Andreas Knie. (Foto: InnoZ)

Immer wieder sonntags: Unsere Herausgeber erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung. Sein Steckenpferd ist das Verkehrswesen von morgen.

Klimareporter°: Herr Knie, ab jetzt gilt das neue Kraftstoffverbrauchs-Testverfahren WLTP. Die Angaben zum Verbrauch und CO2-Ausstoß neuer Modelle sollen nun realistischer werden. Kann das neue Verfahren diese Hoffnungen erfüllen?

Andreas Knie: Das neue WLTP-Verfahren soll die tatsächlichen Fahrprofile der Fahrzeuge realistischer abbilden. Alle ab dem 1. September zugelassenen Fahrzeuge müssen diesen Zyklus durchlaufen haben. Eine bisher nicht genannte Zahl von Typen deutscher Hersteller hat diesen Test erst gar nicht bestanden.

Die Fahrzeuge, die ab sofort zu kaufen sind, werden Kraftstoffverbräuche angeben müssen, die mehr als 20 Prozent höher liegen, und die CO2-Angaben werden ebenfalls deutlich steigen. Dies bedeutet, dass auch die zu zahlende Kfz-Steuer im Mittel wohl bis rund 50 Prozent höher ausfallen wird.

Es ist damit amtlich, dass alle vorherigen Angaben der Hersteller nichts anderes waren als Lug und Betrug und dass alle Klima- und Verkehrsmodelle, die auf den Angaben der Hersteller beruhen und uns weismachen wollen, dass die Autos gar nicht den Löwenanteil der Emissionen ausmachen, neu gerechnet werden müssen. Für die Wissenschaft beginnt damit eine neue Zeitrechnung.

Die Kohlekommission der Bundesregierung steht schon nach wenigen Sitzungen vor der Zerreißprobe, der gewünschte gesellschaftliche Konsens scheint noch weit entfernt. Eine weitere Kommission soll sich um die Verkehrswende kümmern. Eine gute Idee?

Kommissionen sind dann wirksame Mittel bei der Umsetzung von Politik, wenn man sich in den Zielen grundsätzlich einig ist. Bei der Kohlekommission sind dagegen mehrheitlich Interessenvertreter präsent, die einen Ausstieg aus der Kohleverstromung gar nicht wollen.

Damit verschleiert diese Kommissionen nur das Politikversagen. Es ist völliger Unsinn, einige tausend Menschen Braunkohle aus der Erde baggern zu lassen und dadurch wertvolle Landschaft kaputt zu machen. Diese Kohle braucht kein Mensch, und das noch als notwendige Energiereserve zu deklarieren ist vollkommen unsinnig. Jeder Tag, an dem dieser archaische Schwachsinn fortgesetzt wird, verhindert den Wandel und zementiert diese Fehlentwicklung. Alternativen werden mit jedem Baggertag schwieriger.

Bislang hat man von der Verkehrskommission noch gar nichts gehört, obwohl sie laut Koalitionsvertrag schon Anfang 2019 Ergebnisse liefern soll. Warum kommt das Verkehrsministerium nicht in die Puschen?

Das zentrale Problem am Verkehr ist die massenhafte Verbreitung von privaten Autos. Auf dem Land und in der Stadt. Dieses Autos verursachen schlechte Luft, sind laut und okkupieren den Platz für andere Verkehrsmittel. Allerdings ist dieser Zustand nicht vom Himmel gefallen, sondern das Ergebnis einer über viele Jahre wirksamen Verkehrspolitik.

Der Traum vom guten Leben war die Familie, das Haus und das eigene Auto. Familienstrukturen haben sich genauso geändert wie Wohnformen und von den Autos haben wir jetzt mehr als genug. Der Traum muss also neu definiert werden. Hierfür hat die Verkehrspolitik aber keinerlei Plan. Klar also, dass sie sich bei der Verkehrswende so schwertut. Sie kennt ja gar nicht das Ziel.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Dass der Chef von Audi immer noch im Gefängnis sitzt. Wenn die Verdunklungsgefahr so groß ist, dann ist das Netz der Verstrickung so gewaltig und die Verschleierung so gigantisch, dass wir noch eine Menge an Überraschungen erleben werden. Offenkundig handelt es sich also um einen systematisch angelegten Betrug im ganz großen Stil. Wer soll da den Ankündigungen der Autohersteller zukünftig noch glauben?

Fragen: Verena Kern

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