Gegen halb zwölf tritt am Freitag Dirk Spaniel ans Rednerpult im Bundestag. Der Stuttgarter hat, bevor er für die AfD in den Bundestag einzog, zwei Jahrzehnte für Daimler als Ingenieur gearbeitet, wie die Hauszeitschrift Das Parlament berichtet. Klimaschutz ist für Spaniel das "goldene Kalb des 21. Jahrhunderts" und das Klimaziel der Bundesregierung "ein Märchen", wie er im Bundestag schon mitzuteilen wusste.
An diesem Freitag will sich Spaniels AfD-Fraktion aber offenbar am Tanz ums "goldene Kalb" beteiligen, und zwar mit einem Antrag, um die sich ab 2021 verschärfenden EU-Grenzwerte für CO2-Emissionen von Pkw zu erfüllen. Deswegen würden in Europa bald nur noch Kleinwagen produziert werden, behauptet Spaniel und denkt dabei sicher auch daran, dass der Stuttgarter Hersteller, für den er lange arbeitete, mit solchen Wagen eher kein Geld verdient.
Wagen oberhalb der Kompaktklasse, sagt Spaniel weiter, würden die EU-Emissionswerte nur mit Elektroantrieb einhalten können. Aufgrund der "hohen Herstellungskosten" seien solche Fahrzeuge aber "für weite Teile der Bevölkerung unerschwinglich". Klar, bei Preisen kennt er sich aus: Schon heute, noch im Zeitalter des Verbrenners, können sich weite Teile der Bevölkerung die PS-Riesen aus der Daimler-Schmiede nicht leisten.
Auch die FDP hat ein Herz für den Verbrennungsmotor
Der Status quo stört Spaniel nicht – ihm geht es darum, dass auch künftig (Premium-)Autos mit Verbrennungsmotor unterwegs sein können: Die AfD beantrage, die steuerliche Förderung von Autos, die mit synthetischen Kraftstoffen oder "Biosprit" angetrieben werden, denen von E-Autos gleichzustellen. Dann könne jeder, malt Spaniel aus, an die Tankstelle fahren und "CO2-neutralen Sprit tanken".
Mit den Märchen des AfD-Manns setzt sich in der Bundestagsdebatte allerdings nur der Grüne Stephan Kühn wirklich auseinander – und knöpft sich im Vorbeigehen auch die FDP vor. Die hat zur Debatte im besten Liberalensprech einen Antrag zu einer "technologieoffenen" Antriebsförderung vorgelegt.
Ausgerechnet die beiden Parteien, die gegen den Kompromiss beim Kohleausstieg sind und den Ausbau der erneuerbaren Energien blockieren, wollen eine klimafreundliche Mobilität mit Kraftstoffen sichern, die auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt werden. "Das ist schon erstaunlich", sagt Kühn im Plenum.
Ein Liter synthetischer Kraftstoff, der Diesel ersetzen kann, koste derzeit 4,50 Euro, zitiert der grüne Politiker eine Studie im Auftrag des Autohersteller-Verbandes VDA und stellt die Jedermann-Rhetorik der AfD ins Abseits. Auch mit ihrer Aussage, man könne mit synthetischen Kraftstoffen schon morgen auch ältere Autos antreiben, führe die AfD "die Bürger nur hinters Licht", sagt Kühn.
Und schließlich müsse für das Fahren mit den "E-Fuels" fünfmal so viel Strom eingesetzt werden, als wenn dieser Strom direkt durch die Antriebsbatterie eines Elektroautos fließt. Wo dieser Strom herkommen solle – die Frage könnten die Antragsteller nicht beantworten.
Deshalb sollen für Kühn wie auch für Jörg Cezanne von der Linksfraktion die synthetischen Kraftstoffe nur dort zum Einsatz kommen, wo sie aus heutiger Sicht unverzichtbar sind: im Flug- und Schiffsverkehr.
Regierungsparteien mit überraschenden Argumenten
Dagegen zeigt sich die Union bei dem Thema hin- und hergerissen. Sie will die Synthetischen und auch deren Erforschung weiter fördern – in der Hoffnung, dass sich die Ineffizienz bei der Herstellung aufheben lässt, wenn "hinreichend" regenerative Energie zur Verfügung stehe, meint der CDU-Abgeordnete Hermann-Josef Tebroke und denkt darüber nach, wie eine führende Position der Branche erhalten werden kann, indem man die Verbrennungsmotoren weiterentwickelt.
Sein Parteikollege Christoph Ploß schlägt in der Debatte noch tiefer in die nationale Kerbe und erklärt, E-Fuels würden auch die deutsche Autoindustrie stärken. "Wir sollten alle als deutsche Politiker daran ein Interesse haben."
Kein Wunder, dass die Union ihre Ablehnung des AfD-Antrags mit einer sprachlichen Volte erklären muss. Man stimme dem Antrag nicht zu, erklärt Tebroke, weil es für die Forderung nach steuerlicher Förderung noch "zu früh" sei, andererseits aber das Begehren "zu spät" komme, da die Debatte um die Synthetischen schon längst laufe.
Von den Agrokraftstoffen ist in der ganzen Debatte übrigens weiter nicht die Rede. Die SPD weicht der verkehrspolitischen Debatte gänzlich aus und verlegt sich darauf, vor allem die Kosten der von der AfD geforderten steuerpolitischen Gleichstellung von E-Fuels und E-Autos als völlig unseriöse Finanzpolitik der Rechten anzuprangern.
Als Erfolg verkauft SPD-Mann Mathias Stein dann noch allen Ernstes, dass jetzt Vertreter des Verkehrsausschusses des Bundestags in der Verkehrskommission "dabei sein dürfen" und dass die schwarz-rote Regierung einen "guten Koalitionsvertrag" habe. In den solle auch der Verkehrsminister ab und zu mal hineinschauen, hebt Stein zum Abschluss den Zeigefinger.
Immerhin, als weiteren Erfolg können SPD und Union verbuchen, dass der Antrag der AfD federführend in den Finanzausschuss des Bundestages überwiesen wird. Da muss man wenigstens nicht mehr über Verkehrspolitik reden.