Auspuff eins Autos in Großaufnahme.
Der Auspuff ist das Problem, nicht so sehr das Auto, meint Martin Unfried. (Foto: Paulina Hunderteins/​Pixabay)

Klimaschützer engagieren sich organisiert gegen Kohle und Atom. Sie organisieren Volksentscheide in Sachen Fahrradinfrastruktur. Sie sitzen auf den Bäumen im Dannenröder Forst, um ein Stück genehmigte Autobahn zu verhindern, manche beschimpfen SUV-Besitzerinnen vor der Kita.

Eines aber tun sie nicht: Hunderttausende für den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor zu mobilisieren, obwohl das essenziell für die deutschen Klimaziele ist.

Warum ist das für die Klimabewegung und klimapolitisch bewusste Bürger nur ein untergeordnetes Thema?

Vier Aspekte dürften entscheidend sein.

  • Weite Teile der Öffentlichkeit wissen nicht um die Wichtigkeit des Verbrennungsmotorausstiegs, der mit dem Braunkohleausstieg vergleichbar ist.
  • Es fehlt die gesellschaftliche Begeisterung für die reale Alternative, also das Elektroauto.
  • Die deutsche Umweltbewegung war aus strategischen Gründen in Sachen Elektroauto immer ambivalent, und die klassischen Ökos sind bis heute skeptisch.
  • Die Bedeutung der Elektromobilität für die Energiewende wird drastisch unterschätzt.

Zuerst zu den Informationsdefiziten: Es ist immer wieder erstaunlich, wie viele erklärte Klimaschützer nicht wissen, wie entscheidend die Motorenfrage für die deutschen Klimaziele ist.

Die Sprunghaftigkeit politischer Debatten von Inlandsflugverzicht über den Emissionshandel bis zum Tempolimit erschwert es zugegebenermaßen, klar zu bekommen, was Nebensachen sind und welcher technologische Ausstieg wirklich den Unterschied macht.

Bei der Kohleverstromung wurde das breit diskutiert und nun auch mit dem Ausstiegsjahr 2038 versehen.

Weniger bekannt ist, dass ein Zulassungsende auch für den Betrieb der fossilen Öl- oder Gasheizung zu Hause kommen muss. Wenige wissen, dass Ölheizungen nach einem Beschluss der Regierung zumindest ab 2026 nur noch gekoppelt an erneuerbare Energien eingebaut werden dürfen.

Gar nicht diskutiert wird aktuell die große Stellschraube der Industrie: der Ausstieg aus der heutigen Stahl- und Chemieproduktion mit fossilen Brennstoffen. Oder im Bausektor: das Ende des konventionellen Bauens mit Beton. Wird seltenst bei Partys besprochen.

Stattdessen werden die immer gleichen individuellen Moralfragen – Schnitzel, Flüge, Suchmaschine – erörtert.

Immer bleibt eine Hintertür für die Verbrenner offen

In die Reihe der unterbelichteten Großprojekte gehört der Abschied vom Benzin- und Dieselmotor im Pkw. Dieser ist nötig, um Autofahren mit Elektromotor und Ökostrom möglich zu machen. In erster Linie wird das batterieelektrisch sein. Brennstoffzelle und Wasserstoff kommen wegen der schlechteren Effizienz wohl weniger zum Zug.

Das Problem des Verbrennungsmotors ist nun, dass erneuerbares und klimaneutrales Autofahren mit Benzin und Diesel nicht möglich ist – und auch mit alternativen Treibstoffen wenig sinnvoll. Biotreibstoffe sind nach heutiger Forschungslage nicht nachhaltig verfügbar.

Die Produktion von synthetischen Treibstoffen mit erneuerbarem Strom ist so wenig effizient und teuer, dass sie vor allem in Bereichen wie dem Schiffs- und Flugverkehr eingesetzt werden müssen, wo batterieelektrische Antriebe technisch nicht denkbar sind. Das unterstreichen Studien der Agora Verkehrswende und des Sachverständigenrats für Umweltfragen.

Anders als viele Politiker von CDU und SPD immer noch behaupten, sind synthetische Kraftstoffe demnach keineswegs die Rettung des Verbrenners.

Überraschend hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ein Zulassungsende für Verbrenner für das Jahr 2035 gefordert, jedoch mit dem Zusatz "angetrieben mit fossilen Brennstoffen". Das sollte die Hintertür der Bio- oder synthetischen Treibstoffe offenhalten. Sein baden-württembergischer Amtskollege Winfried Kretschmann war übrigens derselben Meinung.

Nach Berechnungen des Sachverständigenrates für Umweltfragen braucht es allerdings sechsmal so viel Ökostrom, um einen Verbrennungsmotor mit grünem synthetischen Treibstoff zu betreiben, wie für einen Elektromotor.

Das bedeutet leider: Verbrenner fahren aus Kostengründen wohl auch in 15 oder 25 Jahren noch mit Benzin und Diesel. Werden im Jahr 2030 noch Millionen neue Benzin- und Dieselautos zugelassen, dann müsste man sie – oder Diesel und Benzin – bald darauf verbieten, sonst wäre der Klimaschutz in Deutschland daran gescheitert.

Ein Horrorszenario für jede politische Partei, die künftig noch Wahlen gewinnen möchte. Im schlechtesten Fall ginge es wie bei den rechtlich ungeschickten Ausstiegen aus Atom und Kohle: Der Staat müsste die Besitzer von Verbrennern mit Milliarden Euro für den politisch verursachten Schaden kompensieren.

Schon deshalb wäre es politisch intelligenter, die Zulassung frühzeitig zu beenden, wie das Norwegen, Schweden, Dänemark, die Niederlande und Großbritannien bereits beschlossen haben (zwischen 2025 und 2035). Die Zeit drängt wirklich: Selbst wenn 2025 mit dem Verkauf von Benzinern und Dieseln Schluss sein sollte, wird es ohne Verbote Jahrzehnte dauern, bis die letzten von den Straßen verschwinden.

Weil die Zusammenhänge komplex sind, ist das Potenzial, gesellschaftlichen Druck aufzubauen, eher schwach. Wer wird schon emotional aufgewühlt für ein "rechtzeitiges Zulassungsende" demonstrieren?

Warum gelingt beim E-Auto nicht, was bei Windkraft gelang?

Aber es kommt noch ein weiterer demobilisierender Aspekt hinzu: fehlende Begeisterung für die Alternative. Atom- und Kohlegegner plädieren für einen schnelleren und massiven Ausbau der erneuerbaren Energien. Trotz der Zielkonflikte im Bereich des Naturschutzes ist die Unterstützung dieser Alternative im Lager der Umweltfreunde stabil.

Ökologisch engagierte Bürger haben als Pioniere in Photovoltaik und Windenergie investiert. Auch täuschen die vielen Anti-Windkraft-Initiativen darüber hinweg, dass die Unterstützung in der Bevölkerung immer noch erstaunlich solide ist, wie Meinungsumfragen zeigen.

Beim Elektroauto ist die Lage anders. Das hat bis heute merkwürdigerweise nicht so viele Fans. Und zwar bis vor Kurzem sowohl in Wirtschaft und Politik, bei den klassischen Autoliebhabern als auch bei den Ökos.

Der Schriftsteller Ilija Trojanow hat in einem tragisch-komischen Bericht in der Taz sein erstes Jahr mit einem Elektroauto beschrieben. Es waren vor allem negative Reaktionen, sogar Aggressionen, die ihm begegneten und eine unglaubliche Skepsis und Ablehnung.

Warum ist das so? Viele Jahre bremste vor allem die deutsche Autoindustrie – mit Unterstützung der von ihr abhängigen Motorpresse, die geradezu ritualisiert die technische und finanzielle Machbarkeit der E-Mobilität bestritt. Bis heute hat der Mainstream der Autojournalisten keinen Frieden geschlossen mit Elektromotoren.

Die Deutungshoheit wurde erst gebrochen, als drei wesentliche Ereignisse zusammenkamen. Zum einen zwang der Dieselskandal den Volkswagen-Konzern in die Umwelt-Offensive. VW-Chef Herbert Diess war vor zwei Jahren der erste Konzernchef, der voll und mit erheblichen Investitionen auf batterieelektrische Autos setzte. Und das gegen die Position von BMW und Daimler, die immer noch von Technologieneutralität faselten.

Martin Unfried

arbeitet an der Universität Maastricht am Institut für grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Mobilität ITEM. Der studierte Politikwissenschaftler wurde als Kolumnist für die Tageszeitung Taz und andere Medien bekannt. Sein Text erschien zuerst in der aktuellen Ausgabe von Taz Futurzwei, Magazin für Zukunft und Politik.

Die VW-Entscheidung war allerdings nur möglich, weil gleichzeitig ein Außenseiter – gegen alle Erwartungen – den Markt aufgemischt und das Oligopol der Autokonzerne auf Technik und Emotion geknackt hatte. Tesla.

Plötzlich waren alle Ausreden der Verbrennerlobby entlarvt: Das Elektroauto war technisch machbar, mit großen Reichweiten und sogar altbackenen Rennwagen-Allüren, die technikaffine Liebhaber ansprachen. Mit dem Model 3 betrat Tesla dann auch noch eine gefährliche Preisklasse, in der eigentlich viele deutsche Passats, Audis und BMWs verkauft werden sollen.

Es spricht einiges dafür, dass es ohne Tesla-Chef Elon Musk noch keine Massenproduktion von elektrischen Autos geben würde, und keine konkrete Hoffnung auf erneuerbaren Autoverkehr in Deutschland. Der Bau einer Tesla-Fabrik in Brandenburg war der ultimative Schock für die Branche.

Auch die neue europäische Gesetzgebung war von Tesla beeinflusst. Hatten die Konzerne 2018 und 2019 in Brüssel mithilfe der Bundesregierung noch verhindert, dass explizit ein Zulassungsende für Verbrenner definiert wurde, so zeigte sich schnell, dass die gesetzlich festgelegten Flottenverbräuche bis 2025 und 2030 nur durch Elektrifizierung zu erreichen sind.

Bereits der Boom neuer elektrischer Modelle in diesem und dem vergangenen Jahr ist nur dadurch zu erklären, dass den deutschen Autokonzernen hohe Strafzahlungen drohen. Deshalb war der staatliche Umweltbonus von 6.000 Euro beim Kauf von Elektroautos so wichtig, damit die Konzerne weniger vehement die Förderung von Verbrennern forderten. Auch deshalb ist der Durchbruch bei den Verkaufszahlen in Deutschland da, allerdings später als in den Pionierländern.

Es waren also sehr stark Tesla und die EU, die das Elektroauto voranbrachten.

Das strategische Versagen der Umweltverbände

Es war weniger die Unterstützung von Umweltverbänden und schon gar nicht der Druck von ökologisch orientierten Konsumenten. Es gab zwar viele Kampagnen der Umweltverbände für anspruchsvollere CO2-Flottenverbräuche und zuletzt auch für ein Zulassungsende. Jedoch haben diese Verbände im letzten Jahrzehnt eine Ja-aber-Strategie verfolgt. Pro Elektroauto, aber mit vielen Bedingungen und Bauchschmerzen.

In einem Greenpeace-Papier aus dem Jahre 2009 hatte Verkehrsexperte Wolfgang Lohbeck diese Position differenziert dargestellt. Da war bereits zu Recht vom Problem des Batterierecyclings und der Rohstoffe die Rede. Vor allem schien es für Umweltverbände damals viel dringender, dass die Industrie endlich die aktuellen Verbrennermodelle leichter und sparsamer machen sollte, als auf die ungewisse Elektrozukunft zu setzen.

Ähnlich argumentierte lange Jahre der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) mit seiner Auto-Umweltliste, die gedacht war als Verbraucherberatung in Richtung verbrauchsarme Benziner, Diesel und Gasfahrzeuge.

Aus heutiger Sicht ist die Auto-Strategie der Verbände spektakulär gescheitert. Die Marketing-Nebelkerzen der Autoindustrie, etwa das Drei-Liter-Auto von VW im Jahre 1998, verschleierten, dass die verkauften Diesel und Benziner trotz Auto-Umweltliste immer größer, schwerer und mehr wurden, auch weil die Konsumenten anscheinend wenig ökologisch orientiert waren.

So wurde die Entwicklung der deutschen Fahrzeugflotte eine der größten Niederlagen der deutschen Umweltbewegung. Während sie den Ausstieg aus der Atomenergie und den Einstieg in die erneuerbaren Energien tatsächlich erzwang, war sie in Sachen Verkehr und Auto erfolglos.

Selbst die deutschen Städte sind bis heute stärker vom Auto dominiert, als es bei den innovativen Nachbarn der Fall ist. Nach Zahlen des Umweltbundesamtes sind die gesamten Kohlendioxidemissionen des Pkw-Verkehrs zwischen 1995 und 2018 um 3,7 Prozent angestiegen. Im Ergebnis hat so der Verkehrsbereich den Klimaschutz bis heute boykottiert.

Der zentrale Grund für die überraschend erfolglose Arbeit der Verbände in diesem Bereich ist ein strategisches Problem: Das ÖPNV-Mantra war nicht kompatibel mit einem wirklich kräftigen Engagement für die elektrische Motorenwende.

Doch trotz des Scheiterns hat bis heute keine kritische Reflexion darüber stattgefunden. Auch wegen dieses Artikels werde ich wieder kritische Reaktionen von Ökos bekommen mit dem immer gleichen Tenor: Das Elektroauto sei keine Verkehrswende, sondern umweltzerstörend und Greenwashing, es helfe nur der komplette Umstieg auf öffentlichen Verkehr und Fahrrad. Überhaupt lebe man selbst prima ohne Auto (in Berlin).

In diesem Weltbild zerstört das Werben für das Elektroauto das Traumbild der autolosen Gesellschaft. Dabei wird eines radikal verdrängt: Nichts spricht dafür, dass die aufsteigenden globalen Mittelschichten lieber den Bus nehmen, wenn sie sich ein Auto leisten können. Und nichts spricht dafür, dass in der EU Regierungen gewählt werden, die den radikalen Ausstieg aus der privaten Automobilität umsetzen wollen.

Die deutsche Umweltbewegung hat jedenfalls im Moment keinen Schimmer, wie diese politischen Mehrheiten gegen das Auto jemals zu gewinnen sind. Das bedeutet, es werden global in den nächsten Jahrzehnten hundert Millionen Autos zugelassen werden – und die entscheidende Frage ist: Was für Autos?

Die etwas bittere Wahrheit lautet: Zur trägen Ablösung des Verbrenners hat die fehlende Elektrobegeisterung des Ökomilieus beigetragen. Auch einige meiner Bekannten – die selbst mit Verbrennern in der Gegend herumfahren – argumentieren gern gegen elektrische Autos: die schmutzigen Batterien, die Kinderarbeit im Kongo, der Kohlestrom.

Alles berechtigte Probleme, aber eben nicht vergleichbar mit den Risiken, die mit dem hoffnungslos veralteten fossilen Verbrenner verbunden sind.

Mineralölkonzerne mit Fahrstrom vom Dach entmachten

Auch wenn immer wieder einzelne Studien aus der Verbrenner-Ecke, jüngst noch vom Karlsruher Institut für Technologie, prominent das Gegenteil behaupten: Der Mainstream der Ökobilanz-Studien spricht eindeutig für den elektrischen Antrieb trotz der Herausforderungen bei Materialien und Recycling, auch weil diese in die Systemlogik der Energiewende passen.

Deshalb zum Schluss eine Perspektive, die mit der politischen Dynamik der Energiewende zu tun hat. Die immer wieder als Alternative genannten elektrischen Wasserstoffautos haben nicht nur den Nachteil der viel schlechteren Effizienz wegen der Umwandlungsverluste. Auch mit Wasserstoff würden wir uns beim Tanken – wie heute bei Benzin und Diesel – komplett in die Abhängigkeit großer Konzerne begeben.

Bereits heute gibt es nicht wenige E-Autofahrer, die vor allem eigenen Strom vom Solardach tanken. Nach mehr als hundert Jahren Abhängigkeit von Mineralölgesellschaften mit enormer politischer Macht ist das eine Bürgerermächtigung, die nicht unterschätzt werden kann.

Man nennt das Sektorenkopplung. Der Konsument wird zum Produzenten mit eigener Photovoltaik und eigenem grünem Strom. Damit ist auch eine politische Entmachtung der Mineralölkonzerne verbunden.

Die Elektromobilität wird deshalb nicht in der Stadt explodieren, wo die Lade- und Parksituation schwierig ist, und Fahrrad und ÖPNV wirklich die besseren Alternativen sind. Sondern im ländlichen Raum, wo viele ihre eigenen Garagen und Stellplätze haben und der Weg zur Arbeit mit dem Bus auch künftig nicht klappen wird.

In Deutschland gibt es heute rund 1,7 Millionen Photovoltaikanlagen, die sehr günstigen Fahrstrom produzieren können. Wenn sich das auf dem Land herumspricht, explodieren nicht nur die Elektroauto-Käufe, sondern auch der Ausbau von Photovoltaik – inklusive innovativer Optionen, wie der Einsatz der Autobatterien zur Netzstabilisierung.

Dann wird die Effizienz der Fahrzeuge auch eine wichtigere Rolle beim Kauf spielen. Wer genau weiß, wie viel eigenen Solarstrom so ein SUV verbraucht, wählt mit höherer Wahrscheinlichkeit ein effizienteres Fahrzeugdesign.

Die Experten der Agora Verkehrswende haben übrigens gerade mit Blick auf das neue Ziel der EU von 55 Prozent CO2-Reduktion bis zum Jahr 2030 ausgerechnet, dass die deutsche Pkw-Flotte dann 14 Millionen Elektroautos enthalten muss. Jede Verzögerung wird mit Blick auf die Klimaziele später eine noch steilere Kurve erfordern.

In dieser Lage Autos "sowieso blöd" zu finden ist keine Lösung. Es ignoriert nur das Problem.

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