Trawler fischen mit Grundschleppnetzen und beschädigen den Meeresboden. (Bild: Narisa Foto/​Shutterstock)

Fischfang ist sehr wichtig für die Ernährung der Weltbevölkerung. So beziehen heute über 3,3 Milliarden Menschen mindestens 20 Prozent ihrer täglichen tierischen Eiweißzufuhr aus Fisch. Doch vielfach wird das Fischen nicht nachhaltig ausgeführt, etwa bei der Nutzung von Grundschleppnetzen, die Ökosysteme am Meeresboden gefährdet.

Nun verdichten sich die Erkenntnisse, dass diese Praxis auch ein Klimakiller ist, weil dabei große Mengen Kohlendioxid freigesetzt werden – und zwar auch in der Nordsee.

Ein Beispiel sind die traditionellen Krabbenkutter. Das Netz heißt hier Baumkurre. Es besteht aus einer starren Konstruktion, dem Kurrenbaum, der das Netz offen hält, während es auf dicken Gummirollen über den Meeresboden rollt.

Andere Arten von Schleppnetzen, die von industriellen Fangschiffen gezogen werden, haben weitaus größere Dimensionen. Mit ihnen können ganze Fischschwärme aus dem Meer geholt werden, im Atlantik zum Beispiel von Hering oder Kabeljau. Die größten Schiffe sind bis zu 140 Meter lang, und in ihre Netze passen bis zu 500 Tonnen Fisch auf einmal.

Zahlen zur Wirkung der Schleppnetzfischerei auf die globale Treibhausgas-Bilanz hat in diesem Jahr ein Forschungsteam der Utah State University in den USA veröffentlicht. Danach wird geschätzt, dass die CO2-Menge, die in die Atmosphäre gelangt, bis zu 370 Millionen Tonnen pro Jahr betragen dürfte.

Das sei etwa doppelt so viel wie die Emissionen aus den Motoren der rund vier Millionen Fischereischiffe weltweit oder in etwa halb so viel wie die des globalen Flugverkehrs. Die Untersuchung erschien im Fachmagazin Frontiers in Marine Science.

"Aufkratzen des Meeresbodens verursacht irreparable Schäden"

Laut der Studie sind vor allem das Ostchinesische Meer, die Nord- und Ostsee sowie die Grönlandsee von den Folgen der Grundschleppnetz-Nutzung betroffen. Es könne aber auch noch andere Hotspots geben, so das Forschungsteam, denn es mangele an Daten zu dieser Fischereimethode in den Meeren Südostasiens, im Golf von Bengalen, im Arabischen Meer und im Golf von Mexiko.

An der US-Universität befasst sich ein Team um die Ökologin Trisha Atwood schon seit einigen Jahren mit dem Problem, seitdem klar wurde, dass aus der aufgewühlten Sedimentschicht am Meeresboden organische Kohlenstoffverbindungen aufgewirbelt und in klimaschädliches Kohlendioxid umgewandelt werden.

2021 kam die Forschungsgruppe zu der groben Abschätzung, dass es sich pro Jahr um rund eine Milliarde Tonnen CO2 handelt. Damals war aber noch unklar, wie viel davon in die Atmosphäre gelangt. Ein Teil wird auch zu Kohlensäure umgesetzt, was dazu führt, dass die Ozeane schneller versauern, mit negativen Folgen für viele Meereslebewesen, darunter Korallen und Schalentiere.

Atwood erläuterte, die Grundschleppnetz-Fischerei setzte "CO2-Fahnen" frei, "die anderenfalls sicher über Jahrtausende im Meeresboden gespeichert wären". Ihre Warnung: "Ähnlich wie die Zerstörung von Wäldern verursacht das Aufkratzen des Meeresbodens irreparablen Schaden für das Klima, die Gesellschaft und die Tierwelt."

Atwoods Team nutzte Daten der US-Organisation Global Fishing Watch zur weltweiten Grundschleppnetz-Fischerei. In Computermodellen simulierte es die komplexen Prozesse in den Ozeanen, etwa die Strömungen, die biologische Vorgänge und den Gasaustausch, der an der Oberfläche des Wassers stattfindet.

Ergebnis: Die kalkulierte CO2-Gesamtmenge lag etwas niedriger als ursprünglich abgeschätzt, doch mehr als die Hälfte davon, konkret 55 bis 60 Prozent, gelangte binnen sieben bis neun Jahren in die Atmosphäre, besagte bis zu 370 Millionen Jahrestonnen. Der Rest trug zur Versauerung des Wassers bei.

Umweltverband fordert Klimaschutzgebiete in der Nordsee

Auch für die Nordsee ist das Problem inzwischen detailliert analysiert worden, und zwar im Rahmen des vom Bundesforschungsministerium geförderten Programms "Ozeane unter Stress – Analyse der marinen CO2-Aufnahmefähigkeit". Vorgestellt wurden die Ergebnisse der über drei Jahre laufenden Untersuchungen im sogenannten Apoc-Projekt unlängst auf einer Tagung im Berliner Naturkundemuseum, Titel: "Natürlicher Klimaschutz am Meeresgrund: Schlick ist schick".

Co-Projektkoordinator Wenyan Zhang vom Institut für Küstensysteme in Geesthacht lässt keinen Zweifel daran, dass es "eine negative Auswirkung der Grundschleppnetzfischerei auf die Kohlenstoff-Speicherkapazität" der feinkörnigen Sedimente vor den Küsten gibt, die als Schlick bekannt sind. Aber auch andere Aktivitäten wie der Offshore-Sandabbau und die Sedimentausbaggerung hätten Folgen.

Der Umweltverband BUND, der an dem Forschungsprojekt beteiligt war, betonte die Bedeutung der Schlickflächen als natürliche CO2-Speicher. Allein die obersten fünf Zentimeter Meeressediment binden nach wissenschaftlichen Erkenntnissen mehr als 300 Milliarden Tonnen CO2 in Form von organischem Kohlenstoff, mehr als das Achtfache der vom Menschen verursachten Emissionen im Jahr 2023.

BUND-Vize Verena Graichen sagte auf der Tagung, die Meere müssten umfassender geschützt werden, speziell auch die Nordsee. "Wir fordern die Bundesregierung auf, noch in dieser Legislaturperiode entsprechende Klimaschutzgebiete auszuweisen." In diesen Zonen müssten Nutzungen ausgeschlossen werden, die das gebundene CO2 freisetzen.

"Für Schlickgebiete bedeutet das konkret einen konsequenten Ausschluss von bodenberührenden Aktivitäten, wie Grundschleppnetz-Fischerei, Ausbaggerung und Verklappung sowie Verlegung von Kabeln", sagte Graichen.

Speziell für die Schleppnetzfischerei hat die EU 2016 Beschränkungen erlassen, ein Verbot gilt allerdings nur in Tiefseeregionen der EU-Gewässer. In den meisten anderen Gebieten dürfen die Netze bis zu einer Tiefe von 800 Metern weiter eingesetzt werden.