher, sondern sie können die Energie auch wieder abgeben – ins Haus oder direkt ins öffentliche Netz.
Eine aktuelle Analyse des Energiekonzerns Eon zeigt, wie groß dieses Potenzial schon heute ist. Laut dem Unternehmen sind in Deutschland derzeit bereits über 225.000 der insgesamt rund 1,7 Millionen E‑Fahrzeuge technisch dafür vorbereitet ("bidi-ready"), Strom in beide Richtungen fließen zu lassen.
Das ist eine wichtige Entwicklung, denn sie könnte laut der Eon-Analyse helfen, den Einsatz von Erdgas-Kraftwerken deutlich zu reduzieren und die Versorgung in Zeiten knapper erneuerbarer Energien abzusichern.
Die Zahlen aus der Untersuchung machen deutlich, was möglich wäre: Wird davon ausgegangen, dass 60 Prozent der Batteriekapazität dieser Fahrzeuge flexibel genutzt werden können, ergibt sich ein kurzfristig nutzbares Speichervolumen von knapp 8.000 Megawattstunden.
Nächtlicher E-Auto-Strom für elf Haushalte
Damit könnten rechnerisch 2,5 Millionen Haushalte in Deutschland zwölf Stunden lang über Nacht mit Strom versorgt werden – konkret von 17:30 Uhr bis 5:30 Uhr. "Diese Leistung entspricht der von knapp zweieinhalb großen Gaskraftwerken, die in dieser Zeit stillstehen könnten", sagte Eon-Vertriebschef Filip Thon.
Soll nur die typische Abend-Stromspitze zwischen 17:30 Uhr und 22:30 Uhr abgedeckt werden, könnten die bidi-geeigneten E‑Autos zusammen sogar Strom für etwa 4,2 Millionen Haushalte liefern, was dann etwa fünfeinhalb großen Gaskraftwerken entspräche.
Ein einzelnes Auto mit einer Akkukapazität von rund 65 Kilowattstunden könnte in dieser Zeitspanne durchschnittlich elf Haushalte versorgen, für die fünf Stunden der Abendspitze sogar bis zu 19.
Auf Bundesländerebene ist das Potenzial besonders stark in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen. Dort sind die meisten Fahrzeuge mit der Technologie zugelassen, in NRW zum Beispiel rund 46.000. Mit ihrer nutzbaren Speicherkapazität von 1.600 Megawattstunden ließen sich dort etwa eine halbe Million Haushalte über Nacht versorgen.
In Bayern reichen die über 38.000 Fahrzeuge für rechnerisch fast 430.000 Haushalte, in Niedersachsen die knapp 33.000 für 367.000 Haushalte.
Neben der Versorgungssicherheit spielt auch der Klimaschutz eine Rolle. Wenn die "Bidi-Autos" jährlich 200 Teilentladezyklen mit 60 Prozent Akkunutzung durchliefen, könnten laut Eon rund 238 Millionen Kubikmeter Erdgas eingespart werden.
Dadurch würden rund 500.000 Tonnen CO2 vermeiden – in etwa so viel, wie 186.000 Haushalte mit Gasheizung pro Jahr verursachen. Auch die Klimabilanz der E‑Mobilität könnte so deutlich verbessert werden.
Politik soll Rahmen setzen
Trotz dieser beeindruckenden Zahlen hapert es hierzulande mit der praktischen Umsetzung. Es fehlt bislang an dafür zertifizierten Wallboxen und Systemkomponenten, die eine sichere Rückspeisung ermöglichen.
Auch die regulatorischen Rahmenbedingungen sind noch nicht geklärt. Mehrere Fragen müssen noch beantwortet werden, etwa: Wer darf wann Strom einspeisen? Wie werden Einsätze vergütet? Welche Haftungsfragen ergeben sich bei möglichen Schäden durch zusätzliche Ladezyklen?
Für die Fahrzeughalter ist zudem entscheidend, ob sich das Ganze wirtschaftlich lohnt. Pilotprojekte wie "Bi-clever" von Eon zeigen laut Darstellung des Unternehmens, dass Einnahmen von mehreren Hundert Euro pro Jahr möglich wären.
Neben der Technik und den Regeln spielen auch Akzeptanz und Verhalten eine Rolle. Damit E‑Auto-Nutzer:innen gerne mitmachen, braucht es ein System, das automatisch dafür sorgt, dass immer genügend Akku-Reichweite für den nächsten Tag vorhanden ist, während überschüssige Kapazität ins Netz zurückgespeist wird.
Voraussetzung dafür sind intelligente Steuerungen und Tarife, die Anreize bieten, den Strom genau dann abzugeben, wenn er am dringendsten gebraucht wird. Experten sprechen von "Smart Charging" als Ergänzung zum bidirektionalen Laden.
Damit das große Potenzial ausgeschöpft wird, das sich bei den künftig stark ansteigenden Zahlen an "Bidi"-Fahrzeugen ergibt, braucht es politische Weichenstellungen. Der Tüv-Verband etwa fordert, dass klare rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Verbraucher:innen ihr Auto zuverlässig als mobilen Stromlieferanten nutzen können.
Der ADAC wiederum verlangt eine steuerliche Gleichbehandlung von "rollenden Speichern" wie E‑Autos mit stationären Speichern, damit die Strom-Rückspeisung nicht durch doppelte Besteuerung wirtschaftlich unattraktiv wird.

Es bräuchte nicht zwingend Gaskraftwerke, allerdings bräuchte es auf jeden Fall steuerbare Erzeugung.
Das können BHKW oder andere Erzeuger (Gasturbinen, GuD-Anlagen) sein, die mit Wasserstoff oder Biogas betrieben werden.
Tauschakkus machen E-PKW (aber auch Busse und LKW) günstig, alltagstauglich und damit für alle potenziellen Nutzer attraktiv. Und Tauschakkus sind die Voraussetzung dafür, dass autonome Flotten schon mittelfristig effizient „floaten“ können, damit insgesamt weniger Einheiten im öffentlichen Raum herumstehen.